Erstellt am: 6. 1. 2016 - 10:24 Uhr
Der buchstäbliche Action-Held
Mehr Spielkultur:
Es wird möglicherweise bald Zeit für ein neues Videospielgenre: Das der wortbasierten Games. Und nein, damit sind nicht die klassischen, minimalistischen Text-Adventures wie Zork oder Adventureland gemeint, sondern vielmehr Spiele, die sich zwar in modernem Gewand präsentieren, aber zur Problemlösung primär auf das geschriebene Wort zurückgreifen.
Der Build-Your-Own-World-Puzzler Scribblenauts fällt da gleich mal ein, oder auch im weitesten Sinne das von Scrabble inspirierte Mobile Game Words with Friends.
Ein ganz neuer und besonders ambitionierter Ableger dieser textbasierten Games ist das Indie-Spiel Typoman. Das vom deutschen Studio Brainseed Factory entwickelte Spiel präsentiert sich auf den ersten Blick als klassischer Plattformer, ist aber vielmehr ein komplexes Puzzlegame, in dem Worte durch Hinzufügen oder Vertauschen von Buchstaben zum Lösen von Rätseln verwendet werden müssen.
In der Praxis präsentiert sich diese ambitionierte Idee besonders bildlich: Der Held des Spiels, einfacherweise HERO genannt, besteht aus den Buchstaben H, E, R und O, Bösewichte im Spiel schieben die Worte HATE oder FEAR vor sich her, denen man mit HOPE oder FAITH entgegnen kann. In einem Rätsel hängt eine düstere Regenwolke, gebaut aus dem Wort RAIN über einem Teil des Levels und verhindert das Weiterkommen. Durch das Hinzufügen des Buchstaben D entsteht aus RAIN das Wort DRAIN, also versickern - und genau das macht das Wasser dann auch.
Das klingt jetzt alles erstmal relativ simpel, wird aber im Verlauf des Spiels immer komplexer und, ja, leider auch undurchsichtiger. Manche Wortschöpfungen, die zum Lösen der Puzzles benötigt werden, sind auf den ersten Blick nicht gerade offensichtlich und erinnern in ihrer Obskurität teilweise an diese berüchtigt-schweren Browser-Texträtsel der frühen 2000er wie das britische Dracula's Riddle. Glücklicherweise unterstützt Typoman verlorene Spieler aber auch mit einem ausführlichen Hilfe-System, das nach Belieben aktiviert werden kann.
Brainseed Factory
Auch wenn Typoman in wenigen Stunden relativ schnell durchgespielt ist: Die Zeit, die man im Spiel verbringt, präsentiert sich besonders atmosphärisch. Das hängt einerseits mit der schön gezeichneten Spielwelt zusammen, die in ihrer monochromen Umsetzung an Indie-Klassiker wie Limbo oder Machinarium erinnert, andererseits mit dem beeindruckenden Soundtrack, der mithilfe von kalten Pad-Sounds und düsterem Ambient-Industrial einen mysteriösen Nebel über das Spiel legt.
Typoman ist ein unglaublich ambitioniertes Spiel, ein Puzzle-Plattformer, der offensichtlich aus einer großen Idee heraus geboren ist und über den Spielverlauf hinweg zahlreiche neue Konzepte ankratzt und ausprobiert. So sehr damit das kreative Potential der Indie-Szene demonstriert wird - dieser fast komplett auf Traditionen verzichtende, von großen Publisherwünschen freie Teilbereich der Videospielindustrie - so sehr machen sich auch die Nachteile der Spielentwicklung in kleinen Gruppen bemerkbar. Der eine oder andere Bug erzwingt das Neustarten des Spiels, Sprungdistanzen, die unser Charakter hinter sich bringen muss, sind oft zu eng getimed und lassen einen leicht mal abstürzen und manche der Bosskämpfe stören aufgrund der hohen Herausforderung des Öfteren den sonst eher angenehm ruhigen Flow des Spiels.
Typoman ist ab jetzt für Nintendos Wii U erhältlich.
Trotz allem, Typoman ist ein beeindruckendes Vorzeigeprojekt einer lebendigen und vor Kreativität strotzenden Indie-Szene. Ein Spiel, das aufgrund des Verzichts auf virtuelles Händchenhalten an die guten, alten Zeiten des Videospielens erinnert. Und eine Empfehlung für alle Fans von klassischen Indie-Puzzlern wie Braid, Limbo oder Fez.