Erstellt am: 28. 1. 2016 - 17:34 Uhr
Pratersauna Closing
Dieses Wochenende verabschieden sich Hennes Weiss und Stefan Hiess aus der Pratersauna. Sie übergeben ihre Pacht an Martin Ho. Der 29-jährige ist der Inhaber der Dots-Gruppe, zu der mehrere Restaurants, eine Bar, eine Galerie sowie der Vie I Pee-Club direkt neben der Pratersauna gehören.
Im Interview erzählen Hennes Weiss und Stefan Hiess warum sie den Club abgeben und was sie in Zukunft so vorhaben.
FM4: Im Frühling 2015 gab es einen Relaunch der Pratersauna mit neuen Veranstaltungsformaten, Ende des Jahres war dann schon klar – ihr werdet die Pacht der Pratersauna aufgeben. Was waren denn die Gründe, dass ihr es jetzt bleiben lässt?
Daniela Derntl
Hennes Weiss: Da gibt es viele verschiedene Gründe und Stefan und ich haben da auch unterschiedliche Gründe mit unterschiedlicher Ausprägung. Was mich persönlich betrifft: Nach sieben Jahren Clubbetrieb fühlt man sich am Ende wie in einem Hamsterrad und die Motivation hat für mich zum Schluss auch schon irgendwie gefehlt. Mit dem, was wir vor allem in den ersten vier Jahren aufgebaut haben, haben wir ziemlich viel erreicht. Fast das Maximum, was man mit einem Club in Wien erreichen kann, auch über die Grenzen hinaus. Danach hat sich sehr viel geändert. Generationswechsel. Das heißt, es macht auch nicht mehr soviel Spaß wie früher. Wir werden beide älter, die Kraft fehlt. Also, es sind viele persönliche Gründe.
Stefan Hiess: Ich sehe das auch so. Es fehlt die Kraft und die Motivation. Als wir den Relaunch gemacht haben, war noch nicht klar dass wir aufhören, sonst hätten wir das ja auch nicht gemacht. Es hat sich dann irgendwie alles sehr schnell ergeben, völlig ungeplant. Wir wollten nochmals die Kräfte sammeln und durchstarten, aber dann hat sich für uns beide gezeigt, dass es wirklich sehr kraftaufwendig ist – und dann war da die Frage: Was bringt's? Und man muss ganz ehrlich sagen, unterm Strich einfach zu wenig, um sich das Ganze anzutun. Und irgendwann will man - unter Anführungszeichen - auch ein normales, bürgerliches Leben führen und eine Normalität und Regelmäßigkeit ins Leben bringen. Das ist so einfach nicht möglich.
Hennes Weiss: Als wir 2009 eröffnet haben, war noch alles ganz anders. Da haben wir wirklich ein Stück Berlin nach Wien gebracht, was damals noch revolutionär war.
Pratersauna
FM4: Naja, Icke Micke und das Fluc gab es auch schon!
Hennes Weiss: Stimmt.
Stefan Hiess: Wir haben das Rad nicht neu erfunden, dennoch war es etwas, was anscheinend die Wiener vermisst haben.
Hennes Weiss: Es ging los mit dem Wurstsalon, das war damals unser Wanderclub, der hat die Venue oft gewechselt und ich hab schon das Gefühl, wir waren damals am richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Konzept und dann auch am richtigen Ort. Weil ich damals das Gefühlt gehabt hab, dass sich die Leute nach einer regelmäßigen Venue gesehnt haben. Das hat dann einfach alles gepasst. Sieben Jahre später ist die Welt ganz anders. Es wurde auch schon viel in den Medien und Szene-Medien geschrieben: wie schaut die Szene jetzt aus und wie schaut sie in Zukunft aus… und da schaut's momentan nicht so rosig aus und das ist auch mit ein Grund, warum wir da jetzt gar nicht mehr so mitspielen wollen.
Stefan Hiess: Das ist natürlich unsere Sicht der Dinge.
FM4: Habt ihr die Entscheidung, dass ihr jetzt die Pratersauna aufgebt, ganz alleine getroffen? Es arbeiten ja auch viele Leute für euch, für die ihr ja auch verantwortlich seid.
