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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

4. 2. 2016 - 14:12

Das beste Spiel aller Zeiten?

Das Indie-Spiel "Undertale" hat sich in kürzester Zeit zu einem der meistgehypten Games der letzten Jahre entwickelt.

Auf den ersten Blick ist "Undertale" ein klassischer Vertreter der Videospielwelt der 80er Jahre: Simple Pixel-Grafik, ein vor sich hin bliepender Soundtrack und Charaktere, die sich rein per langsam dahin scrollender Textboxen, ohne Sprachausgabe, miteinander unterhalten. Nur: "Undertale" ist erst im September 2015 erschienen.

An und für sich ist der Trend in die Richtung Retro-Design vor allem in der Indie-Spieleindustrie ja nichts neues, "Undertale" unterscheidet sich aber deutlich von den sonstigen Vertretern dieses Nostalgie-Genres: Ende des Jahres gewann das Spiel nämlich zahlreiche Awards für "Best Game of the Year", auf der Website GameFAQs wurde das Game sogar per User-Voting zum besten Spiel aller Zeiten gekrönt - gegen Kult-Titel wie Super Mario Bros., Metal Gear Solid oder The Legend of Zelda. Und das startete nicht nur einen kleinen Shitstorm in der Videospielwelt, sondern sorgte auch für ordentliche Publicity für das Retro-Game.

Noch verblüffender an dem ganzen "Undertale"-Phänomen: Das Spiel wurde von einer einzigen Person kreiert: Als Toby Fox ist der Erfinder, Programmierer und Komponist hinter "Undertale" bekannt, Indie-Industrie-typisch versucht er auch dem ganzen Rummel um sein Spiel eher aus dem Weg zu gehen: In der Öffentlichkeit hält er sich bedeckt, in Interviews gibt er nur kurze Antworten.

Umso gesprächiger geben sich hingegen die Charaktere im Spiel, fachsimpeln über den Sinn des Lebens, mit viel Witz und cleverem Humor, Eloquenz und einer gewissen grundoptimistischen Naivität. Denn "Undertale" ist ein Spiel der großen Worte und nicht der großen Taten. Ein Spiel, das es schafft, ganz von seiner faszinierenden Story zu leben. Das wirkt letzten Endes fast so als ob das Spiel selbst als ein Ventil konzipiert wurde, um Dinge auszudrücken, die im echten Leben schwierig zu sagen sind. Vor allem für schüchterne Menschen.

Charaktere aus "Undertale"

tobyfox

Die Grundmechaniken des Spiel sind dabei möglichst simpel und erinnern an klassische Rollenspiele wie "Earthbound", "Final Fantasy" oder auch "Pokémon". Der große Unterschied: "Undertale" legt die Entscheidungen zum Großteil in Spielerhand, lässt selbst über die eigene Art zu spielen entscheiden, ob man lieber Pazifist oder superaggressiv sein will. Denn das Spiel lässt sich auch fast ohne jegliche Gewalt zu Ende bringen - Gegner können stattdessen durch Konversation und Köpfchen besiegt werden. Abgesehen davon ist das Spiel trotz seines altbackenen Erscheinungsbilds so vollgestopft mit innovativen Neuerungen, dass nur durch deren Erwähnung hier bereits große Teile der Spielerfahrungen gespoilert werden würden.

In seinem Fokus auf die Einsamkeit und die emotionalen Schwierigkeiten der Welt ist "Undertale" ein Spiel für Außenseiter, mit all der Melancholie und Schwere, die sowas mit sich bringt. Aber genau darauf beruht auch der Erfolg des Spiels für die passionierte Fanbase, die sich in den Komplexitäten der Spielcharaktere wiederentdeckt. Spieldesigner Toby Fox reagiert positiv darauf: "Zu hören 'Undertale hat mich freundlicher gemacht' oder 'Undertale hat mir durch eine dunkle Zeit geholfen' ist mehr Wert als jeder Award oder jede Wertung", schreibt der auf Twitter.

Charaktere aus Undertale vor einem Schloss

tobyfox

"Undertale" ist für PC und Mac erschienen.

Mittlerweile hat "Undertale" über eine Million Exemplare verkauft und hat einen erfolgreichen Merchandise-Store, in dem Stofftiere und T-Shirts im Design der Spielcharaktere verkauft werden. Eine Marke will Toby Fox aber trotzdem nicht daraus machen, dafür ist ihm sein Spiel auch zu persönlich. Und genau darauf beruht auch so viel des Erfolg des Titels: In einer Zeit in der bombastische Blockbuster dominieren, ist "Undertale" ein ruhiger, charmanter und trotz seiner Retro-Optik erfrischender Zugang zum Medium der Videospiele.