Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Malta-Reisewarnung!!!"

Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

6. 2. 2016 - 20:38

Malta-Reisewarnung!!!

Welche Fragen muss man beim Speeddating beantworten? Kann ein Origami-Intensivkurs in Grönland Spaß machen? Wo gibt es die besten Videos von trainierten Vögeln? Und wie schmecken Hasenspaghetti mit ungesalzenen Bohnen?

Als ich vor ein paar Wochen ohne Verführungsabsicht, sondern einfach nur zum Spaß ein Speed Dating besuchte, vermuteten Teile des Umfelds, da würde ich "bestimmt was drüber schreiben."

Da irrten die Umfeldteile aber.

Eine Unternehmung mit dem Vorsatz zu absolvieren, daraus Heiteres und Obskures für einen Erlebnisbericht zu destillieren, scheitert meistens. Bemerkenswertes geschieht viel eher, wenn man am wenigsten damit rechnet.

Dass sich bei einem Speed Dating so manche lichtscheue Gestalt tummelt und auch der eine oder andere klassische Freak von Tisch zu Tisch wankt, ist ja nicht bemerkenswert - genau das erwartet man sich bei einem solchen Anbandel-Meeting. Dass die Herren auf den ersten Blick noch wesentlich schwerer vermittelbar sind als die flirtmotivierten Damen, auch das vermutet man im Vorfeld, und dass es mit der Zeit ziemlich mühselig wird, alle sieben Minuten Fragen wie "Welche Hobbys hast du so?" oder "Wohin fährst du eigentlich gerne auf Urlaub?" zu beantworten, ist ebenfalls keine sensationelle Erkenntnis.

mc

Die maltesische Karrikaturisten-Szene ist erstens überschaubar und kann sich ob der handwerklichen Defizite (man erkennt die Karrikierten einfach nicht) nur mit Fußgängerzonen-Dumpingpreisen über Wasser halten.

Deshalb soll in diesem Aufsatz auch nicht länger mein unergiebiges Speeddating-"Erlebnis" erörtert werden, sondern vielmehr die Frage, wohin ich eigentlich gerne auf Urlaub fahre.

Die Antwort wird die Leserschaft kaum erregen (Tessin, Salzkammergut), aber ich will zumindest erwähnen, wohin mich meine jüngste Reise führte: Nach Malta.

Diese Info mag nach Lektüre der Überschrift keinen Überraschungseffekt erzielen, trotzdem wird berechtigterweise die Frage laut, warum zwar das Außenministerium keinerlei Reisewarnung für den seltsamen Inselstaat ausgibt, ich aber trotzdem vor einer Exkursion abrate.

Das tue ich nämlich aus vollster Überzeugung, schließlich war ich dort und kann mit dem Brustton der Gewissheit verlautbaren, dass es sich kei-nes-falls lohnt, dieses öde Eiland zu besuchen.

Die Reise war derartig ereignislos, dass die Mitreisenden nicht mutmaßten, da würde ich "bestimmt was drüber schreiben." Jene Mitreisenden, denen ich zu Dank verpflichtet bin, schließlich handelte es sich um Premium-Reisebegleiter, die selbst aus einem siebenwöchigen Origami-Intensivkurs in Grönland ein Freundenfest zu zaubern imstande wären.

Doch wer hat schon solche hervorragenden Reisegefährten? Für die meisten dienen Urlaube ja nur als letzte Rettungsversuche für ihre längst gescheiterten Beziehungen oder um die morsche Stimmung in der Kernfamilie durch maritime Eindrücke zu kompensieren (Provokation, damit ich böse Zuschriften erhalte). Für den Durchschnittsurlauber ist Malta also nicht zu empfehlen, denn die Eindrücke werden schaler Natur sein.

Ich sehe es also als meine menschliche und journalistische Pflicht, die Reiseprospekte Lügen zu strafen und die gepriesene Urlaubsdestination als graue, unsehenswerte Steueroase zu entlarven, um potenzielle Buchungs-Opfer rechtzeitig aufzuklären.

mc

Der kluge Peter Blau kritisierte kürzlich zurecht Postings und Bildunterschriften wie "Ohne Worte" oder "Dem ist nichts hinzuzufügen". Wenn einem Foto oder Text nichts hinzuzufügen ist, kann man doch auch einfach mal nichts hinzufügen.

Was es über Malta zu wissen gilt

Für Malta spricht das angenehme Klima. Nicht unbedingt das menschliche, denn die Malteser sind häufig unfreundlich, bestenfalls reserviert oder im professionellen Sinn zuvorkommend, sondern das meteorologische. Selbst im Winter haben Luft und Wasser rund fünfzehn Grad. Das Wasser zu besteigen ist auf der felsigen Insel jedoch ein schwieriges Unterfangen, da es kaum Sandstrände gibt.

Der Malteser an sich bleibt gerne zu Hause, erfreut sich seines Wohlstands und starrt dort entweder an die Wand oder auf den Fernseher, aus dem entweder italienische oder, noch schlimmer, maltesische Programme dringen.
Die Moderatoren sprechen Maltesisch, eine hölzerne Sprache, die klingt, als hätte man ein Worst of aller europäischen und arabischen Sprachen kompiliert, was sprachhistorisch gar nicht mal so falsch ist. Die meiste Zeit werden im maltesischen Fernsehen Weihnachtskrippen, Weihnachtsengel, Weihnachtskugeln oder sonstiges Weihnachtszubehör verschleudert. Der Grund ist, dass die erzkatholischen Malteser Weihnachten lieben. Alle Malteser sind Katholiken (98 Prozent, kein Scheiß), alle lieben Weihnachten.

