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Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

14. 1. 2016 - 13:27

Der langsame Tod der Kleinbauern

In Griechenland sind etwa 13 Prozent der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Tendenz sinkend. Der ganze Beruf ist wegen der neuen Sparmaßnahmen in Gefahr. Ein Besuch in einem Bauernmarkt auf Kreta.

Kostas Kapsomenakis und seine Arbeiter packen frustriert die vollen Kisten mit Klementinen und Blumenkohl wieder in den hinteren Teil des kleinen Lastwagens, der neben dem Stand von Kostas auf dem Wochenmarkt der Stadt Chania auf Westkreta geparkt ist. Auch heute, wie auch die vorigen Wochen und Monate, konnte er nur wenig von seinem Obst und Gemüse verkaufen. Anstatt sie wegzuwerfen, wird er die Ware jetzt an Suppenküchen und arme Familien der Stadt verteilen. Seit die harte Sparpolitik in Griechenland umgesetzt wird, hat sich die Kundschaft wesentlich reduziert. "Sie ist um mehr als 50 Prozent gesunken. Schauen Sie sich die Produkte auf den Bänken an. Es ist eine Katastrophe...", sagt Kapsomenakis.

Kapsomenakis

Chrissi Wilkens

Der 53-Jährige mit dem sonnengebräunten runden Gesicht ist Vorsitzender der Bauern, die auf den Märkten der Stadt ihre Produkte verkaufen. Neben der niedrigen Nachfrage sind die Landwirte auch mit einer Reihe von Steuererhöhungen konfrontiert, die sie kaum verkraften können, betont er. Die linksgerichtete Regierung von Alexis Tsipras hatte in den Verhandlungen mit den Gläubigern zugesagt, die Einkommenssteuer für Landwirte von derzeit pauschal 13 auf 26 Prozent zu verdoppeln, ihre Rentenbeiträge zu erhöhen, Vergünstigungen bei der Dieselbesteuerung zu streichen sowie eine neue Weinsteuer einzuheben. Im Rahmen der Rentenreform sollen die Sozialbeiträge der Landwirte ab 2017 beinahe verdreifacht werden.

Über die Maßnahmen soll demnächst im griechischen Parlament entschieden werden. Schon mehrmals protestierten die Landwirte dagegen. Seit Mittwoch wird in mehreren Orten Griechenlands protestiert, insbesondere gegen die Auswirkung der Rentenreform für die Landwirte.

Besorgt verfolgt Kapsomenakis die Debatten über die neuen Maßnahmen und meint, dass er und die anderen Landwirte Griechenlands dann wohl nicht mehr von diesem Beruf leben werden können. "Dann wird es Importe geben, aus verschiedenen Drittländern außerhalb der EU - was bereits der Fall ist -, die günstiger produzieren können. Das wird uns vernichten und die Großhändler werden Gewinn machen".

Am Stand gegenüber steht Theodoros Katelanakis. Er hat seine Produkte noch nicht weggeräumt und wartet trotz der späten Mittagsstunde geduldig weiter auf KundInnen. Der blonde Mann mit dem dichten Bart beschloss vor der Krise, seine Arbeit in Athen aufzugeben und als Bauer auf den Feldern seiner Familie zu arbeiten. Zwei Hektar gehören ihm, weitere vier vermietet er. Doch die hohen Preise und die anstehenden Maßnahmen lassen auch ihn an der Zukunft dieses Berufs zweifeln. Wie auch andere Landwirte in Griechenland fürchten er und Kostas, dass sie gezwungen werden, ihre Felder an Großhändler oder multinationale Konzerne zu verkaufen. Und das, obwohl die Landwirtschaft trotz der Krise und der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten neben dem Tourismus ein sehr wichtiger Sektor für die griechische Wirtschaft ist. In Griechenland liegt der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche bei 82 Prozent, während der EU-Durchschnitt 52 Prozent beträgt. Und hier leben 44 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Gebieten, EU-weit nur 23.

Theodoros Katelanakis

Chrissi Wilkens

Theodoros versucht optimistisch zu denken, aber es fällt ihm schwer. "Die Kleinbauern werden sowieso verschwinden. Und die Landwirte werden 3-4 Prozent der Bevölkerung sein. Nur die Großhändler werden auf dem Markt bleiben. Sie können diese Maßnahmen ertragen. Der kleine Produzent hält es nicht aus."

Theodoros steht nachdenklich vor dem Berg Karotten. "1,50 das Kilo" steht auf einem kleinen Pappkarton am Stand. Davon macht er 30 Cent Gewinn, erklärt er. Seitdem im Sommer die Mehrwertsteuer auf landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut und Dünger von 13 Prozent auf 23 Prozent erhöht wurde, ist die Produktion unerträglich teuer geworden. Das Einkommen der Landwirte schrumpft immer weiter. "Manchmal können wir vom Tageslohn nicht mal die Milch für unsere Kinder zahlen", sagt Theodoros. Trotz der schwierigen Lage denkt der 45-jährige gar nicht daran, nach Athen zurückzukehren. Schließlich kann er seine vier Kinder noch vom Feld ernähren, auch wenn er keine Arbeit mehr hat.

Auch Kostas will seinen Beruf nicht aufgeben. Er hat nichts anderes gelernt und dieser Beruf bedeutet ihm viel, auch wenn er manchmal vom frühen Morgen bis spät am Abend auf dem Feld sein muss und seine Produkte oft durch schlechtes Wetter ruiniert werden. "Es ist mein Leben. Ich mag diese Arbeit. Auf dem Land zu arbeiten ist etwas Kreatives. Wenn man empört und traurig ist und etwas Kreatives macht, beruhigt es einem. Und dies ist gut. Man setzt einen Samen und daraus wird eine Pflanze, von der man sich ernähren kann. Dies ist Leben."

Ein paar Kilometer weiter, vor der Präfektur der Stadt, findet eine von vielen Demonstrationen statt, die die Landwirte in den letzten Monate organisieren. Müde stellen ein paar von ihnen Transparente vor dem Gebäude auf.

Giorgos Venetakis ist Züchter. Er sagt, dass viele Landwirte nur von ihrem kleinen Einkommen überleben können, weil sie vor allem ihre eigenen Produkte konsumieren oder mit anderen Landwirten austauschen. Deshalb überrascht es ihn nicht, dass fast 90 Prozent der Griechen mit landwirtschaftlichen Einkommen angeben, weniger als 5000 Euro jährlich zu verdienen. Auch er sieht in den geplanten Maßnahmen einen weiteren Schlag für die kleinen Landwirte und ihre Produkte: "Die kleinen Betriebe mit den reinen Produkten müssen bestehen bleiben, mit der Unterstützung des Staates. Man kann doch nicht die kleinen Bauern und Züchter vom erstem Euro an, den sie verdienen, besteuern! Das ist eine eklatante Ungerechtigkeit."