Erstellt am: 22. 1. 2016 - 22:30 Uhr
Narrische Schwammerl
In den insgesamt fünfzehn Stunden, die ich bisher mit dem neuen Ableger der Mario & Luigi-Reihe "Paper Jam Bros." verbringen durfte, stellte ich mir gefühlte 566 mal die Frage, ob die Entwickler die Sache mit dem Pilze essen etwas zu wörtlich genommen haben. Andererseits waren die launigen, doppelbödigen Mario-Rollenspiele immer auch schon so etwas wie der subversive Underbelly des Pilzkönigreichs, also eben eine Möglichkeit, die in unzähligen Spielen aus allen möglichen Genres durchgehaltenen Trademarks auszuhöhlen, sich über die unbewegliche Sulz aus Charakteren und Story-Elementen (Bowser entführt Peach, na geh!) lustig zu machen und die Fan-Kultur mit amüsanten Meta-Sperenzchen zum Referenzen-Bingo heraus zu fordern.
Nintendo
Alles so schön bunt hier!
Diesmal wird die Meta-Attitüde gleich ins Spielkonzept eingebaut. Die etablierte, cartooneske, quietschbunte "Mario & Luigi"-Ästhetik wird mit dem flächigen Papierlook des "Paper Mario"-3DS-Ablegers "Sticker Star" gekreuzt. Die Geschichte geht so: ein Toad und der ängstliche Luigi öffnen während des Kampfs gegen eine widerspenstige Maus im Dachboden von Peachs Schloss ein fettes, rot eingebundenes Buch. Aus den Seiten sprudeln sogleich tausende Papier-Kreaturen: Wir lernen, der Schmöker ist ein Portal in eine parallele Dimension, in der alles und jeder sehr leicht zerknittern kann. Mario und Luigi bauen Paper Mario in ihre Kampftruppe ein: Aus der Kombi der Charaktere heraus entwickelt sich dann auch ein originäres Set an Moves, mit denen man die Schergen der zwei Bowsers in die Flucht schlagen und die zwei Prinzessinnen retten kann.
Nintendo
Attacke!
Wie in den vorigen Ablegern der "Mario & Luigi"-Reihe sollte man sich von der Knuddel-Kindergarten-Ästhetik nicht täuschen lassen: Das mit dem hintersinnigen Humor ist das eine, aber tatsächlich sind die diversen Fights, Hochlevel-Möglichkeiten und taktischen Optionen auch für geübtere Rollenspielfreunde eine zwar nicht gewaltig steile, aber dennoch saftige Herausforderung.
Wie im Genre üblich, verliert derjenige, der Kämpfe vermeidet: Denn nur so werden die Charaktere immer stärker und haben eine Chance, gegen die immer räudigeren Schurken zu bestehen. Zu den klassischen Angriffsmöglichkeiten Sprung und Hammer kommen die Bros.-Attacken: Die funktionieren wie kleine Minispiele, bei denen man schnelle Reaktionsfähigkeit und Button-Mashing-Skills braucht, um größtmöglichen Schaden zuzufügen. Die Präsenz von Paper Mario ermöglicht schließlich noch Trio Attacken, die wie die Zweierangriffe funktionieren, in der Ausführung allerdings komplexer und in der Wirkkraft noch gewaltiger sind.
Nintendo
Battle Cards
Um alle Angriffsmöglichkeiten wie im Schlaf zu beherrschen, muss man etliche Übungseinheiten einschieben. Ebenfalls neu ist ein weiteres taktisches Element: Nach der Einführungsphase werden so genannte Battle Cards frei geschalten: Die muss man gegen teures Geld kaufen, wobei jede einzelne einen bestimmten Effekt auf den gerade laufenden Kampf hat. So wird es möglich, die Angriffskraft (POW) der Gegner zu senken oder seine eigene Defensive (DEF) zu erhöhen. Insgesamt gibt es dutzende Karten, die man zu Zwölfer-Sets zusammenfassen kann. Da heißt es, seine eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen, um ein möglichst taugliches Set verfügbar zu haben.
Nintendo
Sollte man kompatible Amiibo-Figuren herumstehen haben – funktionsfähig sind Mario, Luigi, Bowser, Peach, Toad und Yoshi –, dann kann man gewisse Battle Cards auch auf ihnen abspeichern und via NFC-Kommunikation abrufen. All das hört sich jetzt wahnsinnig kompliziert an, aber die Entwickler führen die jeweiligen Elemente behutsam und über flache Lernkurven ein, sodass sie nie das Gefühl von Überforderung einstellt. Perfekt!
Mecha-Mario
Insgesamt ist der Spielfluss von "Paper Jam Bros." deutlich zerpflügter als in den Vorgängern: Stundenlanges Abgrasen der immer noch recht ausschweifenden Oberflächenwelt gibt’s kaum mehr, denn zu den häufigen Kämpfen kommen noch Toad Quests, die sich in einem lustigen Wolkenhaus, betrieben von Lakitu, abrufen lassen. In vergnüglichen Minispielen muss man Paper Toads befreien, zusammenfalten und einstecken, damit sie, angeführt von Bastelgenie Toadette (die mit den Pilzzöpfen!), gewaltige Kampfmaschinen, so genannte Paper Crafts, bauen können.
Denn immer wieder versperrt Bowsers Haus- und Hofzauberer Kamek (der mit dem Besen) unserer gut gelaunten Kampfttruppe mit gewaltigen Papier-Hindernissen den Weg. Hat man genug Paper Toads befreit, dann steuert man – auch das wieder ein eigenen Spielelement – das fabrizierte Paper Craft ähnlich einem Mecha: In ausladenden Arenen tritt man mit seinem Papier-Giganten gegen die Schurken an, was Spaß macht, insgesamt aber zu häufig vorkommt und zu lange dauert.
Nintendo
Aufgrund der vielen verschiedenen Spielelemente, die immerhin von der Pilzkönigreich-Ästhetik zusammen gehalten werden, kommt "Paper Jam Bros." nie wirklich in Fahrt, jedenfalls nicht hinsichtlich der erzählten Geschichte. Aber auch das Stückwerk ist in Form und Funktion ziemlich unwiderstehlich und sorgt für tage- und wochenlange Unterhaltung.