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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

6. 3. 2016 - 09:55

Was wurde eigentlich aus...

... der Michael Jackson-Statue in Mistelbach? Wie melden sich italienische Dinosaurier am Telefon? Ist Faschings-Manager ein Beruf mit Zukunft? Und was ist eigentlich mit David Bowie?

Heiter ist die Wohnungssuche! Derzeit muss ich mich "aus Gründen" der Lektüre von Wohnungsanzeigen hingeben und erfreue mich zuweilen sehr am schönen Makler-Deutsch.

Da wird der sechste Stock ohne Lift zum “Bergsteigerhit”, das abrissreife Souterrain zum “Studenten-Schnäppchen”, die Abstellkammer zum Singletraum oder das Industriegebiet zur “Grünruhelage”, die Autobahn zur “belebten Gegend” und eine Einzelkochplatte mit löchrigem Siphon zur “Kitchenette”.

Makler sind ein billiges Feindbild. Ganz unberechtigt sind die recht populären Ressentiments gegenüber dieser Zunft aber leider nicht. Makler machen verwackelte Handyfotos von ihren “Objekten”, schustern dann eine Fertigteil-Anzeige zusammen, sperren zehn Verzweifelten die ausgeschriebene Wohnung auf, um bei sehr naheliegenden Detailfragen zu Heizung oder Fenstern schnell in ahnungsloses Stammeln zu verfallen, was ihrem Vermittlungserfolg aber keinerlei Abbruch tut, weil man ja immer irgendeinen Deppen findet, der in seiner Not auch einen unerschwinglichen Bastlerhit nimmt, und geben den Zuschlag schließlich entweder dem ersten oder dem bestverdienenden Interessenten. Mit dieser recht anspruchslosen Routine verdienen diese Gauner durchaus üppige Provisionen.

ORF

Wenn nun ein Makler diesen Text liest, möge er mir gerne in Form eines aufgebrachten Foreneintrages widersprechen und behaupten, ich hätte ja GAR KEINE AHNUNG, welch raues Echtholzparkett der Immobilienmarkt sei, ich wüsste ja nicht einmal ansatzweise, wie viele mühselige Aufgaben die Kunst der Wohnungsvermittlung abseits von Besichtigungen mit sich bringe, UNZÄHLIGE Wochenstunden müsse man sich mit lästiger Bürokratie und zäher Korrespondenz plagen, ein HARTES BROT sei das, jaja, aber ICH würde ja nur einen verschwindend kleinen Teil der VIELEN Arbeit sehen und mir dann auch noch die FRECHHEIT herausnehmen, einen ganzen ehrwürdigen Berufsstand zu DIS-KRE-DI-TIE-REN, ja förmlich IN DEN DRECK ZU ZIEHEN!!! SCHÄBIG sei das, verachtenswert, ekelhaft, PFUI!!!!!!! Aber natürlich wieder einmal TYPISCH, dass irgendsoein schmieriger Schreiberling einfach IRGENDWAS verzapfen dürfe, und die Leute GLAUBEN das auch noch, da dürfe man sich NICHT WUNDERN, dass alles den Bach runtergeht, wenn solche Menschen wie ich am Werk seien. Lügenpresse! LÜGENPRESSE!

Ich entgegne dann einfach:
“Bäh.”

Obwohl ich das laut meinem aktuellen Mietvertrag gar nicht dürfte.

ORF

Immer öfter erfragen Makler für ihre Auftraggeber ja schon in der Sondierungsphase, welchem Beruf der potenzielle Mieter nachgeht. Viele verlangen auch einen Einkommensnachweis. Mein aktueller Vermieter hielt meinen Beruf sogar im Mietvertrag fest. Weil ich weiß, dass der Job “freiberuflich irgendwas fürs Fernsehen schreiben” keinen allzu guten Ruf hat, gab ich damals “Journalist” an.
Vor fünf Jahren war das Wort “Lügenpresse” nämlich noch nicht geboren und der Journalismus genoss gesellschaftlich ein höheres Ansehen.

So bin ich laut Mietvertrag also Journalist, obwohl das wirklich nicht stimmt. Zwar habe ich frühe Gehversuche in diesem Metier gewagt, habe aber rasch gemerkt, dass ich in den Disziplinen, die einen guten Journalisten ausmachen, keine Koryphäe bin.

Ich recherchiere zwar mit Leidenschaft, wenn mich ein Thema interessiert, aber welcher Journalist darf schon Themen erörtern, die ihn wirklich interessieren?
Ich plaudere recht gern mit allen möglichen Leuten, aber nicht, wenn dabei ein Aufnahmegerät mitläuft.
Und Objektivität interessiert mich am allerwenigsten.

