Erstellt am: 29. 1. 2016 - 17:20 Uhr
Virtual Reality als Chance für Indiegames-Entwickler
In zwei bis drei Monaten beginnt der offizielle Verkauf des Oculus Rift – eigentlich ist es dann schon die dritte Version des VR-Headsets, die verkauft wird - aber die beiden früheren Geräte waren an Game-Designer, Grafiker und technikaffine Enthusiasten gerichtet. Das war ein schlauer Schachzug von Hersteller Oculus, denn er hat dazu geführt, dass sich in den vergangenen drei Jahren tausende Künstler weltweit damit beschäftigt haben, was man aus einem VR-Headset hinsichtlich Gameplay und Design herausholen kann.
Wenn man eines der modernen Virtual-Reality-Headsets aufsetzt, dann wirken Games und Videos so, als würde man mittendrin stehen – das Geschehen spielt sich nicht nur in 360 Grad, also rund um einen, ab, sondern es wirkt auch alles so groß wie in der physischen Welt. Das ist faszinierend, doch das neue Medium bedingt auch eine neue Herangehensweise an Grafik, Interfacedesign, Kameraperspektiven und vieles mehr.
Oculus
Eine Künsterin, der die Möglichkeiten des neuen Mediums VR früh aufgefallen sind, ist die Spieleentwicklerin Stephanie Barish. Sie ist auch Veranstalterin von IndieCade, einem jährlich stattfindenden, internationalen Festival für Independent Games in Kalifornien. Dort sagte sie im Jahr 2014: "VR schlägt hohe Wellen in der Independent-Community. Indie-Entwickler lieben es, neue Dinge auszuprobieren, zu experimentieren und Grenzen zu erweitern."
Wenn die Consumer-Version des Oculus Rift im Frühjahr endlich erscheint, dann wird der wichtigste Launch-Titel nicht etwa von einem milliardenschweren Konzern wie EA Games oder Microsoft kommen, sondern vom isländischen Spielestudio CCP, das in seiner über zehnjährigen Geschichte bisher nur ein Spiel veröffentlicht hat – das hervorragende Weltraum-Rollenspiel "EVE Online". Das zweite jetzt von CCP fertiggestellte Game "EVE Valkyrie" ist eine actionreiche Virtual-Reality-Variante des langsameren Rollenspiels.
Eigene Vertriebsplattform
Dass Oculus das isländische Indiegame als Launchtitel lizensiert hat, ist aber nicht das einzige Indiz für die Wichtigkeit der kleineren Entwickler im gerade entstehenden VR-Markt. Oculus hat mit 10 Millionen US-Dollar mehrere kleine Indie-Studios subventioniert, und Oculus pusht gleichzeitig mit dem Verkaufsstart des Headsets auch die hauseigene Online-Vertriebsplattform Share.
Share ist schon jetzt gefüllt mit hunderten kleinen Spielen und sogenannten Experiences, also gemütlich zu konsumierenden Non-Games und Kunstinstallationen, die uns an faszinierende und seltsame Orte führen, vom Meeresgrund bis zum Inneren des menschlichen Gehirns. Da Oculus mittlerweile zu Facebook gehört, ist davon auszugehen, dass der Social-Networking-Riese in Zukunft einen wichtigen Grundpfeiler beim Vertrieb von Indie-VR-Software bilden wird.
Kite & Lightning
Drei empfehlenswerte VR-Spiele für das Oculus Rift Development Kit 2:
Wunderschönes Weltraumspiel, das die gesamte Milchstraße (200 Milliarden Sonnensysteme) simuliert. Wie das beim Spielen mit einem VR-Headset wirkt, lässt sich nur schwer in Worte fassen.
Eine von Fans erstellte Mod des originalen "Minecraft". Die eigenen Konstruktionen im Originalmaßstab betrachten zu können, ist jedesmal ein Erlebnis.
Ein simpler, aber extrem unterhaltsamer First-Person-Shooter.
VR-Games auf Steam
Eine ähnliche Strategie wie Oculus mit Share verfolgt aber auch Valve mit der erfolgreichsten Vertriebsplattform für Computerspiele: Steam. Der Marktführer hat die Plattform um einen VR-Bereich erweitert und ein eigenes Headset entwickelt – vor allem aber verfügt Steam mit Greenlight bereits jetzt über einen der spannendsten Vetriebskanäle für Independent Games weltweit.
Nicht zu vergessen sei in diesem Zusammenhang aber auch Google: Der Internetriese hat mit dem um nur 20 Euro erhältliche Google Cardboard eine charmante Billiglösung im Programm und bietet im hauseigenen Play-Store ebenfalls Dutzende Apps, Games und Experimente an. Die VR-Games-Entwickler nützen all diese Möglichkeiten, um ihre Experimente zu publizieren - und das bringt die etablierten Spielestudios unter Druck.
Frontier
Und die großen Games-Verlage?
Natürlich haben auch Mainstream-Gamedeveloper in den letzten drei Jahren nicht geschlafen. Microsoft veröffentlicht zum Beispiel demnächst eine Virtual-Reality-Version von "Minecraft". Sie wurde allerdings um wesentliche Spielelemente reduziert, läuft nur mit Windows 10 und kommt zwei Jahre nachdem Hobbyprogrammierer sich selbst eine auf allen Windows-Versionen funktionierende Oculus-Rift-Modifikation des vollständigen "Minecraft" gebastelt haben.
Sony bringt heuer ein eigenes VR-Headset auf den Markt, das aber nur mit der Playstation 4 funktionieren wird und für das bisher nicht mehr als eine Handvoll Spiele angekündigt sind. Der Masse an coolen VR-Demos, -Spielen und –Kunstwerken, die es dank der Indieszene für PCs gibt, können die wie behäbige Dinosaurier agierenden Majors derzeit noch nicht das Wasser reichen.