Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Monday Edition, 01-02-16."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 2. 2016 - 15:26

The daily Blumenau. Monday Edition, 01-02-16.

Rechts ist nicht gleich rechtsradikal ist nicht gleich rechtsextrem.

#demokratiepolitik #rechtsextremismus

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Die sonst immer Montag früh veröffentlichte fuwo/Fußballwoche (KW4/16) erscheint aus Anlass des heutigen Transferschluss-Tages erst morgen früh.

Nochamal: es ist der schludrige österreichische Umgang mit den politischen Begriffen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem, der vieles (teilweise auch bewusst) verschleiert, was anderswo, auch in Deutschland, klar angesprochen werden kann - und so die hiesige politische Debatte vage und auf niedrigem Niveau hält.

Kein Menschenwesen ist immer progressiv, jedes auch konservativ

Da war es dieses Wochenende wieder, das Feindbild "rechts" oder "Die Rechten", in einem Schwarz/Weiß-Diskurs, der Differenzierungen verunmöglicht. Da konnten ein paar wenige Qualitäts-Medien noch so viel Aufklärungsarbeit leisten.

Dabei ist es sogar mit simpler Nabelschau durchblickbar. Jeder ist rechts, irgendwann. Kein Menschenwesen ist 24/7 100% progressiv und supersozial; genauso wenig wie irgend jemand immer nur ausschließlich bewahrend und ichbezogen agiert. Jede/r von uns trägt Teile linker und rechter Ideologien in sich - halt in unterschiedlicher Stärke, Ausprägung und Schlagseite. Auch und vor allem die öffentlichen Proponenten: das Frauenbild der 68er, das hierarchische Auslesedenken der RAF etwa vertrugen sich keineswegs mit den linksradikalen/extremen Grundsätzen dieser Bewegungen. Umgekehrt wohnt der stärksten und reaktionärsten Bewahrer-Lobby der Welt, der katholischen Kirche, eine Soziallehre inne, die klassisch linksradikale Umverteilungszüge trägt. Nur zum Beispiel.

Weil wir alle auch rechts sind, ist das Abstempeln jener, die das hauptsächlich, hauptamtlich und von mir aus sogar zynischerweise sind, dann doof und kontraproduktiv, wenn es mit ansatzlosen Nazi-Vorwürfen kombiniert ist.

Auch der Radikale steht innerhalb des Verfassungsbogens

Jemandem, der innerhalb einer demokratischen Grundordnung eine rechte Position einnimmt, eine antidemokratische autoritäre Gesinnung zu unterstellen, ist absurd. Konservative, selbst Nationale befinden sich absolut innerhalb des Verfassungsbogens.

Gleiches gilt für Rechtsradikalismus. Der Wortstamm radikal kommt von "an die Wurzel" gehen, und Kritik, auch radikale, an der bestehenden Gesellschaftsordnung, ist eine zutiefst demokratische Errungenschaft. Und das im Unterschied zum Rechtsextremismus - der aktiven Verfassungsfeindschaft, die in praktischer Aushebelung der demokratischen Grundordnung mündet.

Um ein paar Beispiele zu bringen: Rechtsradikal sind etwa die An-/Aussagen von CSU oder Hans-Werner Sinn oder der hier beschriebenen rechtsnationalen Ideologen. So wie auf der anderen Seite etwa der Wagenknecht-Flügel der deutschen Linken linksradikal ist. Ein Hauptmerkmal des politischen Radikalismus ist nämlich die Projektionstauglichkeit seiner Ideen innerhalb der aktuellen Verfassung.

Extremismus arbeitet an der Überwindung der Verfassung

Hauptmerkmal des Rechtsextremismus ist der Wunsch nach der Überwindung der demokratischen Grundordnung hin in Richtung ethnisch einheitlicher, autoritär geführter Volksgemeinschaft.

Selbstverständlich gilt es strikt zu differenzieren: in Staaten ohne demokratische Traditionen wie Russland oder der Türkei äußert sich das anders als in Staaten, deren demokratische Geschichte noch sehr jung ist (wie Ungarn oder Polen) und wieder anders als etwa in Deutschland oder Österreich, wo man auf immerhin 70 Jahre Erfahrung zurückgreifen kann, dafür aber auch ein anderes, deutlich schuldhafteres Erbe schultern muss.

Wohl deshalb werden Stimmen innerhalb der AfD bzw. der FPÖ, die anderswo als legitim-rechtsradikal gelten würden, auch ein wenig schneller als rechtsextremistisch eingeordnet. Andererseits: dies als bejammernswertes Unrecht einzuordnen heißt, dass man die Grundprinzipien einer komplexen globalisierten Welt nicht begriffen hat und sich in einem simplifizierten, populistisch geleiteten, überhöhten Nationalismus einzuigeln gedenkt, der wiederum in hohem Maße die Installierung eines autoritären Regimes unterstützt.

Der dünne Firnis des zivilisatorischen Zusammenlebens

Nun ist die Ausredendichte jener neuen Verbal-Extremisten, die sich bislang als Mitte-Rechts bezeichnet hatten und verschwörungstheoretische Anlässe dazu benutzen, den dünnen Firnis des zivilisatorischen Zusammenlebens aufzubrechen, ohnehin hoch. Dass die Kränkung durch unbedacht undifferenzierte Begrifflichkeiten verwendende Linke zu einer Radikalisierung beitragen kann, ist natürlich Unsinn. Der "Patriot", der sich bewaffnet, um auf den Bürgerkrieg gegen die "Gutmenschen" und die "Zuwanderer" vorbereitet zu sein, war diesbezüglich auch schon vorher aufmunitioniert. Und auch für den sozial engagierten Rechten unerreichbar.

Konservative als Rechte zu beschimpfen und damit nationalistische Autoritäre oder Nazis zu meinen, ist also tendenziell ein (gegen diverse Vaterfiguren gerichteter) therapeutischer, jedoch kein sinnvoller politischer Ansatz.

Undifferenziertes Wutgeheul verhindert nämlich auch den Dialog mit dem konservativen Anteil all jener, die sich als Linke einordnen; letztlich also den Dialog mit sich selber.