Erstellt am: 4. 2. 2016 - 15:55 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 04-02-16.
#fußballjournal16
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.
Die Frage warum eine Koalition aus veritablen ÖFB-und Liga-Erneuerern, populären Alt-Lobbyisten und gutmeinenden Edel-Fans der falschen, nicht totzukriegenden "Zu früh ins Ausland!"-These zur österreichischen Fußball-Jugend immer wieder massive öffentliche Bedeutung beimisst, erfährt eine durchaus überraschende Antwort.
Es begann als simples (und populistisches) Ablenkunsgmanöver
Die Wahrheit, so zitierte ein jetziger Präsidentschafts-Kandidat vor vielen Jahren einen alten Römer, sei eine Tochter der Zeit. Dass die Unwahrheit, wenn man sie nur lange genug behauptet, im Laufe der Zeit zur Wahrheit werden kann, ist wiederum eine Tochter dieses Gedankens.
Zum Beispiel die Behauptung Österreichs Fußball sei deshalb noch immer relativ entwicklungsgehemmt, weil zu viele jugendliche Talente "zu früh ins Ausland" wechseln würden. Ein Credo das zuletzt vom ÖFB Sportdirektor Ruttensteiner vertreten wurde, ebenso auf der aktuellen Agenda der Bundesliga steht (die sich anlässlich des Frühjahr-Saisons-Starts äußerte) und auch in Fan-Kreisen kursiert. Als gesicherte Gewissheit.
Der (in den Links genau aufgeschlüsselte) Reality Check erbrachte, dass die Erfolgs-Quote der jung ins Ausland Gewechselten etwa bei 50:50 steht. Das ist - vor allem - wenn man sich den (deutlich darunterliegenden) Vergleichswert der Möglichkeiten einer halbwegs erfolgreichen innerösterreichischen Karriere ansieht (die Rechnung ist einfach: Akademieabgänger vs. freie Stellen im heimischen Profi-Fußball) mehr als respektabel.
Angefangen hat damit Herbert Prohaska, in seiner unzureichend definierten Rolle als Schutzherr der 1.Liga, des - widerspruchsfrei - gescheiterten Profi-Unterbaus der Bundesliga, der für den Übergang zwischen Akademie-Ausbildung und echtem profi-Fußball dienen soll (das aber aus vielen Gründen nicht packt). Prohaska offensiver Vorstoß (nach längerem Geraune setzte er damit 2013 eine bewusste öffentliche Agenda) war ein leicht zu durchschauendes Ablenkungs-Manöver, seine Behauptungen leicht zu widerlegendes (ich habe das hier und hier auf mehreren Ebenen getan) Gerede, das nicht einmal den Status einer Milchmädchenrechnung erreichte.
Einem Reality Check hielt die Mär noch nie stand
Interessanterweise hat sich die Idee aber in vielen Köpfen festgesetzt und kursiert seitdem als gern genommener Joker, wenn Bedarf daran bestand den Schwarzen Peter auch einmal abgeben zu können. Egal ob man sich selber für die Ausbildung verantwortlich sieht (Funktionäre) oder etwa die Austro-Absenz in aktuellen Rankings erklären will (Fans). Am besten an ein diffuses "Außen", das in vielen Kreisen dafür sehr beliebte "Ausland".
Die Liga präsentiert nun eine Liste, die die (16) Österreicher anführt, die in den großen europäischen Ligen spielen und älter als 18 waren, als sie erstmals eine ausländische Karriere-Station antraten. Und gibt das als Beleg für die erfolgreiche Ausbildung durch die Liga aus.
Nicht in der Liga-Liste sind Alaba, Baumgartlinger, Harnik, Stranzl, Schöpf, Grillitsch, Lucic und Radlinger aus der deutschen Bundesliga, dazu die erwähnten Leitner und Schmid. Weiters Arnautovic, Kevin Wimmer, Bytyqi und Bachmann aus der Premier League, Gucher und Büchel aus der Serie A und Philip Lienhart von Real Madrid.
