Erstellt am: 26. 1. 2016 - 18:37 Uhr
White Privilege
Ich bin und war nie großer Fan von Macklemore, ich finde ihn als Rapper nicht besonders spannend. Dass er letztes Jahr Kendrick Lamar den Grammy für "Bestes Rap-Album" weggeschnappt hat (und danach seine Entschuldigungs-SMS an Kendrick im Netz gepostet hat) hat ihn mir nicht sympathischer werden lassen.
Franz Reiterer
Wobei Macklemore für die Entscheidung der Grammy-Jury natürlich nichts kann. Offensichtlich hatte diese selbst ein schlechtes Gewissen, denn heuer ist Kendrick Lamar gleich in elf Kategorien nominiert und ich prognostiziere, dass er im Februar einige dieser Kategorien gewinnen wird.
Was uns zum Thema dieses Artikels bringt: Institutionellen und in der Gesellschaft verankerten Rassismus, der in Amerika, Europa und dem Rest der Welt leider auch 2016 alles andere als ausgestorben ist.
Black lives matter
Laut Macklemore gab es zwei konkrete Erlebnisse, die ihn dazu inspiriert haben, "White Privilege 2" zu veröffentlichen. Einerseits eine "Black lives matter"-Demo in seiner Heimatstadt Spokane, Washington, der er sich angeschlossen hat und bei der ihm bewusst wurde, dass er mehr Fragezeichen als Antworten im Kopf hatte.
Kurz darauf folgte ein inspirierendes Gespräch mit einer Hip Hop-Legende (wer das war, verrät Macklemore nicht), die ihn daran erinnert hat, wie groß seine Reichweite als Popstar mittlerweile ist und dass er dieses Potential nutzen sollte, um sich zur Rassismus-Debatte zu äußern. Im Interview beim New Yorker Radiosender "Hot 97" erzählt er von dem prägenden Satz des Gesprächs, "Silence is Action", und erklärt ganz gut, was ihn zu "White Privilege 2" inspiriert hat.
White Privilege 2
Als Vorbote für sein kommendes Album, wieder gemeinsam mit Ryan Lewis, "This unruly mess i've made" ist jetzt der Song "White Privilge 2" erschienen. Ein fast 9-minütiger Track, in dem Macklemore aus verschiedenen Perspektiven über Hautfarbe, Cultural Appropration und Rassismus rappt und der die Sängerin Jamila Woods featured.
Schon in den ersten Minuten des Songs wird klar, dass er offensichtlich stark von Kendrick Lamar's aktuellem Album "To Pimp a Butterfly" inspiriert wurde (dessen Niveau er leider in keinem Moment erreicht). Die ungewöhnliche Songlänge, Songstruktur, wechselnde Erzähl-Perspektiven, eingestreute atmosphärische Wortfetzen und Geräusche: "White Privilege 2" ist nicht als Radio-Single konzipiert. Vielmehr ist es ein persönliches Statement von Macklemore, in dem er tiefen Einblick in seine Zerrissenheit und Unsicherheit gibt: Darf er in seiner Position "Black lives matter" rufen und dabei authentisch sein? Oder ist er in seiner Lebensrealität doch näher an den Cops und den institutionellen Rassismus gegen den demonstriert wird? Darf ein weißer Rapper ohne schlechtes Gewissen mit Hip Hop reich werden?
Macklemore stellt sich der ungemütlichen Diskussion, dafür gebührt ihm Respekt. Der Shitstorm, der der Song-Veröffentlichung folgte, war einkalkuliert und erwartbar, alles was im Moment über ihn geschrieben wird, war absehbar. Außerdem schaden ein bisschen Aufregung und Publicity kurz vor einem Album-Release und einer Tour sicher nicht. Ich möchte ihm aber nicht unterstellen, dass das seine Beweggründe für "White Privilege 2" waren.
Franz Reiterer / FM4
Iggy & Miley
Seit Tagen zerbrechen sich Kommentatoren, Szene-Insider und Fans den Kopf, was Macklemore genau sagen möchte. "White Privilege 2" bietet keine konkreten Antworten oder Lösungsvorschläge. Macklemore wird Scheinheiligkeit vorgeworfen und gleichzeitig bedanken sich Menschen für den Mut, sich der Diskussion zu stellen. Erwartungsgemäß wird sein vermeintlicher Diss von Künstlerinnen wie Iggy Azelea und Miley Cyrus von den Boulevard-Medien hochgespielt, anstatt den Kern seiner Aussagen zu diskutieren.
Am 19.3.2016 spielen Macklemore & Ryan Lewis in der Stadthalle Wien.
Ich bin gespannt, wie Macklemore den Song in den Gesamtkontext seines kommenden Albums "This unruly mess i've made" einbetten wird.
Beim Lesen der vielen Artikel, die momentan über ihn geschrieben werden, ist mir eine Aussage hängen geblieben, der ich durchaus etwas abgewinnen kann: der wahre Grund, warum Macklemore von vielen Afro-Amerikanern und einem Teil der Hip Hop-Community nicht akzeptiert wird, ist nicht seine Hautfarbe. Vielmehr fühlen sich Hip Hop-affine Menschen von seinem kommerziellen Erfolg gemessen an seinen Rap-Skills provoziert. Aber das ist wieder eine andere Diskussion.