Wochenlang werden rund um das Lieblingsfest der Malteser (Weihnachten!) unzählige riesige, grell beleuchtete Jesuskind-Figuren in Fenstern und Glastüren drapiert, was den Einheimischen gefallen mag, den Bummel durch einen durchschnittliche Straße für den Außenstehenden aber an eine Geisterbahnfahrt gemahnt.

mc

Besonders schön ist dieses Exponat auf der Weihnachtskrippen-Ausstellung eigentlich nicht. Trotzdem kann Alfred Aquilina einfach nicht die Hände davon lassen!

Vergnügungsmöglichkeiten sind tags- und nachtsüber rar gesät. Man kann beispielsweise das Popeye Village besuchen, also Eintritt dafür bezahlen, die Kulissen von "Popeye – Der Seemann mit dem harten Schlag" zu besichtigen, einem Film, den kein Mensch gesehen hat. Man kann auch acht Euro dafür blechen, mit einem Schlauchboot samt herrschsüchtigem Guide durch einen Felsvorsprung zu fahren, was im Prospekt als "breathtaking" beschrieben wird. Ansonsten gibt es noch: Weihnachtskrippenausstellungen, Ponyreiten (nur im Schritt, völlig überteuert), Tontaubenschießen (nur mit Waffenschein, schade!) und eine Feuerwerksfabrik, die man aber leider nicht besichtigen kann und die nicht genug Stückzahlen abzuwerfen scheint, um zu Silvester ein Feuerwerk zu veranstalten, wobei wir schon beim schnell abgehandelten Thema Nachtleben wären.

Auch zu späterer Stunde ist das Vergnügungsangebot überschaubar. Man kann in Valletta essen gehen, der winzigen Hauptstadt von Malta, die ungefähr aus drei Kärntner- und zwei Neubaugassen besteht. Alle Lokale sehen exakt gleich aus und führen die exakt selben Speisen. Die kulinarischen Spezialitäten von Malta sind ungesalzene Bohnen und Hasenspaghetti.
Hasenspaghetti!
Sic!
Sick!
Ein unambitioniert gewürzter Haufen Nudeln mit Hasenteilen drauf ist die Speerspitze der maltesischen Haute cuisine.

mc

Nachdem er jahrzehntelang vor trüben Touristenaugen Heiligenfiguren angefertigt hatte, gab sich der Vorgänger dieses jungen Künstlers in seiner Verzweiflung während einer Live-Heiligenfiguren-Anfertigung die Kugel. Die farblich versehrte Wand gilt heute auf der ganzen Insel als Mahnmal für eine wohlüberlegte Berufswahl.

Das Nachtleben generiert sich aus ein paar Teenie-Diskos, die errichtet wurden, weil die findigen Malteser neben Yachteigentümern eine zweite touristische Zielgruppe erschlossen haben, nämlich Sprachschüler. Wer noch nie auf Malta einen sommerlichen Englisch-Intensivkurs besucht hat, hat mindestens fünf Bekannte, die bereits auf Malta einen sommerlichen Englisch-Intensivkurs besucht haben.

Wenn Malteser sich selbst einen umhängen wollen, treten sie dabei verstörend uniform auf. Ausnahmslos alle Boys tragen Anzüge und haben das Haupthaar zu einer Art Undercut-Verschnitt im wahren Wortsinn frisiert, ausnahmslos alle Girls tragen Strumpfhosen, hohe Schuhe und Miniröcke. Subkulturen, die sich in irgendeiner Form äußerlich deklarieren, scheint es auf Malta nicht einmal im Keim zu geben.

Das Highlight jeder Malta-Reise ist zweifelsohne wahlweise ein Besuch im Casino oder ein Abstecher in die Smart City Malta. Diese besteht aus einem riesigen, leeren Parkplatz, mehreren Bürogebäuden, einem Burgerrestaurant, in dem es neben den Hasenspaghetti auch Burger gibt, und einem gigantomanischen Teich, in dessen Mitte zahlreiche Lichtsäulen bunte Choreographien zu ohrenbetäubend lauter klassischer Musik ins Wasser zaubern, was aber niemanden erfreut, denn die Yachtbesitzer sparen in ihren Yachten Steuern, die Pauschaltouristen schlagen in den Clubs die zähen Stunden tot und die Malteser machen, was Malteser eben so machen, nämlich zu Hause bleiben und keinen Gedanken daran verschwenden, wie sie ihr doofes Land attraktiver gestalten könnten.

Was der Leser wiederum könnte: Mich nach diesen harschen Ausführungen fragen, warum war ich denn eigentlich auf Malta war, wenn diese Insel so gar nichts kann?
Gute Frage!
Gute Antwort: Der Flug war sehr günstig!

Und vor allem war im Internet kein Aufklärungstext wie dieser zu finden, der eindringlich vor einer Malta-Reise warnt. Es freut mich, diesem Mangel hiermit ein Ende bereitet zu haben.