Erstellt am: 12. 1. 2016 - 15:42 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 12-01-16.
#demokratiepolitik #koelnbhf
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.
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Heute ab 21.00 in FM4 Auf Laut diskutiert Elisabeth Scharang über die Alltäglichkeit von sexueller Gewalt und Übergriffen gegen Frauen. Im Studio zu Gast ist die Autorin und feministische Aktivistin Helga Pregesbauer, die sich mit Sexarbeit, Vergewaltigung und Rape Culture beschäftigt und die Kulturwissenschaftlerin Claudia Schneider, Expertin für Unterdrückung, Abwertung und Gewalt gegen Frauen und "untypische" Männer.
Die Nummer ins Studio zum Mitdiskutieren: 0800 226 996
Zugegeben, ich bin im Vorteil. Ich bin (wegen Familiengeschichte) immun gegen die Verlockungen der nach den #kölnattacks aufgepoppten '16er-Version des beharrlichen Selbstermächtigungs-Narrativs von den hehren Werten des deutschsprachigen Europa, die es vom kulturell unbelehrbaren Morgenland abgrenzt.
Ich kann die destruktive Wucht der perfidesten Täterkultur aller Zeiten noch zu deutlich sehen unter der allzu dünnen zivilisatorischen Oberfläche.
Das macht die Untaten, die Asylwerber begehen, nicht ungeschehen und relativiert gar nichts. Es bewahrt mich nur vor dem Gipfel der Verlogenheit: der Selbsttäuschung eine höhere Moral zu besitzen und das - unter Vorspiegelung einer nötigen Verteidigungshaltung - mit kreuzritterhafter Gewalt zu manifestieren.
Köln als Sicherheitsnetz fürs angestaute Saurauslassen
Die Kölner Silvesternacht mit ihrer organisierten Gewalt gegen Frauen und der danach erfolgte uproar in sozialen und anderen Medien hat niemanden, der bisher schon eine Position hatte, vom Gegenteil überzeugt. Die Geschehnisse erlauben es aber jenen, die sich eh schon positioniert hatten, das aber nicht öffentlich kundtun wollten, sich ganz gefahrlos zu exponieren. Die Kölner Ereignisse sind quasi das Sicherheitsnetz unter dem Trapez, auf dem jetzt deutlich mehr Menschen als noch am 31.12. ihren Meinungen freien Flug lassen.
Die Erregung hilft bei der Vermengung von eigentlich nicht Mischbarem: von Kriegsflucht, Asylanspruch und verbrieften Menschenrechten auf der einen und von ökonomischen Abstiegs-Ängsten und Misstrauen gegenüber Politik, Eliten und Medien auf der anderen Seite. In der Schnittmenge steht "der Flüchtling", der Ausländer, der nicht nur unsere Arbeitsplätze, sondern jetzt auch noch unsere Frauen betatschen will. Das machen wir aber selber; und besser.
Wenn die Aktivistinnen, die seit Jahr und Tag die permanente schmierige Übergriffigkeit einer Männergesellschaft thematisieren, genau hier einhaken, werden sie ein zweites Mal (diesmal mit verbalem Hohn) sexuell belästigt. Federführend von Gruppen, denen Frauenrechte weit am Arsch vorbeigehen.
Schmierige Übergriffigkeiten zweiter Ordnung
Spätestens in diesem Stadium hat sich die Debatte in Ableitungen hineinhysterisiert, die nur noch von Verschwörungs-Theoretikern eingefangen werden können. Auf allen Seiten: von einem Kartell des Schweigens zwischen Politik, Exekutive und Medien wird genauso blauäugig erzählt wie von Pegida/AfD-nahen Planern als Anstifter der Übergriffe.
Genauso dumm wie die Taten kleinzureden ist es die kulturellen Anpassungsprobleme der Migranten (manchmal auch egal welcher Generation) außer Acht zu lassen. Die (sexualisierte) Übergriffigkeit, die etwa in Indien oder Ägypten zu beobachten ist (und am ehesten mit rigiden Gesellschaftsmodellen zu erklären wäre) als kleine Zugabe mit zu importieren geht genauso wenig wie Djihadimus, antidemokratische oder menschenrechtswidrige Aktionen zuzulassen. Das geht aber nicht mit Zurückweisungen oder Obergrenzen, nicht mit ewig dauernden Verfahren der Statusklärung und schon gar nicht mit einem Generalverdacht; vor allem gegenüber ohnehin traumatisierten Kriegsflüchtlingen. Sondern mit Vorbild-Wirkung, glaubhafter. Die im Fall einer Augenzwinker-Kultur der sexuellen Übergriffigkeit (auch in Österreich dank solcher Mandatare) halt in zu geringem Umfang gegeben ist. Da wäre zuerst eine schnell machbare und auch selbstreinigende Positions-Klärung angebracht, die Maßstäbe für alle, die teil der neuen Gesellschaft werden wollen, setzt.
"Jetzt reicht's aber mit dem was sich die Zuwanderer leisten"
Wie gesagt: es hilft gegen die permanente Entrüstung einer scheinbar zivilisierten (zumindest für ein paar wenige Jahrhunderte) autochtonen deutschsprachigen Bevölkerung und ihre Beteuerungs-Arien der kulturellen Überlegenheit immun zu sein.
Und deshalb nicht in diese extraprimitive Honigtopf-Falle zu tapsen, sich einer "Na jetzt ist es aber wirklich genug mit dem was sich die Zuwanderer leisten"-Stimmung anzuschließen, deren populistisches Hochköcheln ganz schnell in Pogrome (um den Außenfeind, den Fremdländer niederzuwerfen) und autoritäre Strukturen (um den Innenfeind, den Gutmenschen auszuschalten) münden kann.