Unterschiedliche Standpunkte und Interessen sind ja eh was Schönes, am wichtigsten sind mir aber immer noch MEINE Standpunkte und Interessen! Zum Beispiel habe ich ein ausgeprägtes Interesse an selbstgebastelten, kleinen Witzen für die ganze Familie:

Wie melden sich italienische Dinosaurier am Telefon?
Pronto, Saurus!

Lieb, oder?

ORF

In einer investigativen Reportage über dubiose Ausgleichszahlungen in hochrangigen Wirtschaftskreisen oder einer Anaylse von Führungskrisen in Oppositionsparteien sind unvermittelt eingeschobene Witze über italienische Dinosaurier aber leider fehl am Platz. Diese steinigen Felder sollen lieber jene beackern, die das besser können, und das sind nun einmal Journalisten, von denen es durchaus viele ehrenwerte gibt, die ihren Beruf ernst nehmen und tadellos ausführen. Die meisten von ihnen arbeiten bei den sogenannten etablierten Medien, ergo der Lügenpresse, und haben es gerade “in diesen Zeiten” verdient, dass ihr angekratzter Leumund etwas gepimpt wird.

Vom Makler-Paulus zum Zeitungs-Saulus? Gerade habe ich noch die Immobilien-Mafia pauschal gedisst, schon fließt Lob für die Journalisten aus meiner Feder! Da soll sich noch einer auskennen!

ORF

Erst recht wird sich keiner mehr auskennen, wenn dieser Text nun eine thematische wie stilistische Kehrtwende einlegt, die sich gewaschen hat.

Es kommt in der ZEIT wohl eher selten vor, dass ein Essay über die Klimaerwärmung nach zwei Dritteln plötzlich zu einer Dialekt-Moritat über Theodor Körner umschwenkt, denn jähe Textverwandlungen stehen dem seriösen Journalismus nicht gut zu Gesicht.

Ich darf das aber, hehe!

Spontan habe ich nämlich Lust bekommen, zur Abwechslung doch mal wieder ein klassisch journalistisches Genre zu bedienen und ein Interview zu führen, und zwar zu einer Frage, die mir schon länger unter den Nägeln brennt. Sie lautet:

Was wurde eigentlich aus der Michael Jackson-Statue in Mistelbach?

Martina Kainz

Im Jahr 2012 war der Lügenpresse zu entnehmen, dass die Gemeinde Mistelbach ein Michael Jackson-Denkmal bekommt. Ich fand die Geschichte damals sehr rührend.

Warum sollte man Denkmäler für verblichene Größen auch immer an ihren Geburtsorten oder Wirkungsstätten aufstellen? Der provinzielle Größenwahn gefiel mir und ich verfolgte begeistert die Fernsehberichte über die große Enthüllungsfeier.

Nachdem ich mich seitdem schon öfter gefragt habe, ob in Mistelbach auch heute noch echtes Jacko-Flair herrscht, wäre es doch naheliegend, Initiatorin Martina Kainz anzurufen und sie mit genügend Abstand noch einmal zu ihrer schönen Aktion zu befragen.

Kommen nach wie vor viele Michael Jackson-Fans nach Mistelbach?
Martina Kainz: Busse kommen jetzt nicht, aber aus Ungarn kommen immer wieder Fans und einmal hatten wir letzten Sommer einen Michael Jackson-Abend.

Und bei der Statue ist ein Geocache versteckt, so waren schon tausende Leute beim Denkmal, die sonst gar nichts mit Michael Jackson zu tun haben.

Und man trifft sich schon, es ist so eine Gruppe entstanden, man muss das ja auch pflegen. Es kommen dauernd Leute, die bringen immer Kerzerl und Bilder. Das wird auch irgendwann kaputt und man muss das auch immer wieder entsorgen. Und wir schauen, dass da immer was steht, ein Bäumchen oder ein Kerzerl.

Die Statue wird also wie ein Grab gepflegt?
Ich wollte eigentlich nicht, dass da so viel herumsteht, aber das hat sich so ergeben. Der Sockel ist voller Bilder und Blumen und Kerzen, da ist ja dauernd jemand da.
Daran hätte ich niemals gedacht. Aber es ist immer voll.

Martina Kainz

Martina Kainz und "Michael Jackson"

Man könnte also sagen, dass Mistelbach nach wie vor die Michael Jackson-Hauptstadt Österreichs ist, oder?

