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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

18. 1. 2016 - 13:52

Leben und Lernen in Manchester

Die britische Comedy-Show "Fresh Meat" widmet sich gekonnt den Herausforderungen des Studentenlebens.

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In den Achtziger Jahren gab es in Großbritannien eine Fernseh-Show namens "The Young Ones". Das Studentenleben der Thatcher-Ära stand darin im Mittelpunkt, Armut und soziale Ungerechtigkeit, aber auch Idealismus und die wachsende subkulturelle Bedeutung des (Post-)Punk. Wie wichtig die Show für die britische Popkulturlandschaft war, kann man dabei gar nicht genug betonen: Die Serie war in den Achtzigern mitverantwortlich dafür, das UK Alternative Comedy Movement in den Mainstream zu bringen und diesen maßgeblich bis heute zu beeinflussen.

Fast dreißig Jahre später fanden sich die zwei Serienschreiber Jesse Armstrong und Sam Bain (die Schöpfer der mittlerweile am Legendenstatus kratzenden Comedy "Peep Show"), die beide vom Setting der "Young Ones" inspiriert waren und mit aktuellem Konzept erneut Geschichten aus der britischen Studentenwelt erzählen wollten.

Was letzten Endes herauskam, war "Fresh Meat", eine Serie über sechs Studenten, die aus allen Ecken des Königreichs in eine WG nach Manchester ziehen, um dort über das Leben zu lernen.

Die Charaktere sind dabei auf den ersten Blick möglichst einfach geschnitzt und bedienen klassische Stereotypen: Kingsley ist der typische langweilige Akustikgitarrenspieler, der seine neuentdeckte Coolness erst behaupten muss. Howard ist der Computernerd, der sich in seinem Zimmer einsperrt, und Oregon das poshe Upperclass-Mädchen, das versucht, sich in Manchester neu zu erfinden und seine Herkunft vor den anderen Mitbewohnern geheim hält.

Während zu Beginn der Show der Fokus auch auf dem tatsächlichen Studentenleben der Erstsemestrigen liegt, stellt "Fresh Meat" im Verlauf der Serie immer mehr die Protagonisten selbst in den Mittelpunkt und konzentriert sich auf ihre Konflikte, Herausforderungen, Probleme und vor allem das Älterwerden: die schwierige Zeit zu Beginn der Zwanziger, irgendwo zwischen Teenagerzeit und Erwachsensein, zwischen kompletter Freiheit und dem Übernehmen von Verantwortung.

Der Cast von Fresh Meat vor einem Haus stehend

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Die clever inszenierte Charakterentwicklung, die daraus entsteht, ist eine Stärke des britischen Fernsehens der letzten Jahre. Im Gegensatz zu vergleichbaren US-Shows wird auf simples Schwarz-Weiß-Denken verzichtet und den Protagonisten erlaubt, sich in Grauzonen zu bewegen. Paradebeispiel dafür ist der als Upperclass-Parodie inszenierte JP (gespielt von Jack Whitehall, der in Großbritannien gerade zum Superstar aufsteigt): Zu Beginn der Serie nur als posher Bösewicht-Counterpart zu den anderen Charakteren inszeniert, wird er im Verlauf der Serie immer mehr zum tragischen Antihelden, kaputt gemacht von der Repression seiner konservativen Oberschichtserziehung.

In Großbritannien ist "Fresh Meat" längst Kult, wird in einem Atemzug mit der Erfolgsshow "The Inbetweeners" genannt und soll nach seiner jetzt anlaufenden vierten Staffel vielleicht sogar einer Filmadaption unterzogen werden. Die popkulturelle Bedeutung der Serie zeigt sich nicht nur dadurch, dass aktuelle Probleme von jungen Menschen in England vorkommen (so spielte eine ganze Folge der Show während den 2010er Studentenprotesten), sondern auch in den Kollaborationen, die die Serienmacher mittlerweile eingehen. So schrieb niemand anderes als Blurs Graham Coxon einen eigenen Song für die Show.

"Fresh Meat" ist ein Paradebeispiel der immer noch vor Kreativität überquellenden britischen Comedy-Szene. Die Serie lebt von ihrem liebevollen Skript genauso, wie von den erstklassigen schauspielerischen Leistungen ihres Casts (besonders hervorstechend dabei Zawe Ashton mit ihrer Darstellung der selbstzerstörerischen Vod). Eine Serie, in der seichte Jokes und clevere Ironie harmonisch miteinander einhergehen und ein überzeugendes satirisches Porträt der ach-so-schwierigen Studentenzeit liefern.