Hennes Weiss: Da muss man differenzieren. Drei unserer längsten Mitarbeiter, die schon von Beginn an dabei waren, die Tanja, die die Gastronomie macht, der Bruno, der die Event-Koordination macht, und der Harald Wild, der als Haustechniker seit 20 Jahren die Seele des Hauses ist – also das wirkliche Kernteam - für die war klar, dass sie aufhören, selbst wenn wir weitergemacht hätten. Teilweise haben wir sie noch überredet, kommt, zieht mit uns die letzten zwei Monate noch mit. Was die anderen Mitarbeiter betrifft, ist es natürlich schon so, dass wir eine Verantwortung haben, Bar, Security, und so weiter, das sind relativ viele. Da tut’s uns natürlich leid, aber…
Stefan Hiess: Aber die waren auch alle nicht Vollzeit angestellt und für die ist es auch nicht schwer, woanders einen Job zu finden. Der Harald wäre ohnehin in Pension gegangen, was uns Schwierigkeiten beschert hätte, denn er kennt das Haus wie seine Westentasche. Es fällt ja so schon zusammen, und wenn es keiner flickt dann viel Spaß, Martin!
Pratersauna
FM4: Martin Ho ist der neue Pächter der Pratersauna. Er führt den VIE I PEE Club gleich neben der Pratersauna, hat eine Galerie und betreibt auch mehrere Lokale. Ihr habt ihm nicht nur die Pacht für die Pratersauna überschrieben, sondern auch den Markennamen. Und dieser Markenname ist in jedem Wien-Reiseführer zu finden und steht ja auch für eine gewisse musikalische Ausrichtung und Qualität. War das eine gute Idee, ihm auch den Markennamen zu überschreiben? Er tritt ja da ein großes Erbe an.
Stefan Hiess: Wir haben ja den Markennamen nicht erfunden. Wir haben die Pratersauna ja auch schon als Pratersauna übernommen.
Hennes Weiss: Schweren Herzens geben wir die Marke weiter, das muss ich ehrlich sagen. Er kriegt das Markenrecht, aber nicht das Wort-Bild-Markenrecht, also das Logo darf er nicht weiternehmen. Das war uns wirklich ein Anliegen. Aber wir wollen auch fair sein. Es gibt eine einvernehmliche Übergabe und es macht keinen Sinn, den gleichen Club, der seit sieben Jahren in allen Köpfen ist, und wie gesagt, vorher auch schon Pratersauna geheißen hat, jetzt in allen Reiseführern weltweit zu ändern. Wir sehen das als fairen Schritt und wenn man so will, auch ein bisschen als Starthilfe. Wir glauben nicht, dass es so einfach wird, wie er sich das vielleicht vorstellt.
FM4: Martin Ho hat in einem Interview mit der Wiener Zeitung angekündigt, dass er auch in Zukunft mit euch zusammen arbeiten will. Wie kann man sich das vorstellen?
Stefan Hiess: Das wissen wir auch noch nicht. Es gibt da keine fixe Vereinbarung oder sonst was in dieser Richtung.
Pratersauna
FM4: Was wisst ihr über die Pläne eures Nachfolgers?
Hennes Weiss: Ich kann auch nur wiedergeben, was in den Zeitungen steht: Er will aus dem Bunkerfloor eine Membership-Cocktailbar machen, mit - glaub ich - etwas älterer Zielgruppe. Der vordere Bereich bleibt ein elektronischer Club, mit Fokus im Sommer auf Badebetrieb. Wie das Konzept genau aussieht, ist uns unklar, weil angeblich soll ja gratis Eintritt sein, die Getränkepreise niedriger. Wird sich zeigen!
Stefan Hiess: Wirklich Pratersauna-like wird der ehemalige Mainfloor bleiben, der Garten wird vergrößert, denn tatsächlich ist nicht die Mauer die Grundstücksgrenze, sondern der Weg rundherum. Das heißt, in Wirklichkeit ist der Garten um ein schönes Stück größer und da wird ein Beach Club draus.
