Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Tuesday Edition, 19-01-16."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 1. 2016 - 18:25

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 19-01-16.

Der Kampf um den Schutz des eigenen Volkes. Wie radikale Philosophen Pegida und Co aufmunitionieren, und was das mit Straches Staatsfeind zu tun.

#demokratiepolitik #asylpolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Die Front der notorisch-isolationistischen Abschotter besteht nicht nur aus Neonazi-Knallchargen, Pegida-Spießern, berechnenden Populisten und angstgetriebenen Schönwetter-Politikern: sie werden inhaltlich von einer Reihe nationalistischer Philosophen gefüttert.

Die neuentdeckte nationale Erotik des Vigilantentums

"Der Kampf um den Schutz des eigenen Volkes kann und darf jeden Tag stattfinden - auch in Deutschland. Jeder Bürger darf die Dinge unter bestimmten Voraussetzungen in die Hand nehmen. Das ist übrigens auch ein verfassungsmäßiges Recht" schreibt ein Hetzer im Tumult. Der heißt so, Wolfgang Hetzer nämlich, ist Jurist, war EU-Berater in Sachen organisierte Kriminalität. Tumult ist eine Vierteljahreszeitschrift mit wechselvoller Geschichte, die in ihrer aktuellen Ausgabe den intellektuellen Wortführern einer neuen nationalkonservativen Bewegung in einem "Die große Einwanderung" genannten Schwerpunkt das Feld und Wort überlässt. Neben Hetzer sind das der Schriftsteller und Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl, der erimitierte Wiener Philosoph Rudolf Burger, der Pianist Siegfrid Gerlich oder der Geschichts-Professor Rolf Peter Sieferle.

Man wolle nicht als Rassist in die Strafecke der Fremdenfeindlichkeit gestellt werden, schreibt der verantwortliche Redakteur im Editorial, wenn man darauf beharrt, mitbestimmen zu wollen mit wem man (nicht) zusammenleben wolle.
Ein legitimer Ansatz, der dann durch etliche Hinweise auf einen (moralisch) erodierenden, kaputten und bankrotten Staat zunehmend in Vigilanten-Fantasien ausufert. Die werden bei Hetzer mit dem Strafrecht unterfüttert - auf die Idee eine Umkehrung des mächtigen Willkommenskultur-Zeichens der sogenannten Zivilgesellschaft auszurufen, die ja auch die Pflichten des (untätigen) Staates in ihre Hände nahm, kommt interessanterweise keiner der Autoren.
Auch das Asylrecht stünde unter einem Schrankenvorbehalt, erklärt der Jurist, was die "surreal-pathetische" Berufung auf Menschenrechte quasi aufhebe. Dass Hetzer dabei den "Kronjuristen des Dritten Reiches", Carl Schmitt zitiert ("Wer Menschheit sagt, will betrügen") geleitet den Eingeweihten auf altbekannte Pfade.

Biedermänner, Brandstifter und Staatsfeinde

Dort sitzt schon die aktuelle Welt am Sonntag (das populäre Zentralorgan der Nationalkonservativen), die sich ihr Hitler-Cover nicht verkneifen kann und scheinbar äuqidistant vor Instrumentalisierung warnt: die einen mache die deutsche Kollektivschuld "blind für Missstände", die anderen zu Brandstiftern. Innendrinnen stehen die Zündler dann schon unter Anführungszeichen, es geht es dann nicht einmal nur mehr um die übliche töricht-blinde Linke, sondern um alle vier Bundestags-Parteien, die an angeblichen 60% der Bevölkerung, die Flüchtlinge als Eindringlinge sehen und sich nicht mischen wollen, gar nicht mehr vertreten können.

Die Liebe zum deutschen Volk treibt auch Sloterdijks Beiwagerl aus dem philosophischen Quartett, den Literaturwissenschaftler Rüdiger Safranski an, in der Weltwoche ähnliche Thesen zu äußern.

Nicht dass Pegida, AfD oder auch die FPÖ eine derartige moralphilosophische Unterfütterung brauchen, um ihre immer scharf an der aktuellen Oberflächen-Befindlichkeit orientierten Ratschläge aus dem Stammhirn abzuliefern: für eine Legitimierung als Position einer wieder einmal von ganz weit rechts in die Mitte gerückte "Neue Mitte" macht sich eine solche Unterstützung aber schon was her.

Auf diesem Nährboden kommen Aussagen wie die von Pegida-Bachmann beklatschte Strache'sche vom Kanzler als "Staatsfeind, so wie er sich verhält, ein Bürgerfeind und ein Österreichfeind." - Die Begrifflichkeit des Staatsfeinds analysiert übrigens Lisa Nimmervoll hier im Standard punktgenau - ebenfalls unter Einbeziehung juristischer Standards.

Wo ist das Menetekel?

Alles nichts Ungewöhnliches? Bestenfalls wegen der neuen Dichte und des Alarmismus bemerkenswert? Nicht nur das.

Normalerweise sind Aufrufe zum Ungehorsam und zur Aushebelung der demokratischen Einrichtungen ein Standard der kritischen Auseinandersetzung der Linken mit staatlich sanktionierten Herrschafts-Instrumenten, die im Dienst des Kapitals verortet werden.

Dass sich nun die nationalkonservative Bewegung in durchaus vergleichbarerer Art an demokratieprägenden Statuten reibt und sich anschickt, den mobbewegten Ungehorsam salonfähig zu machen, ist ideologisch nicht mit schlichter Unzufriedenheit am Kurs der führenden innerparlamentarischen Law&Order-Kraft Deutschlands (der CDU) zu erklären. Es geht nicht darum, Merkel wegzuputschen - auch wenn (siehe wieder Strache, wieder bei seiner Neujahrsrede, wieder unter Bachmann'schem Jubel) die "die muss weg!"-Forderung schon mehr als virulent ist.

Der immer weniger verhohlene Aufruf zur Missachtung von Menschen- und anderen Grundrechten, die Legitimierung der Straße, mitsamt all den klassisch-linken Revolutions-Szenarios - das deutet auf eine tiefe Krise der demokratischen Gesinnung innerhalb nationalistisch Orientierten, bisher als bloß konservativ geltenden Rechtsaußen-Denker hin. Und es sind eben nicht nur die Nazis, die sich schon einmal in der Ausschaltung des Parlaments erprobt haben, sondern, zumindest in Österreich, auch die nationalkonservativen Kräfte gewesen, die ihre damalige Sinnkrise in einen entsprechenden Fehlversuch geführt hat.