Erstellt am: 25. 1. 2016 - 15:00 Uhr
Keine Ahnung von der Liebe
Und it’s Love! Das vierte Album von Get Well Soon erscheint am kommenden Freitag, die Erwartungshaltung ist klar: Streichersätze, opulente Bläser, gänsehautauslösende Chöre, ausufernde Kompositionen. Halt eben einfach so, als säße man nicht am Wohnzimmerteppich vor dem Plattenspieler, sondern in der Staatsoper. Auf "Love" tritt aber die Theatralik, die Konstantin Gropper beim Schreiben offenbar immer zwischen den Fingern gesteckt hat, in den Hintergrund. Wie die Wahl des Konzepts – die Liebe – wurde diesmal auch der Sound bewusst in eine andere Richtung gelenkt.
Hanna Käßbohrer
Pop ist... ganz ok, eigentlich
Pop war mir bis dahin immer ein bisschen zu billig, um ehrlich zu sein. Ich habe mich nicht drauf eingelassen. Dann stehe ich eines Tages in einem Supermarkt und die Pet Shop Boys laufen. In dem Moment ist mir der Knopf aufgegangen: da ist eigentlich gar nichts Billiges dran.
"I'm very excited and happy to announce the release of my 4th ALBUM. Because it's about LOVE and of course made with a lot of LOVE - it is called… "LOVE". "
Von nun an also selbst in love mit den Pet Shop Boys, Tom Petty, REM und den anderen Größen im Pop der 70er und 80er Jahre: Konstantin Gropper erzählt, dass er sich diesmal bewusst dort seine Inspirationsquellen gesucht – und auch seine Arbeitsweise geändert hat. Dass er alleine schreibt – und sich selbst dabei unerträglich ist, weil er die Welt um sich herum just streicht – ist beim Alten geblieben. Neu war aber, dass er nicht schon vorab den fertigen Song gedacht hat, also bevor er ihn zu Papier gebracht hat. Dieses Mal hat er sich schlicht einfach die Gitarre geschnappt, sich ans Klavier gesetzt. Die Struktur der Songs ist einfacher, straight. Auch wenn das Grundkonzept reduzierter geplant war, wird man Get Well Soon und Minimalismus in einem Satz wohl trotzdem nie wirklich gut unterbringen. Pathos, Feingliedrigkeit und Ausuferung sitzen, wenn auch in kleiner Form, weiterhin auf dem Nachtkästchen.
These und Praxis
Mehr als die Hälfte der neuen Stücke trägt ein It’s im Titel: "It’s Love", "It’s A Tender Maze", "It’s A Mess", "It’s A Catalogue" und so weiter. Würde man eine Interpretation zur Struktur von "Love" schreiben, sie klänge in etwa so: Die genannten "It’s-Songs" sind die persönlichen Geschichten von Konstantin Gropper. Die, die er selbst erlebt hat, Ereignisse, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der Liebe stehen, die ihm passiert sind. Die anders betitelten Lieder hingegen sind die vorangestellte These – hier geht es um teils wahre, teils erfundene andere Menschen, deren Geschichte erzählt wird. Damit das ganze nicht zu egoistisch ausartet, schmunzelt der Mastermind hinter Get Well Soon. Obwohl er eigentlich schon immer sehr persönliche Texte schreibt und geschrieben hat, wie er leise hinzufügt.
Hanna Käßbohrer
Das Schönste, das Schlimmste
Über die Liebe hat sich der Multiinstrumentalist, Produzent, Komponist und Sänger also ziemlich viele Gedanken gemacht.
Irgendwann arbeitet sich wohl jeder in seinem Leben an diesem Thema ab. Bei mir war es aber mehr wie eine Erscheinung. Ich bin eines Morgens aufgewacht und habe gewusst, dass ich das gesamte neue Album der Liebe widmen will.
Sympathischerweise, mit einem Lausbubenlächeln auf den Lippen, fügt Konstantin Gropper aber schnell hinzu, dass er sich keinesfalls anmaßt, zu behaupten, er wäre jetzt in irgendeiner Weise schlauer als vorher. Ihm war es aber auch nicht wichtig, mit den neue Songs, mit der Auseinandersetzung mit diesem überbordenden Thema Richtlinien festzulegen. Oder Wahrheiten zu deklarieren. Seine Erkenntnis liegt in einer dem Thema ziemlich unromantisch gegenüberstehenden Feststellung: die Liebe fordert sowohl das Beste wie auch das Schlechteste im Menschen heraus.
Am besten unterstreicht er seine These mit dem Ende letzten Jahres erschienenen Video zur ersten Single des Albums, "It’s Love". Udo Kier spielt darin auf wunderbar schaurige Art und Weise seine eigene Interpretation einer Kampusch-Fritzl-Hommage. Liebe bedeutet für jeden etwas anderes. Es gibt kein Patentrezept.
Wo der Wahnsinn beginnt: im Irrgarten
Wieder waren – und nach wie vor sind – Filme ein wichtiger Einfluss auf Konstantin Groppers Musik. In diesem Fall natürlich Liebesfilme. Beispielsweise hat ihn zum Song "It’s A Mess" Richard Linklaters "Before"-Triologie inspiriert, insbesondere "Before Midnight":
Psychologisch gesehen enden die meisten Liebesfilme am blödesten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann. Nämlich da, wo das Pärchen happy end feiert und endlich zusammenkommt. Es ist doch aber vielmehr so, dass es genau da spannend wird und der ganze Wahnsinn erst beginnt.
Get Well Soon
"Love" erscheint am 29. 1. via Caroline (Universal).
Hier versucht "Love" anzusetzen. Da, wo es unangenehm wird, wenn auch aus lauter Liebe. "We’re still just tourists here. And I think that we will always be". Konstantin Gropper zupft kurz nachdenklich am Hemdkragen, lässt den Blick aus dem Studio hinaus in die graue Wiener Winterlandschaft schweifen und erklärt schließlich diese Zeile aus dem Opener des neuen Albums "It’s a tender maze":
Es ist doch irgendwie so, dass die Liebe gut mit einem Labyrinth zu vergleichen ist. Man geht hinein, man kennt sich nicht aus. Man weiß nicht, was an der nächsten Ecke kommt. Und schon gar nicht, ob man wieder hinausfindet. Ganz zuhause ist man da nie, man ist eher Gast, Tourist, wenn man so will. Das klingt verwirrend, aber es ist gleichzeitig wunderschön.
Elf Lieder über die Liebe, nicht elf Liebeslieder. Ein so großes Thema, bewusst in reduzierter arrangierten Songs in gar nicht kitschiger Art und Weise verhandelt. Und das macht "Love" aus: die Gegensätzlichkeit, ein so großes Thema in reduzierter, spontaner, intuitiver musikalischer Form zu verhandeln. Dieses Album ist, im besten Sinne, eine Amour Fou.