Erstellt am: 14. 1. 2016 - 19:00 Uhr
"Death by Video Game"
Die meisten von uns sind schon das eine oder andere Mal zu spät zu einem Termin gekommen, weil es manchmal einfach so schwer ist, sich loszureißen: von einer fesselnden Serie, einem guten Buch - oder der reichhaltigen virtuellen Welt eines Computerspiels. Vor allem in digitalen Spielen verlieren wir uns mitunter ganz besonders stark. Aber was ist es, das Videospielen eine so besonders hohe Anziehungskraft verpasst?
Alle paar Monate hört oder liest man von Fällen, wo Computerspieler nach unfassbar langen Sessions gestorben sind. Als schnelle Schlagzeile bringt so eine Meldung natürlich alte Klischees an die Oberfläche - also solche, dass Computerspiele nicht nur Zeitverschwendung sondern eben auch tödlich wären. Aber welche Gründe stecken tatsächlich dahinter, dass sich Menschen in seltenen Extremsituationen sogar bis zu mehrere Tage ohne Unterlass hinter ein Spiel klemmen und alles rings um sie vergessen? Diese Frage war der Ausgangspunkt für ein Buch des britischen Gamesjournalisten Simon Parkin.
simonparkin.com
Der Titel "Death by Video Game" ist reißerisch, ebenso der Untertitel "Tales of Obsession from the Virtual Frontline". Nach der Einleitung, in der Simon Parkin einigen Games-Todesfällen nachgeht, folgt hingegen die unaufgeregte Analyse: Vor allem Computerspiele, die kein definitives Ende haben – also alte Titel wie etwa "Donkey Kong" oder moderne Online-Games wie "League of Legends – bieten immer wieder neue Reize, neue Gegner, neue virtuelle Gegenstände oder die Chance, immer noch ein Level weiterzukommen. Die Zeit verrinnt, und man erlebt den sogenannten Chronoslip, wie es Parkin nennt.
simonparkin.com
Doch nach diesem ersten Kapitel, das sich inhaltlich noch stark am Buchtitel anlehnt, nimmt "Death by Video Game" eine Abzweigung und widmet sich fortan hauptsächlich unterschiedlichen positiven Aspekten von Games. Simon Parkin beschreibt einzelne Spiele und ihre Entstehung oft recht ausführlich und welche ungewöhnliche Wirkung sie haben können – vor allem jene Games, bei denen es nicht primär nur um Unterhaltung und Wettbewerb geht.
"What does it mean when the games that we play are not flippant and not just about highscores and who can gain the most territory or who can defeat their opponent? They move slightly away from the sports element of videogames and are more into talking about the human condition."
Mehr als Unterhaltung und Wettbewerb
Rainer Sigl wird auf FM4 und hier auf fm4.ORF.at in Kürze mehr über "That Dragon, Cancer" berichten.
Den Begriff "Serious Games" vermeidet Simon Parkin bewusst, sagt er im Interview. Das liege vor allem daran, dass ja etwa auch Filme oder Romane, die sich ernsten Themen widmen, nicht extra als solche ausgewiesen sind. Als aktuelles Beispiel nennt der Autor "That Dragon, Cancer", über das er auch im Buch geschrieben hat. Das sehr persönliche Spiel über den Leidensweg eines Paares mit ihrem todkranken Kleinkind ist seit einigen Jahren in der Entwicklung und Anfang dieser Woche erschienen.
"Death by Video Game" von Simon Parkin ist auf Englisch bei Serpent's Tale erschienen.
Bei "Death by Video Game" geht es also weniger um die dunklen Seiten von Videospielen sondern vielmehr um ihr großes Potenzial, das natürlich positive und negative Aspekte hat. Da Simon Parkin ein langjähriger renommierter Journalist ist, ist das Buch gut recherchiert und dabei auch sehr erzählerisch ausgefallen - was allerdings auch dazu geführt hat, dass es an manchen Stellen etwas redundant geworden ist. Dennoch ist "Death by Video Game" – trotz des seltsamen Titels, der wohl vom Verlag so gewünscht war – eine empfehlenswerte Übersicht über das Erwachsenwerden des Mediums Computerspiel, mit Fokus auf die letzten zehn Jahre. Und ein gelungenes Aneinanderreihen kleiner, oft ungewöhnlicher Geschichten von Spielen und ihren Spielern.