Erstellt am: 3. 2. 2016 - 16:26 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 03-02-16.
#demokratiepolitik #hollywoodapartheid #theaterdänmmerung
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.
Heute mit drei kleinen Geschichten, die in Österreich interessanter-weise (noch?) nicht aufgegriffen wurden
1. The Birth of a Nation, diesmal aus schwarzer Sicht
Die Vorgeschichte ist bekannt: für die diesjährigen Schauspiel-Oscars wurden - zum bereits zweitenmal hintereinander - ausschließlich Weiße nominiert. Auch sonst sieht's diversitymäßig so schlimm aus, dass schwarze Laudatoren/Presenter und andere Unterstützer schon einen Rückzug aus dem Event erwogen und die Academy in Frage stellten.
Hollywood reagierte durchaus panisch. Eine Industrie, die sich gerne als moralische Hochburg und zivilgesellschaftliches Diskurs-Zentrum eines liberalen Amerika betrachtet, mag sich nicht durch solche Makel beflecken lassen.
Vor diesem Hintergrund ist beim Sundance-Festival letzte Woche ein Transfer-Rekord gebrochen worden. Für 17,5 Millionen Dollar sicherte sich die Fox-Tochter Searchlight die Rechte auf einen Film mit dem ambitionierten Titel Birth of a Nation.
Darin erzählt Regisseur/Autor/Hauptdarsteller Nate Parker die Geschichte einer Sklavenrebellion im Vorbürgerkriegs-Süden und greift dabei ganz gezielt auf den paradigmatischen Titel des D.W.Griffith-Films aus dem Jahr 1915 zurück, der eigentlich das Zusammenwachsen der beiden Bürgerkriegs-Parteien beschreibt, aber vor allem wegen seiner Heroisierung des Ku-Klux-Clans und seines gruseligen Rassismus kulturprägener Teil moderner US-Geschichte wurde.
Dass sich Hollywood an diese deutlich ideologischer als 12 Years a Slave oder Django Unchained daherkommende Deutung schwarzen Selbstbewusstseins heranmachen würde, war angesichts des großen Sundance-Erfolgs klar. Das Besondere ist aber, dass sich keiner der neuen Player wie Netflix, sondern Fox, ein großes (und reaktionär-konservatives) Studio diesen Happen sicherte. Dieser Film could be a turning point for diversity in Hollywood, sagt Parker; und könnte recht behalten.
2. Das Ende des Widerstand gegen steirischen Sozialabbau
Heute kam die Nachricht per Mail: die in Graz beheimatete steirische Protest-NGO Plattform25 stellt ihre Tätigkeit ein.
Der über 250 (!) Mitglieder-Organisationen umfassende Zusammenschluss von Initiativen aus dem Sozial-, Kultur-, Bildungs- und Gesundheits-Bereich, der seit 2011 mit zahlreichen Aktionen gegen die drastische systematische Budget-Ausdünnung der Landesregierung in diesen Bereichen engagierte/protestierte, gibt auf.
"Unsere letzte Aktion liegt über ein Jahr zurück. Unsere Themen sind zwar nach wie vor aktuell, die Kürzungen der letzten Jahre bleiben ja bestehen. Aber sie wurden von den Betroffenen akzeptiert und in der medialen Wahrnehmung durch andere, aktuellere Themen und dringlichere Probleme verdrängt. Es wird Zeit, sich dieser Realität zu stellen." heißt es in der finalen Aussendung.
Apropos 'Steiermark' und 'Abbau': der Falter stellt seine Steiermark-Seiten ein und begründet stattdessen eine alle Bundesländer covernde Sektion mit dem Titel Landleben.
Der Sozialabbau war Teil des dramatischen Sanierungs-Konzepts der sogenannten Reform-Partnerschaft zwischen SPÖ und ÖVP Steiermark (Voves & Schützenhöfer), der machtpolitisch immer durch die drängende Verwaltungs-Reform (Stichwort: Gemeindezusammenlegung) überlagert wurde. Die (mit den Regierenden eher Übereinkunft suchenden) lokalen Medien sahen in der Plattform meist nur einen renitenten kommunistischen Outpost (die Mitgliederliste straft dieses Vorurteil Lügen) und für eine österreichweite Coverage waren die Probleme zu lokal.
