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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

10. 1. 2016 - 15:39

Helden für einen Tag

Das Beste an der David Bowie Album-Release-Party in Berlin waren seine Fans.

Bowie not in Berlin

Der Star des Abends war abwesend und trotzdem allgegenwärtig. Die Hansa Tonstudios hatten am vergangenen Freitag zu einer Release-Party des neuen Bowie-Albums "Blackstar" geladen. Im Vorfeld der Verantstaltung munkelte man, der öffentlichkeitsscheue Wahl-New-Yorker würde vielleicht zu diesem Anlass doch an die Stätte seiner Berliner Heldentaten zurückkehren, aber er war natürlich nicht gekommen.

David Bowie

Jimmy King

Der abwesende Blackstar

Im prächtigen Meistersaal der Studioanlage hatte Bowie 1977 gemeinsam mit Brian Eno, Robert Fripp und Tony Visconti sein Meisterstück "Heroes" aufgenommen. Der ehemalige Tanzsaal für SS-Offiziere verfügt über eine hervorragende Akustik und wurde wegen seiner Dimensionen und der Sichtnähe zur DDR-Mauer vom Studiopersonal und den Musikern "the big hall by the wall" genannt. Es war hauptsächlich dieses Studio mit den hohen Fenstern und dicken Vorhängen, warum ich an diesem Abend angetanzt kam. Ich wollte sehen, wo Bowie Popmusikgeschichte geschrieben hatte und wurde diesbezüglich nicht enttäuscht. Der Meistersaal ist beeindruckend - sehr sogar.

Da der dünne weiße Herzog an diesem Abend, an dem er auch seinen 69. Geburtstag feierte, in Berlin fehlte, versuchten die Veranstalter, das Rahmenprogramm zur Hauptattraktion zu machen. Tony Visconti meldete sich mit einer Videobotschaft aus New York. Er wünschte den Fans ein aufregendes Hörerlebnis bei der anschließenden Listening-Session von "Blackstar" und hoffte, dass Bowie zumindest bei der von Visconti gehosteten Party in Manhattan auftauchen würde. Dann deutete er auf ein Foto im Hintergrund, das ihn und Bowie beim Skifahren in den Schweizer Alpen zeigt.

Ein Abend der Ankedoten

In dieser Tonart ging es weiter. Die ehemaligen Hansa-Studiotechniker Eduard Meyer und Peter Burgon erzählten Schnurren über die zum Mythos geronnenen Bowie-Jahre in Berlin und bei Hansa. So verkabelte Brian Eno das Klo im Vorraum mit Mikros, um die Spülung aufzunehmen. Meyer musste für Iggy Pops Album "Lust For Life" in den Keller ausweichen – der Meistersaal war von einer gewissen Nina Hagen gebucht. Im Studio herrschte striktes Drogenverbot, nur ein Kasten Schultheiss war erlaubt. Bowie ging einmal hinter dem berühmten Steinway-Flügel in Deckung, weil Meyer die aus einem Wachturm herüberstarrenden DDR-Grenzsoldaten mit einem Scheinwerfer neckte.

Im Anschluss gab der Bowie-Tribute-Barde Paul Henderson, der mich eher an Paul Young erinnerte, ein akustisches Konzert, das die ersten Fans in die Knie zwang und den inneren Bowie-Pop-Fan in mir zum Gefrieren brachte. Das Beste an dieser von zahlreichen Bowie-Bildnissen ausstaffierten Familienfeier waren aber ohnehin die Fans. Kaum jemand unter 50, dafür grell geschminkt, toll herausgeputzt und in mehr als ausgelassenen Feierstimmung, retteten sie sich selbst den vom Programm her eher mauen Abend. Sie waren Helden für eine Tag.

Nachtrag - Berlin is Weeping today