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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

14. 1. 2016 - 18:30

Amerika, aber kritisch!

Oliver Stone widmet sich dem 20. Jahrhundert in einem Sachbuch.

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Ende dieses Jahres wählen die Amerikanerinnen und Amerikaner ihren nächsten Präsidenten. Oder gar ihre Präsidentin? Hillary Clinton tritt an. Für den Regisseur Oliver Stone wäre eine Präsidentschaft Hillary Clintons „more of the same“. Die Demokratin Clinton sei nämlich mitverantwortlich für das aktuelle Chaos, das Flüchtlinge nach Europa treibe – so äußert sich Oliver Stone in Interviews.

Mit der Geschichte seines Landes hat sich Oliver Stone mehrfach auseinandergesetzt und das nicht nur in Spielfilmen wie „JFK“ oder für sein neuestes Drama „Snowden“. Er hat auch ein Sachbuch zu den Schattenseiten der Weltmacht USA geschrieben, das im Herbst 2015 auf Deutsch erschienen ist und das sich durchaus zu lesen lohnt. Dabei ist es ein Nebenprodukt zu einer gleichnamigen TV-Dokuserie.

Buchcover zeigt ein Graffiti

Ullstein Buchverlage

Oliver Stone, Peter Kuznick: Amerikas ungeschriebene Geschichte. Die Schattenseiten der Weltmacht. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Pfeiffer. Erschienen bei Propyläen

Weiße, männliche Geschichtsschreibung

Oliver Stone und sein Co- und insgeheim wohl Hauptautor Peter Kuznick lassen ihre Geschichtsdarstellung rund um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert beginnen. Dann dauert es 23 Seiten oder 16 Jahre, bis einem die erste Frau im Buch begegnet, Jeanette Rankin aus Montana, die 1916 als erste Frau in den Kongress gewählt wurde. Auch Stones „ungeschriebene Geschichte Amerikas“ ist eine Geschichte der weißen Männer. Wiewohl sich Oliver Stone und s Peter Kuznick sehr bemühen, die Außenpolitik der USA in ihren Auswirkungen zu beschreiben. Immer wieder streichen sie gekonnt hervor, wie sehr sich jene Politiker durchsetzten, die klar imperialistische Ziele verfolgt hätten. Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung der Bevölkerung in anderen Ländern ziehen sich durch diese Geschichte und die Autoren rücken das für die Knappheit des Buchs immer wieder ausdrücklich ins Bewusstsein.

In der Kürze erschreckend

Von Oliver Stones Betrachtung der jüngeren Zeitgeschichte der USA war der Journalist und Edward Snowden-Vertraute Glenn Greenwald angetan. Dieses Frühjahr kommt mit "Snowden" der neueste Spielfim Stones in die Kinos. Stone bezeichnet den Systemingenieur und Whistleblower Snowden als Helden

Auf diese internationalen Konflikte konzentrieren sich Stone und Kuznick, in ihrer Geschichtserzählung auch. Erschreckend sind dabei historische Parallelen zur Gegenwart. Etwa bei angewandten Foltermethoden: „Waterboarding“ setzten US-Amerikaner nicht erst in Guantanamo ein, sondern schon 1901 gegen Filipinos in einem Guerillakrieg. Keineswegs neu ist auch das Vorgehen der USA gegen Whistleblower, hier nennt Stone das Spionagegesetz von 1917 und das Volksverhetzungsgesetz von 1918 als zwei der repressivsten Richtlinien.

Was nicht wirklich aufgeht, ist die zu Beginn des Buchs dargelegte These. Durch die Präsidentschaftswahl 1900 hätte sich der Kurs der USA für das 20. Jahrhundert entschieden. Zur Wahl standen damals zwei Williams: der Demokrat William Jennings Bryan, war "überzeugter Antiimperialist" und hätte sich auf die USA allein konzentriert. Er wollte sich um Sozialreformen für die amerikanische Bevölkerung kümmern, während dem republikanischen Kandidaten William McKinley Freihandel als Kurbel für Wirtschaftsaufschwung vorschwebte. Präsident wurde William McKinley und die USA setzten ihren Expansionskurs fort und intervenierten in anderen Ländern.

"Wir widerstanden klugerweise der Versuchung, ein Kolonialreich zu errichten. Auch würden die meisten Amerikaner jede imperiale Bestrebung ihres Landes leugnen", schreiben die Autoren schließlich, während sie 400 Seiten hindurch versuchen, möglichst viele dieser in ihren Augen imperialen Unternehmungen zumindest zu erwähnen.

Auch was das Engagement amerikanischer Banken und deren Einfluss auf das Wettrüsten und eventuell gar Kriegsverläufe betrifft, würde man sich als LeserIn eine übersichtlichere Darstellung wünschen. Problematisch ist die Übernahme des amerikanischen Begriffs race ins Deutsche ohne Anführungszeichen in der ansonsten klaren Übersetzung.

Bis ins Jahr 1990 bietet "Amerikas ungeschriebene Geschichte" eine brauchbare Kurzfassung der Geschehnisse was bisher geschah, inklusive klug gewählter Anekdoten und ohne Pathos. Wer sich jedoch für die vergangenen letzten drei Jahrzehnte interessiert, sollte ein anderes Buch wählen.