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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

27. 1. 2016 - 16:38

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 27-01-16.

Wieso sich Österreichs Sportjournalismus aktuell in Polen ganz gut einfügen würde.

#medienpolitik #demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Das Problem des österreichischen Sportjournalismus ist nicht so sehr seine kindliche Heiligsprechung der Verhaberung, sondern das unreflektierte Sich-Gemein-Machen mit der Sache. Um nur ja kein Nestbeschmutzer zu sein. Die Idee der neuen polnischen Regierung, Medien als "nationale Kulturinstitute" aufzustellen, liefe da offene Türen ein.

Nichtangriffspakte und Hände, die Hände waschen

Es war Toni Polster im aktuellen Kicker. Früher wurde man mehr von den Journalisten geschützt, sagt er da, und erzählt vom "vertrauensvollen Verhältnis", das verhinderte, dass alles "in der Zeitung stand". Das war gut so, weil "davon profitierte der Spieler, später auch der Journalist." Manus manum lavat.

Wer nun annimmt, dass es sich dabei um einen verbalen Ausrutscher eines Sünders der allerältesten Kumpanei-Schule handelt: ja, eh auch. Aber die österreichischen Sportjournalisten sehen das ganz öffentlich ganz ähnlich. Ihr Doyen, Wolfgang Winheim, schrieb unlängst - anlässlich der Schlierenzauer-Krise - im Kurier davon, dass früher deutlich weniger "glitschige" Geschichten veröffentlicht wurden. "Nicht, weil die Ski- und Fußballstars damals so viel braver waren, sondern weil es nach dem Motto 'privat bleibt privat' eine Art 'Nichtangriffspakt' zwischen Sportlern und Sportjournalisten gab." Abgesehen davon, dass es zu Winheims Zeiten augenscheinlich keine Sportjournalistinnen gab: auch hier war früher alles besser; auch weil eine Hand die andere wusch. Und man durch spezielle Infos/Homestories fürs Wegschauen belohnt wurde.

Was viel mit PR, aber nichts mit Journalismus und seiner Berichtpflicht und Kontroll-Funktion zu tun hat.

Verhaberung und PR, Inszenierung und Braumtumspflege

Der Anlassfall - die mediale Konzentration auf den aktuell erfolglosen Skispringer Schlierenzauer - ist durchaus symptomatisch. Dieselben Medien, die den Tiroler Jungstar bei seinem Aufstieg (für den neutralen Zuschauer durchaus enervierend) unter Einbeziehung eines strahlenden Umfelds in Richtung Sonne hochgehoben haben, stellen jetzt mit einer Nebenbei-Erwähnung einer zerbrochene Beziehung (ebenso enervierend redundante) Fragen zum Nicht-und-Nicht-Gelingen.

Dass das schon genügt, um die achso gute und wichtige Seite der Verhaberung offensiv zu vertreten, zeigt alles über die Denkart des österreichischen Sportjournalismus. Der versteht sein Handwerk als aktive Brauchtums- und Tourismus-Pflege, sieht sich als In-Szene-setzender Begleiter des heimischen (und darüber hinausgehend auch als eines der weltweit organisierten) Sports, als Sprachrohr und PR-Inszenierer, als institutionalisierter Gatekeeper, der alles für die Öffentlichkeit Unangenehme herausfiltert, als Verschleierer im Dienst der Sache.

Was viel mit PR, aber nichts mit Journalismus und seiner Berichtpflicht und Kontroll-Funktion zu tun hat.

Nationalisten, Nestbeschmutzer und Sündenböcke

Kritik gab es bei Erfolglosigkeit an Sündenböcken, kaum jemals an Institutionen - nur wenn innere Revolten oder Angriffe von außen (über wirtschaftliche oder politische Kanäle, auch den Journalismus dieser Ressorts) Strukturen bzw. Personen belasteten, ließ sie auch der Haberer Sportjournalist fallen.

Alles andere ist und war immer Nestbeschmutzung.

In dieser Hinsicht war sich der heimische Sportjournalismus immer schon mit Ideologien einig, die jegliche Kritik an Staat, Honoratioren, Wirtschafts- und Definitionsmächtigen als schädlich und schädigend (auch für die eigenen Mitpartizipierer-Interessen) betrachtete; auch die Waldheim-ÖVP, die Haider/Strache-FPÖ und andere mehr führt/en den Begriff des Nestbeschmutzers immer schon als wesentliches Feindbild in ihren Wappen.

Einzelne Mutige, die sich - selbstverständlich ohne jede Deckung durch ihre Medien - vorwagen, können so leicht denunziert werden.

Wohin die Diskurs-Armut und ihr Auswuchs der medialen Überinszenierung und Überdramatisierung führt, war gestern Thema.

Die Kontroll-Funktion der Medien als 4. Gewalt im Staat hat für Nationale und Konservative aller Farben (in Österreich umfasst das eh sämtliche) nur so lange moralisches Gewicht, solange die eigenen machtpolitischen Ansprüche nicht beeinträchtigt werden. Weshalb die Republik auch seit jeher an akuter Diskurs-Anämie leidet. In allen Bereichen.

Im Bereich des Sportjournalismus ist das Debatten-Blut seit jeher so dünn, das man glasklar durchschauen kann.

Akute Diskurs-Anämie und Jubel-Berichterstattung

Schon bei den 2015 international massiv aufpoppenden Korruptions-/Doping-Beben, die die IAAF (den internationalen Leichtathletik-Verband) und die FIFA (aber auch die UEFA) in ihren Grundfesten erschüttert haben und noch weiter erschüttert werden, tat sich der Mainstream mit kritischer Berichterstattung, die über Agenturmeldungen und Blatter-pfui! hinausging, unendlich schwer. Zum einen, weil Struktur-Kritik branchenintern tabu ist, zum anderen, weil die Furcht auch Österreich könnte betroffen sein (Stichworte: die "Too small to make good doping"-Lüge; Beckenbauers Austro-Connection) lähmt.

Insofern ist das, was die polnische Regierung den Medien des Landes mit Jahresbeginn aufgezwungen hat, interessant.

Dort wurde das, was Österreichs Sportjournalismus insgesamt zusammenhält, in einen Gesetzestext gegossen: Medien hätten fürderhin nationale Kulturinstitute zu sein, also unkritische Begleiter und Bewahrer, die für eine Repolonisierung, also eine Zurückführung auf einen strikt nationalen, lokalchauvinisten Ansatz, stehen.

Für die Schröcksnadels und viele andere Funktionäre/Machtträger dieses Landes wär's ein feuchter Traum. Und: vom kritikbefreiten Jubel- und Ausstellungs-Ansatz der heimischen Sportberichterstatter ist das gar sooo weit nicht entfernt.