Erstellt am: 22. 1. 2016 - 11:52 Uhr
Von Erdäpfeln und Pornos
ORF/Andreas Friess
Mehr Buchtipps auf fm4.orf.at/buch
Hermes Phettberg, die ORF-Ikone der 90er, der Provokateur, der Intellektuelle, der Schwule, der Masochist, der Katholik, der Elende aus Gumpendorf - er lebt, auch wenn er von vielen vergessen wurde. Dass es aber wirklich stimmt, davon kann man sich nun in einem wunderbar gezeichneten Comic namens "Blue Jeans - der Phettberg Comic" überzeugen.
Das viel zu kurze Büchlein spielt genau zu der Zeit als "Der Papst ist kein Jeansboy", eine Dokumentation über Hermes Phettberg, im Spittelbergkino lief. Jeden Abend schleppt sich Phettberg mit seinem Rollator auf den Spittelberg, sieht sich selbst im Kino an, beobachtet das Publikum und schnorrt sich dann auch schonmal Taxi-Geld von den wenigen Besucher_innen. Es ist eine Tortur, wie sein ganzes Leben eine ist.
Boys in Blue Jeans
Wir sind dabei wenn Phettberg in seine Jeans masturbiert, wenn er sein Lieblingsgericht "Petasüerdäpfln" verspeist und preist, oder auch wenn seine Betreuerin von der Volkshilfe Frau Glöbbl kommt - eine häufig auftauchende Nebendarstellerin im Comic - die Phettbergs Pflanzen gießt, mit ihm essen geht und ihm beim Duschen hilft. Ein Umstand, der in Phettbergs Aufzeichnungen - ganz Pastoralassistent, der er einst war - als "Waschung" bezeichnet wird.
Walter Fröhlich / Hermes Phettberg
Mitleid braucht es hier nicht. Im nach einigen Schlaganfällen schwer geschwächten Körper Phettbergs steckt noch immer der wache und wunderbare Geist, für den ihn seine Fans bis heute verehren. Die täglichen Erlebnisse Phettbergs sind vielleicht oft einsam und traurig, aber genauso oft spannend und voller (Lebens-)Lust. Vor allem dann, wenn es um das Objekt seiner Begierde, junge Boys in engen Jeans, geht. So wie hier bei einem Turbodeli-Konzert:
Walter Fröhlich / Hermes Phettberg
Der Lebens-Wunsch von sexy Jeansboys ausgepeitscht zu werden, wurde ihm dann 2015 sogar erfüllt, wenn auch nur als Performance im Berliner Berghain.
Walter Fröhlich
Ein Muss
Der Comic wurde als Crowdfunding-Projekt gestartet und hat sein Funding-Ziel deutlich überschritten. Die Texte kommen aus der Feder Hermes Phettbergs selbst, in seinen täglichen Gestionen auf phettberg.at steckt wohl Potential für mehrere hundert weitere Ausgaben. Die Zeichnungen von Walter Fröhlich sind schwarz/weiß und hie und da mit einem kühlen hellblau ausgestattet, wie ausgewaschene Jeans eben. Wer sich mit Queerness, Sexualität, Österreich, Katholizismus, dem Älterwerden und mit Erdäpfeln beschäftigt, muss diesen Comic lesen. Alle anderen auch.
"Man muss zu seiner Peinlichkeit akurat stehen." - nach dieser Weisheit von Hermes Phettberg, aus einem Interview mit Harald Schmidt 1996, wird auch in diesem Comic ausgiebigst gelebt. Ja, es wird gelebt - denn Hermes Phettberg, der Große, lebt.