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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

23. 1. 2016 - 12:15

Berlin im Januar

Es ist kalt und ungemütlich und selbst Katzencontent ist sinnlos!

Berlin im Januar ist kalt und ungemütlich. Es war zwar schon kälter dieses Jahr, minus 11 Grad tagsüber, aber da war die Stimmung noch besser. Jetzt in der dritten Januarwoche war alles so sinnlos.

Vielleicht liegt es am Datum? Englische Forscher, wir berichteten selbstverständlich auch darüber, haben ja längst entdeckt, dass der dritte Montag im Januar, der „Blue Monday“, der traurigste Tag des Jahres ist. Der war dieses Jahr am 18. Januar – kein Wunder war alles so deprimierend diese Woche!

Berlin

Christian Lehner

Alles geht den Bach runter. Selbst wenn man die Obergrenzen- Politik und die ganzen Deppen die im Land herumlaufen mal aussen vor lässt- über die wird eh genug berichtet- kann man doch auch in den kleinen Berliner Nachrichten viel Trauriges ausmachen.
Die früher so beliebte Piratenpartei löst sich langsam auf. 36 Ex- Piraten sind schon zu den Linken übergelaufen.

Das Stage Theater, Berlins Musicaltheater am Potsdamer Platz, gibt auf! Nach der letzten Vorstellung des Udo-Lindenberg-Musicals „Hinterm Horizont“ fällt der letzte Vorhang für! Was wird aus dem Prachtgebäude werden? Eine Shopping– Mall ? Ein Bio- Vegan -Supermarkt? Erst einmal wird das Ding wie jedes Jahr zum „Berlinale -Palast“ erklärt- aber was kommt danach?

Auch traurig: David Bowie ist immer noch tot und jetzt will man die Schöneberger Hauptstraße, wo er in den Achtzigern mal gewohnt hat, nach ihm benennen. Dagegen regt sich wiederum Widerstand. Bei Marlene Dietrich hat es ja auch Jahrzehnte gedauert, bis sie mal ihren Platz bekam. Außerdem bilden sich die BerlinerInnen sowieso zu viel auf „ihren“ Bowie ein: Grad mal drei Jahre hat er es hier ausgehalten und er kam ja auch nur her, weil er dringend ein bisschen Drogenentzug an einem möglichst langweiligen Ort machen wollte.

Apropos langweiliger Ort: Zum gar nicht langweiligen sondern gefährlichsten Ort Berlins wurde unser geliebter Kotti - die Gegend ums Kottbusser Tor in Kreuzberg erklärt . Eine hochsensible Reporterin hat für die Berliner Zeitung den Ort des Grauens betreten und -immer noch schwer traumatisiert - eine Horrorgeschichte verfasst.

Rodelnde Menschen in einem verschneiten Berliner Park

Reise-Frank / CC BY 2.0 / flickr

Dabei vergisst die Autorin der Berliner Zeitung, dass der unschöne Anblick des Junkie- Elends vor Ort durchaus etwas mit kleinen Erfolgen in der Drogen- und Gesundheitspolitik zu tun hat. Heroinsüchtige werden in Berlin älter als noch vor 10 Jahren. Es gibt, dank Methadon und anderen Programmen, jetzt Junkies die 40 oder 50 werden. Und dann sieht ein Heroinsüchtiger eben nicht mehr so aus wie Christiane F im gleichnamigen Film, also wie das blühende Leben mit Pickeln und Schnupfen, sondern echt fertig, ausgemergelt, alt, grau, gebeugt.

Außerdem befindet sich ausgerechnet Nachts an diesem hochgefährlichen Ort ein Hotspot des Berliner Nachtlebens, mit berühmten Bars und Clubs wie Monarch, Paloma Bar, Südblock, Möbel Olfe, west germany, Fahimi Bar.

Aber da will man in diesen Tagen auch nicht hingehen, ausgehen und rumstehen, trinken, dummes Zeug reden- alles sinnlos. Schließlich musste die ganze Woche über der Tag der Jogginghose ( am 21. Januar) zelebriert werden.

„Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ sagte ja einst der Modephilosoph Karl Lagerfeld, das lässt aber noch lange nicht den Umkehrschluss zu, dass wer keine trägt, volle Kontrolle über sein Leben hat.

Karl Lagerfeld

diginights,com

Apropos Lagerfeld und Mode:
Ebenfalls total sinnlos war wie jedes Jahr die Berliner Fashion Week. Die hätte man sich diese Woche, theoretisch, ja mal anschauen können. Aber dazu hätte man sich akkreditieren müssen um dann die Escada Show im Kronprinzenpalais, die „Key Looks“ Winter 2016/17 im Berliner Modesalon oder „Green Fashion“ im Postbahnhof oder sonst was anschauen zu können. Nur die angeblich total originellen Pop-Up- Stores in Mitte kann man ohne Akkreditierung anschauen- aber dazu war's wieder zu kalt.

Und Modeschauen und Catwalk gibt es in Pop Up Stores gar nicht, nur sinnlose Klamotten in fast leeren Läden. Übrigens: Catwalk haben wir schließlich auch zu Hause, allerdings einen manchmal recht wackeligen, was vielleicht mit neurologischen Ausfällen zu tun hat. M., seines Zeichens Europäisch Kurzhaar, wird nämlich im Februar 21 und kippt beim Laufen manchmal fast um. Sonst geht es ihm aber ganz gut , er wird halt immer anhänglicher und ist leider dement. Demenz bei alten Katzen kommt ja oft vor, die Katze weiß nachts nicht mehr wo sie ist und läuft laut schreiend in der Wohnung herum. Licht anlassen und mit ins Bett nehmen nützt nix. Tagsüber steht er oft lange sinnierend vor offenen Zimmertüren und weiß nicht mehr was er wollte. Dann wiederum führt er sich auf, als ob er am Verhungern wär, hat aber nur vergessen, dass er grad schon gegessen hat.

Katze

CHristiane Rösinger

Den Januar sollte man so wie M., 21 (bzw.112) verbringen: Schlafend neben dem Ofen

Der Tierarzt sagt: Alles normal und beglückwünscht die Katzenhalterin: Topfit für sein Alter ist M., als Mensch wär er jetzt schon 112 - eine Sensation.
Und sein hohes Alter hätte M. bestimmt meiner guten Pflege und der guten Kommunikation zu verdanken. Dabei weiß er gar nicht, dass ich M. seit 21 Jahren Lieder vorsinge. Die älteste Katze in seiner der Praxis war 23. Nun, soviel zum Katzencontent.

Apropos Katzencontent, da herrscht ja, wie überall ein arger Ageism. Süße Kätzchen wollen alle sehen, aber Altersprobleme mit Alzheimer Katzen? Da will keiner lesen. Alles so sinnlos.