Eigentlich schon. Vom Festland von Europa eigentlich. In Großbritannien glaub ich gibt es noch eine Statue, die hat der Gaddafi oder was weiß ich wer aufgestellt, und ich glaube noch in Russland, in Moskau, aber sonst... müsste ich mich informieren, das weiß ich nicht. Wir waren auf jeden Fall die ersten.

Und die Statue wird auch bleiben in Mistelbach, oder?
Geplant ist nichts, aber es kann sein, dass sie irgendwann kaputt geht. Irgendwer hat da randaliert und die Hand hat einen Sprung drinnen, wenn es regnet, tropft es unten irgendwo raus. Vielleicht muss man das mal erneuern, da müssen wir schauen.

Gibt es unter den Mistelbachern heute eigentlich neue Michael Jackson-Fans, die durch Ihre Statue auf den Geschmack gekommen sind?
Es gibt da einen Herrn, der seitdem Musical-Workshops macht.

Aha. Warum war eigentlich bei der Enthüllung die Statue noch nicht fertig?
Das war ein Schock! Es war nämlich so: Die Bildhauerin hatte private Probleme. Sie hat praktisch die Statue schon gebastelt und ihr Freund hat sie zerstört. Sie hat aber nichts gesagt.
Die Medien waren schon informiert, von überall sind sie mit dem Flugzeug hergekommen, von den Niederlanden, von Australien. Am Vortag um sechs Uhr abends hat sie mir gesagt, sie wird nicht fertig, weil sie es irgendwie nicht schafft. Ich habe gesagt: Mach die Nacht durch!
Doch sie hätte auch niemanden gehabt, der die Statue von Prag nach Mistelbach bringt. Da wollte ich etwas organisieren. Und erst da hat sie gesagt, das wäre gar nicht möglich, weil sie gar keine Statue hat. Mah, ich war fertig...
Aber: Sie hatte schon ein paar Michaels gebastelt. So bronzene Büstenköpfe. Ich hab gesagt: Nimm alles mit und fahr her! Und dann ist sie gekommen und dann haben wir stattdessen halt eine bronzene Büste aufgestellt.

Martina Kainz

Die Ersatz-Statue

Aber hat es dann ZWEI Enthüllungen gegeben?
Genau. Das war die bronzene, und ein Jahr später war die Künstlerin dann mit der Statue fertig und dann hat es wieder eine Enthüllung gegeben, wieder mit Medien und Show. Ein Feuerwerk hätten wir auch noch gehabt, aber es hat geregnet.

Planen Sie eigentlich noch weitere Statuen für andere Künstler in Mistelbach? Was ist zum Beispiel mit David Bowie?
Aber das ist so anstrengend, ich weiß nicht... Wenn man so ein Fan ist von jemandem und einmal so etwas macht, ist man eigentlich schon geheilt. Der Bürgermeister hat eh schon gemeint: Machen wir einen Walk of Fame. Wenn jetzt jemand daherkommt und sagt: Machen wir, was weiß ich, den Danzer, wäre ich schon dabei, aber die Spenden möchte ich nicht mehr auftreiben, sich dauernd rechtfertigen, einen Maurer auftreiben, ein Loch graben,... Wenn jemand die Idee hätte, wäre ich dabei, aber nicht mehr so als Zugpferd und alleine durch die Wand und so.

Martina Kainz

Wie kam es eigentlich dazu?

Ich bin ja quasi zum Handkuss gekommen. Ich hab bei der Gemeinde gefragt und die haben Ja gesagt.
Ich bin gerade auf einen Kaffee gesessen und hätte ihn fast ausgespuckt - der Bürgermeister ruft mich an und sagt, es schaut gut aus - ich kann eine Runde in Mistelbach gehen und mir einen Platz aussuchen! Und ich denk mir: Bitte was? Die haben JA gesagt? Und jetzt muss ich auch was aufstellen! Es war ja nicht der Plan eigentlich, aber... Es ist passiert.
Und es ist kein Steuergeld reingeflossen, weil wir haben alles durch Spenden finanziert!

Und die Gemeinde ist im Nachhinein zufrieden?
Natürlich, unser Bürgermeister war in England und in den USA im Fernsehen und in allen Zeitungen. Ich glaub, Mistelbach hätt sonst niemand gekannt!

Hat sich für Sie als Künstlerin seitdem etwas aufgetan? Gibt es neue Aufträge?
Hunde! Ich male Hunde, schon seit zwei Jahren. Ich bin mit Leoparden und Pumas aufgewachsen und jetzt arbeite ich für eine Firma, die aggressive Hunde resozialisiert. Und ich mache eben mit Bleistift Hundeportraits.