FM4: Die Pratersauna gibt’s unter eurer Leitung seit 2009. Welche Party ist euch denn da besonders in Erinnerung geblieben?
Hennes Weiss: Da gibt's viel. Lustige, traurige, harte Geschichten, Hoppalas. Was ich sicher nie vergessen werde, ist, dass wir Grandmaster Flash gebucht haben. Und an dem Abend war ich plötzlich der einzige Chef vom Dienst, alle anderen waren nicht im Lande, und dann hab ich tatsächlich vergessen, Grandmaster Flash am Flughafen abzuholen, weil ich am Vortag auf einer Afterhour war. Und das war zu dem Zeitpunkt nicht so lustig, heute kann ich drüber lachen. Weil er ist der Erfinder von Hip Hop. Super Peinlich!
FM4: Hat er dann gar nicht gespielt?
Hennes Weiss: Doch. Denn er war eh zwei Nächte in Wien. Mein Fehler war, dass ich dachte, er kommt zum Gig und bleibt eine Nacht länger, aber er hab mich verschaut und er ist einen Tag vorm Gig gekommen. Er war super pissed. Und das war dann nur eines von vielen Hoppalas, die mir dann an diesem Tag passiert sind. Da könnt ich jetzt noch Stunden plaudern.
Stefan Weiss: Das war aber der einzige Tag, an dem dir Fauxpas passiert sind. Ansonsten ist alles reibungslos abgelaufen all die sieben Jahre.
Mit „Ursula Stressned“ protestierten 2011 Veranstalter- und DJ-Kollektive rund um die Wiener Pratersauna gegen die 4 Uhr Sperrstunde.
FM4: Von der Pratersauna mal abgesehen findet momentan in der Wiener Clubszene ein Umbruch statt. Die mittlerweile geschlossene Kantine übersiedelt aus dem alten Zollamt angeblich in den ersten Bezirk, die Grelle Forelle gestaltet sich neu – der Mainfloor wird kleiner, das musikalische Spektrum größer. Was sagt ihr denn zu diesen parallelen Entwicklungen? War das Angebot zu groß in den letzten Jahren?
Hennes Weiss: Da gibt's viele Faktoren. Wenn ich mir bei uns alleine die Betriebskosten anschaue, die haben sich jetzt, verglichen mit 2009, fast verdoppelt. Die Vergnügungssteuer ist nach wie vor jedem ein Dorn im Auge. Da gibt's auch Ambitionen, dahingehend eine Lösung zu finden. Da stehen wir nach wie vor dahinter, auch wenn wir den Club nicht mehr haben. Aber Fakt ist, es gibt einen Grund warum wir aufhören: Weil es anstrengend ist und weil unterm Strich, so ehrlich können wir sein, auch nix übrig bleibt. Wenn dem nicht so wäre, würden wir einen neuen Geschäftsführer bestellen, der das weitermacht. Aber mit den Finanzen kämpft ja jeder.
Stefan Hiess: Deswegen passieren auch all diese Dinge, dieser Umbruch. Tatsächlich ist es so, dass man als Veranstalter auf lange Sicht nicht wirklich was verdienen kann. Also es ist wirklich hartes Brot und auch als Club, wenn man da nicht einen starken finanziellen Background oder Förderungen oder ich weiß nicht was hat, dann hat man da kaum eine Chance, wirklich Geld zu verdienen. Man kämpft ums Überleben.
Hennes Weiss: Es gibt natürlich auch positive Effekte. Es wird sich jetzt wieder in kleineren Clubs und kleineren Venues etwas entwickeln. Es entstehen gerade neue Crews, es gibt nach wie vor Crews, die ihr Ding sehr gut machen. Man muss da jetzt nichts schwarz malen.
