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7. 1. 2016 - 20:12

Kuba - Zurück in die Zukunft?

Seit dem Tauwetter zwischen den USA und Kuba beginnt sich auf der Insel vieles zu ändern. Von Skype-Telefonaten nach Florida bis zur weltweiten Vermarktung kubanischer Musik.

Von Philipp Landauer

Diesen Sommer wirkte es so, als würden die Uhren auf der karibischen Insel wieder zu ticken beginnen, nachdem sie - zumindest was die Postkarten-Idylle nahelegt - seit den Fünfziger Jahren stillgestanden waren.

Oldtimer am Strand in Kuba

Philipp Landauer

Im August humpelte US-Außenminister John Kerry auf seinen Gehstock gestützt in Richtung Rednerpult, direkt hinter ihm, am Malecon, stehen malerisch drei Chevrolet-Oldtimer. Dann hält er eine Lobrede auf die Bemühungen Barack Obamas zur Lockerung des Embargos und schließlich hissen dieselben drei US-Soldaten die Fahne vor der US-Botschaft in Havanna, die sie 1961 am selben Ort eingeholt hatten.

Kubanische Flagge vor Hochhaus

Philipp Landauer

Kuba, die kleine Karibik-Insel, konnte sich mal mehr, mal weniger gegen den Einfluss des riesigen Nachbarn, die Vereinigten Staaten von Amerika, behaupten. Pepsi, Coca Cola, McDonalds und Co. haben hier nie Einzug gehalten und nun - nun könnte alles gleichzeitig hereinplatzen: Die Reisebeschränkungen für US-Bürger werden gelockert und Kuba soll als Wirtschaftsstandort für US-Unternehmen zugänglich gemacht werden.

Bevor die Amerikanisierung einsetzt, also noch einmal das unverwechselbare Kuba erleben: Siebzig Jahre alte Autos brummen und knattern durch die von Kolonialbauten gesäumten engen Gassen Havannas, an jeder Ecke ist Musik zu hören, alte Männer sitzen mit dicken Zigarren vor ihren Häusern und verströmen Gelassenheit und Lebensfreude.

Vor Ort scheint es allerdings, als habe ein Stück Westen bereits in Kuba Einzug gehalten: In vielen Oldtimer-Taxis hängen Flatscreens, um Musikvideos abzuspielen. Auf den Straßen herrscht westliche Hektik. Und auch hier starren viele Leute unentwegt auf ihr Smartphone, vor allem nachts. Wenn es zu dämmern beginnt und die Luft ein wenig abkühlt, treffen sich Menschen mit Smartphones auf den Plätzen und skypen mit Verwandten in Florida. Das geht, seit die kubanische Regierung 2015 das Internet teilweise akzeptiert und im ganzen Land auf großen Plätzen öffentliche W-Lan-Hotspots eingerichtet hat. Das ist das neue Statussymbol in Kuba: Bei einem Durchschnittsgehalt von zwanzig Euro im Monat fünf Euro für eine Stunde Internet zu bezahlen und mit den Verwandten skypen zu können. Allerdings ist das auch schon das höchste der Gefühle, denn immer noch sind die meisten Internetseiten für Kubaner gesperrt.

Während es in Europa großes Aufsehen gibt, wenn in der Türkei oder China wieder einmal Facebook gesperrt wird, können die Kubaner damit kaum etwas anfangen. Kuba ist eines der Länder mit dem schlechtesten Internetzugang der Welt. Die kubanische Regierung verweist hier auf fehlende Technik. Das Glasfaserkabel von Venezuela nach Kuba und die vergleichsweise hohe Datenübertragungsrate im September, als der Papst zu Besuch war, zeugen von einem anderen Stand der Dinge. Der Staat hat seine Kinder der Revolution fest in der Hand und bestimmt nach wie vor, welche Informationen ins Land kommen und welche es wieder verlassen. Auch als europäischer Tourist ist man betroffen: Hat man mit dem eigenen Smartphone zu viele Nachrichtenseiten angewählt, kann man irgendwann gar keine Internetseite mehr aufrufen. "Diese Seite ist gesperrt", heißt es dann.

Cuba's next revolution: Streamed or televised?
Johnny Bliss about the changes in Cuba.

Die kubanischen Revolutionäre glauben immer noch eisern an die kommunistischen Ideen der fünfziger Jahre. Alles, was dem widerspricht, ist konterrevolutionär. Kunst in jeglicher Form, sei es Literatur, Malerei oder Musik, muss der Revolution untergeordnet sein. Alles ist institutionalisiert und wird kontrolliert. Vor allem die Musik wird genauestens unter die Lupe genommen. Denn die kubanische Musik und ihre Künstler werden von der Regierung als moralische Instanz verstanden. Im Dienste des Staates war Musik zur moralischen Formung einer sozialistischen Gesellschaft lange Zeit das Versuchskaninchen von Fidel Castro, wenn auch mit sehr widersprüchlichen Ergebnissen.

So weigerte sich Kuba jahrelang, das internationale Copyright der Musikbranche anzuerkennen. Vermutungen dazu gibt es viele. Am plausibelsten scheint die Erklärung zu sein, viele Exilkubaner in den USA nach Inkrafttreten des Embargos weiterhin kubanische Musik verkauften - allerdings unter dem amerikanischen Namen Salsa. Die eigentlichen Schöpfer dieser Musik saßen jedoch auf Kuba und sahen aufgrund des Embargos auch keinen Cent an Tantiemen. So isolierten die USA gleich einen ganzen Kulturzweig der Kubaner vom Weltmarkt. Das internationale Copyright nicht anzuerkennen scheint daher mehr eine Trotzreaktion der Kubaner gewesen zu sein.

EGREM-Studios in den Buena Vista Social Club ihr berühmtes Album aufgenommen haben

Philipp Landauer

EGREM-Studios in den Buena Vista Social Club ihr berühmtes Album aufgenommen haben

Seit vergangenem September läuft der Hase allerdings wieder anders: Sony und EGREM haben einen Vertrag unterzeichnet, der es Sony ermöglicht kubanische Musik zu vertreiben, die jahrelang unter Verschluss gehalten worden war. Der Managing-Direktor von Egrem, Mario Escalona Serrano, erhofft sich davon "den bestmöglichen Schwung für den Vertrieb von kubanischer Musik". Man darf gespannt sein, was die kubanische Musikbranche von sich hören lassen wird.

Weltweit sorgt gerade der Reggaeton für Aufsehen, ein Musikstil, der in Kuba maßgeblich mitgeprägt wurde. Die kubanische Regierung überlegt sich allerdings gerade, wie sie den Reggaeton am besten verbieten oder zumindest von kulturellen Einrichtungen fernhalten könnte. Die Musik sei obszön und würde keine kubanischen Werte transportieren.

Bei der Bevormundung ihrer Bürger scheint die Castro-Regierung also noch nicht gewillt, die Zügel aus der Hand zu geben. Und auch die Amerikaner sind es nicht: Bei der letzten UN-Vollversammlung im Oktober stimmten die USA gegen die Aufhebung des Embargos, 191 UN-Mitgliedsländer stimmten dafür. In Kuba wird die Zeit wahrscheinlich noch weiterhin stehen bleiben.

Österreich ist jedenfalls schon in Kuba angekommen, oder zumindest ein österreichisches Unternehmen. Die Brauerei Salm aus Wien unterstützt die kubanischen Bierbrauer mit Material und Zutaten aus Österreich. In Havanna und in Santiago de Cuba steht bereits eine Brauerei.