Erstellt am: 1. 2. 2016 - 17:21 Uhr
Wie die Motten im Licht
Es ist die klassische Geschichte einer Band auf dem Weg zum Pop-Olymp: "Früher waren wir musikalisch sehr neugierig, Humor war uns sehr wichtig. Da haben wir uns sogar dem Country und Krautrock angenähert", erzählt Caroline Polachek, die Stimme von Chairlift. "Jetzt sind wir älter und erfahrener und interessieren uns für Gefühle und emotionale Beziehungen."
"Moth" könnte das Ende der Indie-Band Chairlift symbolisieren und den Anfang der Popstars Caroline und Patrick. Mit Beyoncé hat man schließlich schon 2013 zusammengearbeitet, den viralen Hit hatte man auch schon mit der Single "Met Before" und ihrem interaktiven Choose-Your-Own-Adventure-Musikvideo. Und jetzt haben Chairlift mit "Moth" und der Speerspitzensingle "Ch-Ching" (für die erstmals ein Choreograph engagiert wurde) auch einen erstklassigen Popkracher.
Catch Me If You Can
Ein Fingerhakeln der Möglichkeiten: Philipp L'heritier über "Romeo" von Chairlift.
"Getting what you want can be dangerous. But that's the only way I want it to be", singt Caroline im Song, möglicherweise prophetisch den eigenen Aufstieg vorhersehend. "I double dare you to keep a secret. And pass it back under the table to me".
"Moth" ist ein Album der Metaphern, der großen Gleichnisse, die schon im Titel des Releases beginnen. Die namensgebende Motte ist hier der Repräsentant der emotionalen Auseinandersetzungen auf der Platte. Ein Tier, das sich durch seine Verletzlichkeit, seine Zerbrechlichkeit, aber auch seine Unnachgiebigkeit auszeichnet. Ein Zeichen für Schönheit, aber auch für Ehrlichkeit.
"Tell the losers, tell the winners, the same ship will bear us all. But all I want is to want nothing, nothing, nothing, nothing."
Chairlift
Wie es sich für eine Band mit dem Hauptwohnsitz Brooklyn gehört, ist "Moth" aber auch ein Album über New York. Nicht konkret die Stadt an sich, sondern vielmehr deren Lebensgefühl: "Die Energie von New York, das Chaos und die Kontraste der Stadt waren ein großartiger Backdrop für das Songwriting. Wir wollen, dass sich jeder Song so anfühlt, als ob er in die Stadt gehört. Unsere Lyrics und unsere Energie sollen sich anfühlen wie unser Zuhause: New York City im Jahr 2015."
Enstanden ist ein Album, das es schafft, zuckersüße 90er-Jahre-Bubblegum-Nostalgie mit Art-Pop zu vereinen. Das mal an die Christina Aguilera der "Genie In A Bottle"-Ära erinnert, ein anderes Mal an St. Vincents Zukunftswelt aus Plastik. Das man am besten als Soundtrack für den nächsten Roadtrip einplant, idealerweise mit dem Cabriolet zu Frühlingsbeginn.
Zur Musik von "Moth" kann man sich nämlich auch sehr gut bewegen, nicht nur tanzen, sondern auch spazieren, reisen oder laufen. Und das ist ganz absichtlich von Chairlift so geplant: "Das ist die ideale Experience, um unsere Musik zu hören - während man sich bewegt, während man unterwegs ist. Nicht nur diese Platte, sondern alles, was wir gemacht haben", sagt Caroline.
Columbia
"Moth" von Chairlift ist jetzt auf Columbia Records erschienen.
Trotz all der geplanten Pop-Perfektion ("How far can you push something, to create something that is pleasing to the ear" war eine zentrale Frage, die sich Patrick während der Produktion gestellt hat): "Moth" hat auch Platz für Experimente, für den Verzicht auf Kontrolle und das Zulassen von organischem Wachsen. Der finale Track "No Such Thing As Illusion" ist dafür ein besonders gutes Beispiel: "Der Song hat improvisiert begonnen", erzählt Patrick. "Ich glaube, dass war am letzten Tag im Studio und wir haben ein paar Leute zu Gast gehabt. Da haben wir mit einer Jam-Session begonnen, aus der dann dieser wunderschöne Track entstanden ist. Ich kann mich gut an den Tag erinnern: Ich bin einfach wild durchs Studio gerannt und habe versucht alles aufzunehmen".
Jetzt bleibt nur noch eines übrig für das Duo aus Brooklyn: Die große Tour. "Ich freue mich so richtig auf das Touren", sagt Caroline. "Sehr sogar. Nirgendwo sonst kann man so eine gute Verbindung mit den Leuten eingehen". Auf den Lorbeeren will man sich aber auch danach nicht ausruhen: "Caroline und ich pushen uns immer gegenseitig, besser in dem zu werden, was wir machen", versichert Patrick und bleibt bescheiden: "Und hoffentlich können wir mit dem weitermachen, was wir jetzt gerade tun".