Erstellt am: 14. 1. 2016 - 16:29 Uhr
„Ich bin Nerd und Rocker“
Metrolit
Ich nenne es das Bowie-Loch, bzw. auf Oberösterreichisch die „Boii-Luckn“. Jedes Mal, wenn ich an der Hauptstraße 155 in Berlin Schöneberg vorbeigehe, starre ich durch die dunkle Einfahrt zum Parkplatz in den Innenhof des Hauses, wo David Bowie in den späten siebziger Jahren wohnte. Der Bau ist so hässlich, wie man sich die Stadt in der Mauerzeit vorstellt. Nichts deutet darauf hin, dass hier einmal ein Popstar gelebt hat. Ich wohne eine Ecke weiter – ein popkultureller Zufall, so wie in Brooklyn, wo mich jener in die unmittelbare Nähe zum Geburtshaus von The Notorious B.I.G.hinwürfelte (von den beiden ist übrigens nach Bowies Tod dieses Biggie Stardust Mashup aufgetaucht.)
So the other day I asked David Bowie's former house entrance in Berlin for all the answers.
Posted by Christian Lehner on Thursday, December 3, 2015
Manchmal stelle ich dem Bowie-Loch Fragen oder unterhalte mich im Gedanken mit dem auch nicht gerade unspektakulären Mitbewohner Iggy Pop, der dem Meister (Lieblingsspeise: Streichwurst) stets den im KaDeWe gefüllten Kühlschrank leergefressen hatte. „Na? Was habt ihr denn heute so getrieben?“. Ich seh die beiden dann in der benachbarten Schwulenbar Neues Ufer sitzen und sich anstarren, was sie tatsächlich oft taten, nur damals, 1977, hieß die Bar noch Anderes Ufer. Auch Rio Reiser und Michel Foucault hingen hier regelmäßig ab. Ein Mal, so geht die Legende, warf ein Homo-Hater die Fensterscheiben ein. Bowie hörte das Klirren, eilte dem Wirt zur Hilfe, drückte ihm einen Batzen Geld in die Hand und hielt Wache, bis der Glaser kam – was in Berlin dauern kann.
#Berlin, Hauptstraße 155, where he used to live with Iggy in the 70s. R.I.P. #DavidBowie @radiofm4 pic.twitter.com/k7uMOWSNm5
— Christian Lehner (@ChristianLehner) January 11, 2016
Seit Montag gehe ich nun jeden Tag an einem wunderbar wachsenden Bowie-Trauergarten aus Blumen, Kerzen und Grußbotschaften vorbei. In die Bowii Luckn werde ich auch weiterhin hineindenken. Blackstar.
Geniale Dilletanten
„Schöneberg und Kreuzberg waren die In-Bezirke im damaligen Westen“, sagt Alexander Hacke, wobei sich in Kreuzberg mehr so die Punk, Polit- und Hausbesetzerszene abspielte und in Schöneberg mehr so die Avantagarde, Kunstleute und Paradiesvögel unterwegs waren“. Wir sitzen im Cafe M an der Goltzstraße. Hier wird noch geraucht. Was heute den Charme einer abgelebten Studentenkneipe versprüht, war in den frühen Achzigern eine der angesagtesten Szene-Kneipen Berlins. Der junge Blixa Bargeld, der einen Steinwurf entfernt den bizarren Modeladen Eisengrau führte, ging hier ein und aus, ebenso wie die Mädels von Mania D mit Gudrun Gut, oder ein schüchterner Filmemacher namens Wim Wenders.
Christian Lehner
Hacke war mit seinen 15 Jahren quasi das Szenekücken, das im „Mitropa“, wie das „M“ damals hieß, zum Schulschwänzen kam, wenn er nicht in Burkhard Seilers Plattenladen Zensor abhing oder im Eisengrau, wo Blixa Bargeld 1980 die Einstürzenden Neubauten gründete. Hacke erzählt die Schnurre, warum die Betreiber den Namen von „Mitropa“ auf „M“ ändern mussten und wie er sich damals von „Energiebällchen ernährte“, die ihm die strengen Bardamen zuwarfen und die es kurioserweise noch heute gibt, wie Hacke beim Interview feststellte.
Der Grund unserers Treffens waren Hackes Memoiren „Krach. Verzerrte Erinnerungen“, die im Dezember im Metrolit Verlag erschienen sind.
Darin erfahren wir von seinen ersten Idolen Beethoven und Bruce Lee, den turbulenten Anfangsjahren mit den Einstürzenden Neubauten, der interdisziplinären Kulturszene der Mauerstadt a.k.a. "Depri Delta", deren Protagonisten Blixa Bargeld den Namen „geniale Dilletanten“ (mit zwei L und ohne Doppel-T) schenkte, von Hackes Liaison mit dem Junkie-Star Christiane F, wie einer seiner ersten Songs („Hiroshima“) vom NME zur Single des Monats gewählt wurde, wie es zu der Zusammenarbeit mit Fatih Akin („Crossing The Bridge“) kam, wie ihn das Country-Fieber packte und warum er mit seiner Frau, der Künstlerin und Co-Gründerin der Love Parade Danielle de Picciotto, seit Jahren ohne festen Wohnsitz durch die Welt tingelt.
Christian Lehner
Tja, und genau darüber haben wir dann einen halben Nachmittag lang palavert. Auszüge aus diesem Gespräch und dem Buch sind heute, Donnerstag, ab 21 Uhr in der FM4-Homebase zu hören und anschließend 7 Tage lang im FM4 Player abrufbar.
Homebase Spezial Alexander Hacke
Ideal | Berlin |
Malaria! | Kaltes klares Wasser |
Borsig | Hiroshima |
Einstürzende Neubauten | Fleisch Blut Haut Knochen |
Einstürzende Neubauten | Thought |
Jever Mountain Boys | Bury The Bottle With Me |
Suicide | Ghost Rider |
Einstürzende Neubauten | Silence Is Sexy |