Erstellt am: 31. 1. 2016 - 16:26 Uhr
Das Rumpeln der Sehnsucht
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken
Die Liebe ist ein ruckelndes Schiff. Die kanadische Musikerin, Sängerin, Produzentin Jessy Lanza schenkt der Welt einen Song, in dem es zittert und rumpelt und stottert, es komisch blubbert, aus den Turbulenzen neue Tänze geboren werden und es nach bislang unbekannten Rosen duftet.
Im Mai wird unter dem Titel "Oh No" über Hyperdub das zweite Album von Jessy Lanza erscheinen, die komplett magische Vorabsingle "It means I love you" verkündet nun, dass die Künstlerin nach dem sphärischen Sci-Fi-R'n'B des Debüts aus dem Jahr 2013 mit der kommenden – wieder gemeinsam mit Jeremy Greenspan von den Junior Boys produzierten - Platte in weitaus vertracktere, beatlastigere Klangdesigns steigen wird.
Jessy Lanza
Das Stück "It means I love you" fußt zunächst auf einem Beat, der per Sample recht originalgetreu und dreist dem Song "Ndzi Teke Riendzo" des südafrikanischen Shangaan-Electro-Musikers Foster Manganyi entnommen ist. Das macht nichts. Zum einen ist dieser Beat tatsächlich die Vertonung des Zustands "Trance", dazu hat Lanzas Song in weiterer Folge noch zweihundert Soundeinfälle, Tempowechsel und Pirouetten anzubieten.
Gläserner Glockenklingklang, scharfe Drumsalven, Fingerschnipp- und Handclap-Geräusche. Hochgeschwindigkeitsannäherungen an Footwork, in den Häcklser geschmissene Stimmfetzen, das Summen des Quecksilbers. Bei allem Reichtum klingt "It Means I Love You" stets schlank und konzentriert angerichtet, nie zugemüllt.
Das Mantra dieses Songs, annähernd so etwas wie ein Refrain in einem Stück, das sich konstant dreht und wendet und immer wieder seltsam abbiegt, lautet :"When you look into my eyes, boy, then it means I love you."
Jessy Lanza singt diese Zeilen zunächst mit über die Maßen überzuckert vertuneter Stimme, gerade so, als wollte sie die immer populären, wenig subtil kokettierenden Cuteness-Modulationen und Frechgörenhaftigkeits-Manöver in kaugummifarbenen Dance-Pop-Produktionen endgültig ins Abseits überhöhen. Ähnlich wie das oft in den nach Plastik und Gummi schmeckenden Tracks des englischen Labels PC Music praktiziert wird.
Was soll das denn auch bedeuten, ernst gelesen: "When you look into my eyes, boy, then it means I love you?" Dass die junge Frau sofort dahinschmilzt, wenn der heiße Galan ihr einen stechenden Blick schenkt? Nicht mehr Herrin ihrer Sinne sein könnte?
Nach gut drei Minuten Spielzeit, einem Zeitpunkt, zu dem man von dem Song gar nichts Neues mehr hätte erwarten müssen, man wäre auch so schon glücklich gewesen, singt Jessy Lanza mit klarer, gehauchter Soul-Stimme: "If you want it, come and find my love". Jessy Lanza gibt die Richtung vor.
Dem Stück "It means I love you" gelingt eine gleichzeitige Auspreisung, Ausstellung und Aushebelung gängiger, klischeebesetzter R'n'B-Muster von Hingabe, Sehnsucht und Verfügbarkeit, transportiert dabei aber doch, nebenbei wird uns schwindelig, das tatsächlich durchlebte Gefühl, das wir manchmal so nennen: Liebe.