Erstellt am: 13. 1. 2016 - 15:43 Uhr
Schöne alte neue Welten
Mehr Spielkultur:
Es gab ja früher eine Zeit, da waren klassische japanische Rollenspiele richtig groß. Diese imposanten Monstren der rundenbasierten Kämpfe und bunten Spielwelten. Allen voran "Final Fantasy", der Schirmherr des Genres während der großen PlayStation-Ära, mit seinen zahlreichen Spielen und sogar Filmen, die auch hierzulande ausgestrahlt wurden.
In den letzten Jahren ist es aber nicht nur um das JRPG-Genre etwas leiser geworden, sondern auch um den japanischen Spielemarkt prinzipiell. "Die Mainstream-Spieleindustrie in Japan ist wie ein großer Baum, der gerade angefangen hat zu welken. Sie steht noch stark, und ist noch nicht komplett zusammen gebrochen, aber es geht ihr auch nicht gut", so drückte beispielsweise Mega Man-Miterfinder und Videospiellegende Keiji Inafune vor ein paar Jahren seinen Pessimismus aus.
Dank Spielen wie FromSoftwares "Bloodborne" und Hideo Kojimas "Metal Gear Solid V" lässt sich eine Rückkehr der japanischen Spieleindustrie zumindest erahnen, zahlreiche Unternehmen richten ihren Fokus mittlerweile aber auf portable Games für den vor allem in Japan besonders beliebten Nintendo 3DS und vor allem auch den Mobile Gaming-Sektor. Mancherorts wird aber bereits an der Rückkehr der großen, epischen Rollenspielwelten gearbeitet. So sind noch für dieses Jahr neue Teile der "Final Fantasy"- und "Dragon Quest"-Reihen angekündigt, ein neuer Teil des Disney-Crossovers "Kingdom Hearts" und ein Remake des Kult-Klassikers "Final Fantasy VII" sind außerdem geplant.
Bereits jetzt erhältlich ist ein erster Vorbote des JRPG-Revivals, das exklusiv für Nintendos Wii U erschienene Rollenspiel "Xenoblade Chronicles X". Und wie so viele andere Spiele seiner Art ist "Xenoblade" einerseits ein triumphales, bombastisches Erlebnis, andererseits ein Beispiel für die leicht angestaubten Mechaniken des Genres.
Die Story ist dabei relativ schnell erzählt und voll mit typischen Rollenspiel-Abziehbildchen: Bei einer außerirdischen Attacke wurde die Erde zerstört, die letzten überlebenden Menschen treiben auf einem Raumschiff durchs Weltall. Bei einer Alien-Attacke stürzt das Schiff auf einem Planeten ab – für die Menschheit beginnt somit ein Überlebenskampf in einer unbekannten Umgebung. Im Laufe des Spiels lernt man so immer mehr über die neue Welt, seine Bewohner, aber auch seinen eigenen Charakter.
Nintendo
"Xenoblade" ist ein Spiel des Entdeckens, des stundenlangen Herumlaufens in einer gigantischen Welt, bevölkert von seltsamen Kreaturen und bizarren, außerirdischen Mysterien. Gameplaytechnisch bedeutet das relative Freiheit in der eigenen Bewegung, ähnlich solchen Spielen wie "Fallout" oder "Skyrim". Sieht man irgendwo in weiter Entfernung einen Berg, ein außerirdisches Monument oder eine fliegende Insel ist es sehr wahrscheinlich, dass man dort auch hinlaufen und Geheimnisse entdecken kann.
In der Praxis ist "Xenoblade" somit ein Spiel des langen Zeit-Investments. Beispielsweise werden gleich zu Beginn spielbare Kampfroboter als zentraler Fokus des Spiels vorgestellt, gigantische an Transformers oder Evangelion erinnernde Mechs, die sich von Spielerhand steuern lassen. Bis man zum ersten Mal am Steuer eines solchen Roboters sitzen darf, vergehen aber schon mal um die dreißig Stunden an Spielzeit. Denn die Hauptstory von "Xenoblade" geht nur dann weiter, wenn auch verschiedenste Nebenquests erfüllt werden.
Das Entdecken der Umwelt ist im Spiel nicht nur eine schöne Nebenbeschäftigung, sondern eine der Hauptaufgaben: Pflanzen müssen gesammelt, die diversen Spiel-Kontinente kartographiert und verwaltet werden. Dementsprechend dauert es schon mal um die hundert Stunden bevor man erst so richtig an das Finale des Spiels denken kann.
Nintendo
"Xenoblade Chronicles X" ist somit kein Spiel für jeden. Die Spielwelt ist überwältigend riesig und auf Tutorials wird großteils verzichtet. Die Story ist simpel und verlässt sich zu sehr auf klassische Rollenspielstereotype. Und manche Spielmechaniken wirken im Vergleich zu den eher cineastisch inszenierten Games der letzten Jahre etwas altbacken.
"Xenoblade Chronicles X" ist für Nintendos Wii U erhältlich.
Trotzdem: "Xenoblade" ist ein Titel, in dem sich 50 Stunden Spielzeit anfühlen, wie fünf. Den man immer wieder aufdreht, um in die faszinierende Welt des Alien-Planeten einzutauchen. So unterhaltsam sind das kreative Spieldesign, der surreale Artstyle und die unzähligen Nebenaktivitäten, dass Langeweile auch nach dutzenden Spielstunden nicht aufkommt. Ein altmodischer, aber charmanter Titel in einer atemberaubend umgesetzten Spielwelt, die voll ist mit großen Momenten des Staunens.