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5. 2. 2016 - 12:09

Geldwäsche und das Recht auf ein faires Verfahren

Barzahlungen nur bis 5000 Euro? Ein Vorschlag aus Deutschland lässt die Emotionen hochgehen. Doch der Kampf gegen die Geldwäsche wird in viel schwerwiegenderen Bereichen zur Gefahr für unsere Grundrechte.

Der deutsche Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) plant eine Obergrenze von 5000 Euro für Barzahlungen einzuführen. Schon auf dem nächsten Treffen der europäischen Finanz- und Wirtschaftsminister will er das Thema diskutieren. Zieht Europa nicht mit, will der deutsche Finanzstaatssekretär das Bargeld-Limit im Alleingang einführen. Kritiker sehen darin eine Schlacht um die finanzielle Privatsphäre. Die deutsche Regierung argumentiert einmal mehr mit dem Kampf gegen die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Dieser wird in der EU auf verschiedensten Ebenen intensiviert - unter anderem auch mit der im Vorjahr beschlossenen, vierten Anti-Geldwäsche-Richtlinie. Diese hat das Potenzial, die Freiheit der Bürger in der EU wesentlich strikter einzuschränken als eine Obergrenze für Barzahlungen.

Petzende Steuerberater

Der Geldwäscherei macht sich strafbar, wer illegal erworbenes Vermögen wissentlich in den legalen Wirtschaftskreislauf einschleust. Laut der neuen Anti-Geldwäsche-Richtlinie müssen Verpflichtete (also zum Beispiel Banken, Steuerberaterinnen und Rechtsanwältinnen) nicht nur Geldwäsche bzw. Vortaten zur Geldwäsche an die Behörden melden, sondern alle Straftaten. Schon der Verdacht, dass Straftaten begangen wurden, ist meldepflichtig - auch wenn diese gar nichts mit Geldwäsche zu tun haben. Die Meldeplflichten wurden in der neuen Richtlinie so sehr verschärft, dass Österreich bei ihrer Umsetzung sehr behutsam vorgehen sollte, sagt Severin Glaser, Assistenz-Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien: „Sonst entsteht eine Situation, in der sich niemand mehr traut, zu einem Rechtsanwalt zu gehen. Oder zu einem Steuerberater, um eine Steuererklärung zu machen, weil der Steuerberater einen dann wegen einer Bilanzfälschung anzeigen muss. All das unter dem Schlagwort der Geldwäschebekämpfung. Doch in Wirklichkeit geht es um ganz andere Dinge.“

Dr. Severin Glaser

WU Wien

Dr. Severin Glaser

Vortaten und Verdacht

Als Vortaten kommen in Österreich bisher Verbrechen wie Untreue oder Urkundenfälschung in Frage - vorsätzliche Straftaten, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Zusätzlich waren bisher unter anderem einzelne schwerere Finanzdelikte wie Schmuggel und wahrheitswidrige Zollanmeldungen erfasst. Die neue EU- Richtlinie schreibt nun explizit vor, dass auch alle Steuerstraftaten, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden sind, Vortaten darstellen müssen. Jede Steuerberaterin oder Rechtsanwältin könnte bei Umsetzung der Richtlinie in heikle Situationen geraten. Severin Glaser: „Das betrifft z.B. den Verdacht, dass Steuerdelikte vorgefallen sind, den Verdacht, dass sich ein Beamter bestechen ließ, den Verdacht auf Betrugstatbestände, was auch immer – die Bandbreite in der EU-Richtlinie ist weit und der österreichische Gesetzgeber ist hier wirklich berufen, sehr achtsam und vorsichtig damit umzugehen.“ Vergehen, die bisher nur Verwaltungsstrafen nach sich zögen, könnten in Zukunft unter das Regime des Strafgesetzbuchs fallen, so Glaser. Die in der EU-Richtlinie vorgesehenen Sanktionen für natürliche Personen aus den Rechts- und Steuerberatungsbranchen sehen maximale Geldstrafen von fünf Millionen Euro sowie die öffentliche Bekanntmachung und ein Berufsverbot vor. Damit werde auch die wirtschaftliche Existenz von Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern, die ihre Klienten nicht anzeigen, ernsthaft bedroht.

Recht auf Verteidigung

Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Anti-Geldwäsche-Richtlinie vor den Europäischen Höchstgerichten Bestand haben würde. „Das Recht auf Verteidigung ist schon betroffen, wenn ich mich gegenüber einem Rechtsanwalt nicht mehr äußern kann, weil der Anwalt alles zur Polizei tragen müsste - davon ist das Recht auf ein faires Verfahren ebenso betroffen, wie übrigens auch, wenn der Anwalt kein Honorar von mir annehmen darf.“ Letzteres könnte der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt weiß, dass sein Klient Teil einer kriminellen Organisation ist. „Sobald er dann irgendwelche Vermögensbestandteile annimmt, macht er sich selbst wegen Geldwäsche strafbar.“ Allerdings hält Severin Glaser eine grundrechtskonforme Umsetzung der vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie durchaus für möglich, „wenn Österreich diese Meldepflichten nicht strenger auslegt als es die Richtlinie erfordert und wenn man das Beraterprivileg so bestehen lässt, wie es die Richtlinie ermöglicht.“

Und das 5000-Euro-Limit?

Zum jüngsten Vorschlag des deutschen Finanzstaatssekretärs Michael Meister, den Bargeldverkehr auf höchstens 5000 Euro zu beschränken, sagt Severin Glaser, dass das sicher helfen könnte, die Geldwäsche zu verringern – sein Geschmack seien solche Maßnahmen aber nicht: „Auf gleiche Weise könnte man verbieten, dass sich Leute Mund-zu-Mund miteinander unterhalten. Stattdessen müssten sie immer übers Telefon sprechen, damit man das nachvollziehen kann. Natürlich kann man die Geldwäsche bekämpfen, wenn die Bürger jeden Schritt unter der Überwachung des Staates tun. Aber wir müssen nicht einen Polizeistaat errichten, nur um die Geldwäsche zu bekämpfen.“ Auch wenn ein Verbot, mehr als 5000 Euro in bar zu bezahlen, nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung im Alltag beträfe: Die Freiheit des einzelnen sei mehr wert als ein möglicher, minimaler Nutzen für die Strafverfolgungsorgane. Österreich sollte daher nicht nur dem Vorschlag des deutschen Finanzstaatssekretärs eine Absage erteilen, sondern vor allem bei der Umsetzung der vierten Europäischen Anti-Geldwäsche-Richtlinie auf eine grundrechtskonforme Umsetzung achten.