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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

13. 1. 2016 - 11:55

Sexmob

Neulich rief M.s Mutter sie an, um sie zu vor den "geilen Flüchtlingsmännern" zu warnen.

Niemand mischt sich mehr in mein Leben ein, als die Mutter meiner lieben M. Wenn wir irgendwohin mit dem Auto verreisen, ruft sie jede halbe Stunde an um zu erfahren, wo wir gerade sind, wie wir uns fühlen und was wir gerade sehen.

Ihre Anwesenheit ist so stark spürbar, dass ich während der Fahrt manchmal nach hinten schaue, ob sie nicht doch auf der Rückbank sitzt und über uns wacht.

Sie ist eigentlich immer mindestens eine Stunde vor uns angekommen. Sie hat schon nachgeschaut, wie das Wetter sein wird, sie weiß, welche Straßen gerade repariert werden und welches Geschäft auch am Sonntag offen hat. Sie wacht wie eine Adlermutter über ihre Adlerküken. Genau wie eine Adlermutter bringt sie auch manchmal Geschenke für unser Nest. Sie kommt uns auch regelmäßig besuchen. Ich weiß nicht, ob das typisch für Adler ist. Und denkt jetzt bitte nicht, dass ich mich beschwere. Ich gebe damit an! Denn die Mutter von M. hat diesen Text gelesen, noch bevor ich ihn geschrieben habe.

Adlerhorst

CC-BY-2.0 / Steve Jurvetson / flickr.com/jurvetson

Neulich rief sie M. an, um sie zu vor den "geilen Flüchtlingsmännern" zu warnen. Sie hat aus den bulgarischen Medien über die Ereignisse der Silvesternacht in Köln erfahren. Vielleicht stellt sie sich die Situation in Wien so vor, dass man auf der Straße ständig von umzingelt ist. Andererseits verstehe ich ihre Angst: Zwei Wochen nach den Ereignissen bleibt die Information darüber spärlich, dafür häufen sich die Kommentare dazu wie eine Lawine. Und diese Lawine kann jeden nüchternen Blick verblenden. Sogar den Adlerblick von M.s Mutter.

Aus der Entfernung sieht alles noch gefährlicher aus. In Bulgarien gibt es viel weniger Flüchtlinge als in Österreich oder in Deutschland. Bulgarien ist ein armes Land, und niemand will eine Armut gegen eine andere austauschen. Die bulgarischen Behörden sind gegenüber Flüchtlingen negativ eingestellt und die Bevölkerung mag grundsätzlich niemanden der "anders" ist.

Wie kann ich der Mutter von M. erklären, dass M. nur ein einziges mal von einer Gruppe betrunkenen Männer sexuell belästigt wurde? Sie haben aber nicht "arabisch oder nordafrikanisch" ausgesehen. Das waren starke, blonde Arier-Burschen in karierten Hemden und Lederhosen. Sie schrien etwas in ihrem unverständlichen Dialekt und keine Worte auf Hochdeutsch konnten sie bändigen. Sie benahmen sich wie die Herren der Straße. Die Stärke war auf ihrer Seite. Trotzdem war ich bereit, mich mit denen zu schlagen. Bis man ein Polizeiauto in der Ferne sah. Dann liefen die Lederhosen weg. Es blieb nur ein starker Geruch nach Pisse. Denn während der eine Teil von der Gruppe sich auf M. stürtzte, war der andere Teil beim Pissen.

Ich frage mich, ob diese blonden Jungs jetzt auch zum empörten Chor gehören, der alle Migranten abschieben will. Denn plötzlich wurde Österreich voll mit Frauenrechtlern.

Das einzige, was ich der Mutter von M. sagen kann, ist dass es Behörden gibt und die soll man arbeiten lassen. Bezüglich aller Männer, die Frauen belästigen: die betrunkenen Migranten in Köln und die betrunkenen Jungs in Lederhosen.

Ich sage es ihr dann gleich selbst, denn bald wird sie uns besuchen um persönlich die Lage zu checken.