Fakt ist, dass die von den Aktivisten lakonisch konstatierte Akzeptanz eines fortschreitenden Sozialabbaus auch bei den jüngsten Ankündigungen in anderen Ländern (aktuell etwa in OÖ) zu beobachten war. Dass sich die offizielle Selbstaufgabe einer NGO also mit dem Resonanz-Level der Zivilgesellschaft deckt.
Fakt ist auch, dass die im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik-Krise von Populisten aller Art gern reflexhaft geäußerten Forderungen, doch mehr an die "Unsrigen" zu denken, hier belegbar nicht über die Funktion einer Totschlag-Hülle hinauskommen und sich so als Ablenkungs-Propaganda entlarven.
3. Wie TV-Serien schlechtes Theater entlarven können
Mit Kultur und Kulturkritik verhält es sich durchaus ähnlich wie im Sportjournalismus und vor allem im hochsubventionierten Theaterbereich sind Wirt, Wirtstier und Schank symbiotisch seltsam verbunden. Gerade deshalb ist der montägliche Wutausbruch eines deutschen Feuilletonisten bemerkenswert.
In Warum sollte Theater klüger sein als Fernsehen arbeitet sich der Welt-Redakteur an der Burgtheater-Aufführung von John Hopkins' "Diese Geschichte von Ihnen", bzw an Regisseurin Andrea Breth bzw letztlich an einigen Äußerungen Breths in einem Stichwortgeber-Interview im Standard ab.
Autor Küveler zieht als Vergleichs-Wert für seine Rezension die Charakterzeichnung, die Twists und die atmosphärische Tiefe der stilprägenden US-Serie True Detective heran. Und er wirft Breth vor, sie wolle "das Fernsehen, wie wenn man einen Trickser austricksen wollte, sozusagen ausfernsehen". Was schiefging, schiefgehen muss, wenn man sich der dramaturgischen Straffung (wie es TV per Schnitt erzielen kann) widersetzt. Noch kein Beinbruch, sondern eben ganz normales, analoges Theater.
Beide, sowohl Breth als auch Küveler würdigen die Verfilmung des Stücks (Sidney Lumets The Offence mit keinem Vergleichswort.
Küvelers Vorwurf zielt aber tiefer, auf die vorab tönende Arroganz der Regisseurin: "Das Stück scheint ein Krimi zu sein, und es ist zugleich sehr viel mehr als das. Sonst müsste man es ja nicht machen." Und dann zitiert er Breths dümmstes aller Rezeptions-Vorurteile: "Was passiert mit Kindern, die sich ununterbrochen gewaltverherrlichende Filme angucken? Ein Kälteanzug wird angepasst. Wenn alles normal ist, gibt es auch keine Hemmschwelle mehr."
Um wie folgt zu bilanzieren: "Ich zitiere diese Aussagen so ausführlich, weil sie den Abend entlarven. Als selbstüberschätzend eitel, dümmlich, beleidigend. Er ist ein Affront gegen denkende Zuschauer, deren Sehgewohnheiten an jenen Filmen und Serien geschult sind, die Andrea Breth zu ihrem Unglück verachtet. Sie möchte dem Publikum ein Stück auftischen, dessen Verwandtschaft mit dem Krimi bereits ein herablassendes Zugeständnis ist, ein Köder, um es vom Fernsehsessel zu locken. Dafür ist es zu schlecht. Und außerdem viel zu lang. Die Inszenierung ist derart verliebt in die eigene Menschenkunde, dass sie Dinge, die nach wenigen Sekunden einleuchten, über Stunden auswalzt."
Damit trifft Küveler ins Mark.
Eine Hochkultur, die ausschließlich auf sich selber und die eigene Geschichte referenziert und blind für die rasanten Entwicklungen anderer epischer Genres (die längst gleichgezogen haben oder gar davongezogen sind) ist, wird mit dieser weltfremden Arroganz in einer realitätsfernen Echoraum-Blase eines eingefrorenen Abo-Publikums enden.