Erstellt am: 5. 1. 2016 - 15:19 Uhr
Neues Jahr, neues Strafrecht
Kleinere Änderungen im Strafrecht hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben. Die letzte große Reform liegt aber bereits vierzig Jahre zurück. Damals gab es einige Neuerungen, die mittlerweile als selbstverständlich gelten. Doch mit den Jahrzehnten hat sich auch die Gesellschaft weiterentwickelt, was eine neue, umfangreiche Reform nun notwendig gemacht hat.
Laut Justizministerium brauchte es im Strafrecht "eine bessere Relation zwischen den Vermögensdelikten einerseits und den Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit sowie die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung andererseits". Betont wird außerdem, dass der "höchstpersönliche Lebensbereich" stärker geschützt werden müsse. Über 200 Tatbestände habe man daher "zeitgemäß überarbeitet".
So wurde zum Bespiel "Verhetzung" neu definiert und soll ab jetzt strenger geahndet werden. Ergänzt wird das StGB auch um neue Tatbestände, zum Beispiel im Bereich Cyberkriminalität.
APA/ROLAND SCHLAGER
Neue Tatbestände und Definitionen
Interessanterweise gab es im Strafrecht tatsächlich einige Lücken, die bislang nicht geschlossen wurden.
Unter Strafe steht künftig zB Skimming bzw. das "Ausspähen von Daten unbarer Zahlungsmittel" (also Bank- oder Kreditkarten). Dass es dafür noch keinen Paragrafen gegeben hat, ist kurios, gibt es doch Bank- und Kreditkartenbetrug schon beinahe so lange, wie es diese Zahlungsmittel gibt. Was es aber noch nicht so lange gibt, sind die NFC-Chips, die in neueren Karten verbaut werden. Aber auch da konnte ein Wiener Programmierer bereits vor zwei Jahren zeigen, dass dieses System Schwachstellen besitzt und dass gewisse Daten von NFC-fähigen Karten sogar mit einer einfachen Smartphone-App ausgelesen werden können.
Nicht nur Cyberkriminalitäts-Tatbestände finden sich neuerdings im StGB, sondern auch Tatbestände zu psychischer Gewalt im Netz. Cybermobbing, also dauerhafte Belästigung z.B. in sozialen Netzwerken, ist nun im StGB ziemlich klar definiert und kann mit einem Jahr Haft bestraft werden. Hat man die Absicht, das Opfer zu einem Selbstmord(-versuch) zu treiben, drohen bis zu drei Jahre Haft.
Bei Belästigung im nicht-virtuellen Raum gibt es auch eine Neuerung, und zwar den Tatbestand "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung". Dieser Paragraf greift, wenn sich ein Opfer sexueller Gewalt aus Angst nicht wehrt und auch sonst keinen Widerstand leistet, aber erkennbar nicht mit der Handlung einverstanden ist. Der neue Paragraf schließt damit die bisherige Lücke zwischen sexueller Belästigung und geschlechtlicher Nötigung. Ein nicht unbedeutender Schritt.
Und eine weitere, große Lücke wurde geschlossen: Bisher gab es tatsächlich keinen Paragrafen für Zwangsheirat. "Die Zwangsheirat wurde bisher unter den Tatbestand der schweren Nötigung subsumiert", erklärt die leitende Staatsanwältin Britta Tichy-Martin vom Justizministerium. Jetzt gibt es einen Tatbestand, der Zwangsheirat klar definiert und die Arrangeure von Zwangsehen vor Gericht bringen soll.
Strafrecht bei Jugendlichen
Für Jugendliche gelten gesonderte strafrechtliche Bestimmungen, die in einem Nebengesetz des StGB, dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) zusammengefasst werden. Auch hier traten mit Jahresbeginn einige Neuerungen in Kraft.
Bestimmte Regelungen, die bisher nur für unter 18-jährige gegolten haben, gelten von nun an auch für junge Erwachsene, also unter 21-jährige. Statt Haftstrafen wurde das Angebot an "sinnvollen Alternativen" ausgeweitet. Sprich: Mehr gemeinnützige Leistungen statt Haftstrafen. Auch Strafaufschub zu Ausbildungszwecken soll Jugendlichen und jungen Erwachsenen besser ermöglicht werden.
Summa summarum steht also besonders die "zweite Chance" im Vordergrund, damit Jugendlichen die Zukunft nicht verbaut wird.
Suchtmittelgesetz
Ein weiteres Nebengesetz des StGB ist das Suchtmittelgesetz (SMG). Die dortigen Änderungen könnten eine Entlastung für die Gerichte bedeuten.
Hier gilt ab jetzt der Grundsatz "Therapie statt Strafe". Die Tatbestände selbst werden jedoch nicht geändert.
Personen, die zum ersten Mal mit geringen Mengen Suchtgift für den Eigengebrauch aufgegriffen werden, werden künftig nicht mehr sofort bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Stattdessen müssen Betroffene zunächst zum Amtsarzt und schließlich fortlaufend mit den Gesundheitsbehörden kooperieren. Wer jetzt an Entkriminialisierung denkt, liegt allerdings nicht ganz richtig. Denn: Wer wiederholt erwischt wird oder nicht kooperieren will, dem drohen dieselben Strafen wie bisher.
Diebe und Betrüger haben's "leichter"
Zwei weitere interessante Änderungen gibt es zum Beispiel für Ladendiebe, die das erste Mal erwischt werden, aber auch bei Vermögensdelikten, bei es um etwas größere Summen als den Preis eines Parfum-Flacons geht.
Beim Diebstahl wird zwischen Einmaltätern und "Profis" genauer differenziert. Ein einmaliger Ladendieb kommt nun glimpflicher davon, als jemand, der mehrmals klaut und gewerbsmäßig handelt - also das Diebesgut verkauft. Was natürlich trotzdem nicht rechtfertigt, dass du das nächste Mal ein Parfum oder einen Liter Milch mitgehen lässt. Tz-tz-tz...
Bei Vermögensdelikten wurden die Wertgrenzen angehoben, die Strafdrohungen bleiben. Das heißt: Bei Betrug und Untreue riskiert man weiterhin bis zu 10 Jahre Haft - dies aber erst ab einem Schaden von 300.000 Euro statt vorher 50.000 Euro. Bis zu drei Jahre Haft riskiert man bei einem Schaden ab 5.000 Euro, vorher galt dies schon ab 3.000 Euro.
Kritisiert wurde die Neuregelung der Untreue bereits im Vorfeld von den Grünen: Deren Justizsprecher Albert Steinhauser sah darin "Anlassgesetzgebung par excellence" und vermutete, dass z.B. der Banker Julius Meinl von der Gesetzesänderung profitieren könnte.
Zum Schluss noch...
Vieles wurde verändert, gestrichen oder ergänzt im StGB.
Die ganze Liste würde den Rahmen hier sprengen. Jus-Freaks, Hobby-Strafrechtler und Interessierte können den alten und neuen Gesetzestext hier vergleichen (PDF).
Unterm Strich hat das Strafgesetzbuch einen längst überfälligen, relativ zeitgemäßen Anstrich bekommen. Bei einigen Änderungen lässt sich die Sparabsicht in der Verwaltung erkennen - auch das schadet vermutlich nicht. Diskutieren könnte man natürlich stets über die vorgeschlagenen Strafrahmen. Doch da hat das letzte Wort ja schließlich eh immer der Richter bzw. die Richterin.