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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

7. 1. 2016 - 17:14

Moderne Spielkulturforschung

Seit rund 20 Jahren beschäftigen sich die Geistes- und Sozialwissenschaften mit Computerspielen. Die sogenannten Game Studies haben klein begonnen, wachsen aber beständig.

In der Urzeit der Game Studies gab es einen kennzeichnenden Konflikt der Marke Mods gegen Rocker: Auf der einen Seite waren die Ludolog/innen, also jene Forscher/innen, die der Meinung waren, das Wesen eines (digitalen) Spiels läge in den Regeln und Mechaniken. Präsentation und Erzählung wären Nebensache. Dieser Auffassung gegenüber standen die Ansätze der Narratolog/innen, die Erzählung und Setting als zumindest gleich relevant wie das Spieldesign gewertet haben.

Bücher zum Thema Game Studies

Eugen Pfister

Ich war Ludologe. Mein wissenschaftliches Vorbild war der junge dänische Forscher Jesper Juul, der seine Thesen und Analysen immer sehr bildhaft und gut nachvollziehbar erläutert hat (und das weiterhin tut). Es waren die frühen 2000er Jahre, eine Zeit, in der es viele für notwendig erachtet haben, Games als etwas völlig Eigenständiges zu sehen. Die Maxime lautete: Erst mal ist es nicht notwendig, andere Medien ins Boot zu holen - sehen wir uns doch erst mal an, was digitale Spiele liefern, das die anderen Medien nicht leisten können.

New Game Studies

Lesetipps (zum Einstieg) von Eugen Pfister:

Der ludologische Zugang ist weiterhin sehr stichhaltig, aber auf lange Sicht eindeutig zu einschränkend. Ein Umstand, der sich bei den Game Studies über die Jahre nicht verändert hat, ist die Interdisziplinarität. Egal, ob ein/e Forscher/in aus der Philosophie, der Psychologie, der Kommunikationswissenschaft, der Pädagogik oder der Politikwissenschaft kommt: die Beschäftigung mit Spielen und der Austausch mit anderen Forschungsfeldern liefern oft sehr interessante Erkenntnisse, die oft auch neue Perspektiven im jeweils eigenen Feld eröffnen.

Eugen Pfister

Eugen Pfister

Die wissenschaftliche Disziplin des Wiener Forschers Eugen Pfister ist die Geschichte: der junge Historiker ergründet gerne seine eigenen privaten Interessen und geht der jeweiligen Faszination anschließend wissenschaftlich nach. Seine Magisterarbeit etwa drehte sich um Piraten, in seiner Dissertation hat er sich anhand der Analyse von Wochenschauen mit dem Thema europäische Integration beschäftigt. Bei Games interessiert ihn unter anderem die Frage, wie politische und kulturelle Identitäten konstruiert und kommuniziert werden. Eugen Pfister ist damit, wenn man so möchte, der klassische Game-Studies-Mensch: Er hat eine Heimatdisziplin und vernetzt sich davon ausgehend mit anderen interessierten Wissenschafter/innen, die ebenfalls zu Games-Themen forschen. Man gründet Arbeitskreise, organisiert Synposien, publiziert Sammelbände. Alles viel einfacher in Zeiten von Twitter und Facebook, meint Pfister im FM4-Interview, der übrigens als Social-Media-Beobachter für eine Medienagentur arbeitet und deshalb einen praktischen Startvorteil beim wissenschaftlichen Austausch mitbringt.

Großes Forschungsfeld

In den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich digitale Spielkultur stark verbreitert. Spiele sind in unterschiedlichster Ausformung auf verschiedenartigen Systemen verfügbar, Weltenbauspiele wie "Minecraft" machen Gamer selbst zu Designer/innen und die "Let's Play"-Kultur wiederum wandelt das aktive Medium in ein passives um. Eine große Menge an Themenfeldern also, die die neuen Game Studies da zu beforschen haben. Je mehr man sich dieser Reichhaltigkeit bewusst wird, desto überholter wirkt die ursprüngliche Ludologie-versus-Narratologie-Debatte.

Eugen Pfister betreibt den Blog "Spiel Kultur Wissenschaften - Mythen im digitalen Spiel".

Am Montag, 11.1. findet in Wien die Veranstaltung "Spiel, Spaß, Ernst. Computerspiele zum Thema Flucht" statt.

Dennoch, dieser alte Konflikt würde in der deutschsprachigen Spielkulturforschung weiterhin gerne erwähnt, kritisiert Eugen Pfister. Das passiert vor allem deshalb, um sich mit den eigenen Zugängen einen sofort erkennbaren Distinktionsgewinn zu verschaffen. Auch langwierige Abschnitte über Methoden und die ewige Grundsatzfrage "Was ist ein Computerspiel?" würde den relevanten Diskurs innerhalb der Game-Studies-Forschung unnötig bremsen. Dieser Ballast sollte einen aber nicht davon abhalten, sich mit den vielen, sehr interessanten aktuellen Texten der neuen Spielkulturforschung auseinanderzusetzen.

"Die praktischen Teile sind für alle furchtbar interessant. Ein Fehler, den vor allem die deutschsprachige Geisteswissenschaft hat, ist, dass wir da immer noch zu sehr beweisen müssen, dass wir alles gelesen und uns ganz intensiv mit der Methode auseinandergesetzt haben. Danach kommt aber die Praxis, die das alles meist besser erklärt."

FM4 Games - Interview mit Eugen Pfister