Erstellt am: 22. 1. 2016 - 16:45 Uhr
Der Game-Jam-Kurator
Kultur, Technik, Rätsel
Nach seinen geisteswissenschaftlichen Studien widmet sich Sebastian Standke nun der Informatik. Als Gamedesigner ist er bisher noch nicht tätig, doch er hat schon mal Kreuzworträtsel und Sudokus in einer Rätselagentur gestaltet.
Begonnen hat alles im April 2012, als Kulturwissenschaftsstudent und Computerspielforscher Sebastian Standke einen Auftrag bekommt. Das deutsche Online-Gamesmagazin Superlevel bittet um eine umfangreiche Geschichte über die Spiele des Ludum Dare #23.
Ludum Dare ist eine internationale Game-Jam-Reihe: Entwickler/innen auf der ganzen Welt sind dabei immer unter einem bestimmten Motto aufgefordert, innerhalb von nur 48 Stunden ein Spiel zu entwickeln - alleine oder in kleinen Teams.
Sebastian stellt sich der Herausforderung: Er spielt alle 1.402 Einreichungen, die aus diesem Game Jam hervorgehen und schreibt dazu mehr als ein halbes Dutzend umfangreiche Geschichten. Danach war er aber nicht demotiviert, sondern hat Blut geleckt. Aus einem einmaligen Projekt wird so nach und nach ein ungewöhnliches Hobby, bei dem Sebastian immer auch in eine Art Rausch verfällt. Die Karriere des Game-Jam-Kurators hat begonnen.
Leidenschaft und Hingabe
Sebastian Standke
Er möchte – genauso wie die teilnehmenden Game-Jammer/innen – in einen intensiven Fluss hineinfallen, will die Leidenschaft und Hingabe spüren, die in diesem kurzen Zeitraum in die Werke geflossen ist. Je mehr Games er am Stück innerhalb eines ebenso kurzen Zeitraums spielt, desto besser kann er als Journalist und Autor für sich selbst diese Gefühle einfangen, erzählt Sebastian im FM4-Interview. Durch den strengen Zeitrahmen wäre er zu anderen Leistungen fähig als sonst. Für viele andere Menschen klingt das höchst anstrengend: Hunderte kleine Computerspiele am Stück spielen, die sich oft sehr ähnlich und manchmal auch technisch unzureichend umgesetzt sind: Das klingt nach stumpfem, quantitativen Abarbeiten einer Liste, wo man nach einer Weile die Lust und die Leidenschaft verliert. Bei Sebastian Standke verhält es sich hingegen genau umgekehrt: Je mehr Spiele, desto größer die Begeisterung.
Game Jam Curator
Sebastian Standke ist auch künstlerisch-performativ vorgebildet: 2011 und 2012 etwa hatte er wallendes blondes Haar, um wie Klaus Kinski aussehen und wirken zu können.
Mittlerweile ist Sebastian Standke zwar dazu übergegangen, nicht mehr jedes einzelne Spiel eines Game Jams zu spielen – dennoch werden es meist immer noch einige hundert Titel, die er sich pro Jam ansieht. Seit Mitte Juli 2015 betreibt er einen eigenen Tumblr namens "Game Jam Curator", wo er persönliche Empfehlungen postet und dabei immer auch einen eigenen Kurztext dazuschreibt. Das dient auch dazu, damit er sich selbst merkt, was er im Laufe der Zeit alles gespielt hat. Beim Erstellen der Einträge in den Tumblr ist Sebastian immer sehr schnell, denn idealerweise sollen die Einträge zeitgleich zum jeweiligen Game Jam bzw. kurz danach online gehen - er möchte nicht von offiziellen Ergebnissen und User-Bewertungen beeinflusst werden.
gamejamcurator.tumblr.com
An österreichischen Jammer/innen nennt Sebastian Standke im FM4 Interview spontan Sarah Hiebl, Stefan Srb und Josef Ortner.
Kommerziell verwerten möchte Sebastian Standke seine Kompetenz als Marathonspieler und Spielekurator nicht – er macht es in erster Linie für sich selbst, es ist eben ein Hobby. Seine Freundin und seine WG wissen über dieses zeitintensive Hobby Bescheid und zeigen Verständnis - wenn es mal wieder so weit ist, weiß man, dass man den Mann besser eine Weile in Ruhe lassen sollte. Sein Sozialleben und sein Studium sollen dennoch nicht unter seinem aufwendigen Game-Jam-Kuratorentum leiden. Von Isoliertheit kann allerdings keine Rede sein, denn Sebastians Schaffen macht natürlich die Runde - vor allem bei Spielemacher und –macherinnen, mit denen er sich immer mehr vernetzt.