Pratersauna
Stefan Hiess: Überhaupt nicht. Es gibt Leute, die sind top-motiviert wegzugehen und es ist bei Weitem nicht mehr so wichtig, einen großen internationalen Gast zu bringen, als das mal der Fall war. Als wir begonnen haben, war das ohne internationalen DJ mit einem großen Namen schwer eine Party vollzukriegen. Aber Musik wird jetzt auch ganz anders konsumiert. Es gibt so viel und man wird so überschwemmt, es ist im Internet alles zugänglich, man hört nur noch schnell drüber und es ist gar nicht mehr so leidenschaftlich wie das einmal war. Ich will nicht sagen, dass es das nicht mehr gibt, vereinzelt sehr wohl, aber die Leute gehen nicht mehr weg wegen der Musik, sondern um Spaß zu haben, um abzuschalten, um den Alltag zu vergessen – und nicht mehr, weil da jetzt ein toller DJ ist, den sie unbedingt hören wollen.
Hennes Weiss: Wenn die Kantine und die Pratersauna geschlossen sind, werden sich natürlich die Konsumentenströme verschieben. Aber es wird trotzdem nicht einfacher für Clubs wie die Grelle Forelle, die ein sehr gutes internationales Programm machen. 2012 hatte die Pratersauna schon so eine gefühlte Monopol-Stellung, wo dann die Leute gesagt haben: ‚Geh nicht schon wieder Pratersauna, einmal am Wochenende reicht mir“. Für uns war das dann auch ein spannender Moment, weil dann hat die Grelle Forelle eröffnet und es war für die Szene extrem gut. Aber was ich jetzt eigentlich damit sagen will: Nur weil wir jetzt zumachen, ist es jetzt kein gemachtes Nest für die Grelle Forelle, die müssen jetzt genauso gut agieren und sich eventuell neu erfinden mit der neuen Situation. Vielleicht entwickelt es sich so, dass die in den nächsten ein, zwei Jahren eine Monopolstellung haben, was ich ihnen wünsche, aber es ist auch gefährlich. Es wird sich viel tun.
Pratersauna
FM4: Seid ihr sehr wehmütig, weil es jetzt zu Ende geht?
Stefan Hiess: Das war ein Gefühlsbad im letzten Monat, das alle Ebenen durchlaufen ist. Aber da es zum Ende schon mehr Last war als Vergnügen, fühlt es sich wahnsinnig gut an, dass diese Last jetzt von den Schultern genommen wurde. Von daher ist es gar nicht mehr wehmütig, sondern im Gegenteil, man freut sich, endlich das machen zu können, was man in all den Jahren nie machen konnte, oder sich eingeredet hat, dass man keine Zeit dafür hat. Endlich ist der Kopf mal frei für anderes. Für uns ist das jetzt auch mehr ein Anfang als ein Ende, das ist der Start fürs Festival, denn das ist gerade das, wo wir hin wollen. Deshalb ist das alles sehr positiv und wir freuen uns auf die Zukunft.
FM4: Das Lighthouse Festival findet heuer wieder von 25.-29. Mai in Kroatien statt. Was könnt ihr darüber schon verraten?
Hennes Weiss: Es wird von Jahr zu Jahr spezieller, aber übers Programm möchte ich noch nichts verraten. Aber wie Stefan schon gesagt hat, war die Pratersauna, gleich wie damals der Wurstsalon, nur der Schritt zu dem Ziel, das Mittel zum Zweck, zu dem wir hinwollten – und das ist jetzt das Festival. Es reizt uns beide, jetzt auch einmal ein Projekt außerhalb der österreichischen Grenzen zu machen, wo wir von Beginn an eine europäische Zielgruppe haben – aber auch Oversea. Wir laden heuer auch zwei Crews aus Amerika ein, ein Städteschwerpunkt ist geplant. Das macht Spaß, das ist eine neue Herausforderung. Einfach kommen und sich das anschauen!
The Final Countdown
- 29.01. "Die Pratersauna Schöpfer Awards Gala” (Invitation only); ab 23 Uhr spielen österreichische DJs wie Peter Kruder, Patrick Pulsinger, uvm.
- 30.01. Red Bull Music Academy Bass Camp – mit DJ Zinc, Cid Rim & The Clonious
- 31.01. Open End Afterhour mit Friedrich Locke & internationalen Überraschungsgästen (geht bis 24.00)