Auch die Wiederholung des damaligen Checks ergibt: etwa 50% unserer Legionäre (und Ex-Legionäre) sind
"zu früh" abgegangen, 50% erst mit "über 20". Die wenigsten mit Über 24, dem damals von Prohaska als Empfehlung ausgesprochenem Ideal-Alter. Und auch die Rechnung hier ergibt, selbst nach dem Re-Check 2016: 50%.
Bei Vereinen in den europäischen Top 5-Ligen spielen nun aber nicht die 16, sondern insgesamt 30 Österreicher, dazu kommen 2 Spieler (Büchel und Leitner), die in ÖFB-Juniorenteams antraten und Austrofranzose Jonathan Schmid, um den sich der ÖFB einst bemühte.
Es wurden also 16 von 33 in Frage kommenden Legionären der Top-Ligen in Österreich ausgebildet, etwa 50 Prozent. Etwa 50% haben ihren Schliff in Ausbildungsstätten im Ausland bekommen, darunter mit Alaba und Arnautovic auch die prägenden Figuren des ÖFB-Teams.
Mittlerweile beschwört das Mantra wichtige Bewusstseinsbildung
Bei genauem Hinsehen ist die "Nicht so früh ins Ausland!"-Ansage also nichts, was sich mit Daten und Fakten ernsthaft unterfüttern lässt. Sondern ein Propaganda-Instrument, ein lobbygesteuertes Marketing-Instrument im Dienste von Vereinen und ÖFB.
Zum einen.
Zum anderen hat das permanente Hochhalten der "Die Jungen nicht ins Ausland ziehen lassen!"-These - genauso wie die Dauererwähnung der "Ausbildungsliga" eine Art selbstbeschwörenden Nebenzweck.
Wohl nur mit diesen Mantras lässt sich wohl den bislang in der Mehrheit erstaunlich desinteressierten Vereinen ihre Verantwortung klar zu machen. Dass nämlich sinnhafte Nachwuchs-Pflege (die über durchschaubar peinliche Lippenbekenntnisse hinausgehen) und der frühzeitigen Aufbau von Jungprofis, die dann im marktgerechten Alter (also Anfang und nicht Mitte 20, wie es die alte Schule realitätsfern immer noch predigt) verkauft werden können, die Klubs mittelfristig am Leben halten werden.
Und: so nervig die beschwörenden Wiederholungen (vor allem jene, die den Reality Check nicht ganz bestehen) für viele auch sein mögen - sie erfüllen einen sinnhaften Zweck.
Ein Beispiel: im (durchaus subjektiven) Ranking der 50 größten Fußball-Talente Österreichs auf laola1-at überwiegen die noch hierzulande in Ausbildung begriffenen Jungen die ins Ausland abgewanderten (bei den über16jährigen mit etwa 22:16). Und weil die Verbandsregeln von UEFA/FIFA Übertritte von Jüngeren ja untersagen, sind die 15 und 16jährigen Supertalente eben noch gänzlich in der Heimat tätig. So kann aus dem Fakt, dass Sturm Graz den 15jährigen Romano Schmid, die Nummer 3 dieser Liste, gehalten hat, ein kleines öffentlichkeitswirksames Heldenepos gebastelt werden.
Lippenbekenntnisse und Heldenepen allein werden nicht genügen
Mit Kritik wird aber ebenso wenig gespart. Und auch die setzt an symptomatischen Stellen ein. An der Schnittstelle zwischen Akademien (also fertiger Ausbildung mit 18) und Profi-Fußball (Bundesliga und die horrible 1.Liga) gehen jede Menge Talente verloren, so dass hier völlig zurecht der Schritt ins Ausland als adäquate Möglichkeit präsentiert wird. Fakten- nicht mythenunterstützt.
Und als Dreingabe hat sich die laola1.at-Redaktion auch die Mühe gemacht die Bundesliga einem Youngster-Check zu unterziehen; mit teilweise erschreckenden Ergebnissen.
Als Marketing- und Bewusstseinsbildungs-Maßnahme mag die Mär vom "Zu früh ins Ausland!" also weiterhin taugen - mit dem wirklichen Leben hat sie so viel zu tun wie Rotkäppchen und der Wolf.