Erstellt am: 4. 1. 2016 - 17:15 Uhr
Ein paar Momente Lebensfreude
Für viele Menschen waren die Bilder von im Freien campierenden Menschen im überfüllten Flüchtlingslager Traiskirchen in den Frühlings- und Sommermonaten vergangenen Jahres der Anstoß dazu, aktiv zu werden und sich privat für Geflüchtete zu engagieren. Die daraus entstandene „Refugees Welcome“ – Bewegung zählt wohl zu den stärksten und eindrucksvollsten zivilgesellschaftlichen Initiativen der letzten Jahre.
Auch für Anette Grömminger gab es so einen Moment. Vor Jahren las sie einen Artikel über ein syrisches Flüchtlingsheim in der Zeitung. Die darin geschilderten katastrophalen Umstände zwangen sie aktiv zu werden.
Zwei Wochen vor Weihnachten stehen Annette und ihre Kollegin Isabel Blumenschein als Clowninnen verkleidet auf einer provisorischen Bühne in einem großen Altbaukomplex in der Vorderen Zollamtstraße in Wien. Es ist das größte Flüchtlingsquartier Wiens und beherbergt an die 1000 Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Der von Studenten der Angewandten und TU zum „Kulturcafé“ umfunktionierte Raum ist voll, in den ersten Reihen vor der Bühne sitzen Kinder, dazwischen vereinzelt Erwachsene und Jugendliche. Schon nach den ersten Minuten der Show weichen Staunen und Skepsis aus den Gesichtern der Kinder. Alle lächeln nun. Spätestens als die beiden Clowns einen Plüschfrosch hervorholen, der die sich ekelnde Clownin Isabel am ganzen Körper abküsst, lachen auch die Erwachsenen.
Leo Kral
Clowns in Krisengebieten
Vor ca. einem Jahr hat Annette die erste österreichische Zweigstelle von „Clowns ohne Grenzen“ gegründet. Seither haben sie Shows in Traiskirchen, in der Flüchtlingssiedlung „Macondo“ in Wien und in Panama gespielt. Die 1993 von einem spanischen Clown ins Leben gerufene Initiative hat mittlerweile einen Dachverband und 13 sogenannte „Chapters“ in der ganzen Welt. „Es geht darum, dass wir mit unserer Show in Krisengebiete reisen, oder in unserem Land in Flüchtlingsheime gehen und dort für die Kinder spielen. Wir wollen Kindern Lebensfreude geben, und wenn es nur für einen Moment ist.“ Die Reisen müssen sie sich selbst finanzieren, Gage oder Ähnliches gibt es für ihre Shows nicht.
Leo Kral
Größtes Problem Langeweile
Seit September letzten Jahres wird das Flüchtlingsquartier in der Vorderen Zollamtstraße in Wien vom Roten Kreuz als „Hybrid zwischen Not- und Grundversorgungsquartier“ betreut. Hierher kommen geflüchtete Menschen die ihre Erstbefragung noch nicht hatten. 3-6 Monate verbringen die Menschen im Schnitt hier. „Das ist hier eine Wartestation, eine Garage, in der man Leute für Monate parkt und auf später vertröstet. Langeweile ist das größte Problem gegen das wir hier versuchen anzukämpfen. Wenn wir es schaffen den Menschen ein Rahmenprogramm zu bieten, dann haben sie auch das Gefühl, angekommen zu sein.“, erklärt Martina Burtscher vom Roten Kreuz, Leiterin des Quartiers. Darum seine Aktionen wie von „Clowns ohne Grenzen“ auch so wichtig.“
Clownerie ist international verständlich
Langweilig scheint im Kulturcafé mittlerweile niemanden mehr zu sein. Immer wieder lachen die Kinder auf, drehen sich zu ihren Eltern und zeigen auf die Bühne. Clownerie scheint sich zur Unterhaltung besonders gut anzubieten, weil der Humor nicht über Sprache funktioniert. Die Slapstick-Einlagen der Clowns sind international verständlich. Clownerie ist aber mehr als nur Slapstick, erklärt Annette: „Die Clownerie deckt ein großes Spektrum an Künsten ab. Von der Jonglage angefangen, über Akrobatik, Zaubertricks, Pantomime und Musik, hat jedes Kind die Möglichkeit für sich etwas zu finden.“
Ralph Hanrieder
Nach einer knappen Stunde hat man tatsächlich von allem etwas gesehen. Vor allem die pantomimischen Teile der Show haben die Kinder begeistert. Viele klettern auf die Bühne und wollen die Clowns zumindest einmal berühren. Ein bisschen wird hier klar, dass Clowns mehr sind als nur tollpatschige Spaßvögel.
Isabel findet dazu die passenden Worte: „Clowns hangeln sich von einem Schlamassel zum nächsten, stolpern und scheitern. Aber das Besondere am Clown ist, dass er versucht Lösungen zu finden, mit Witz und Charme einen Ausweg zu finden. Da findet man sich wieder und versucht vielleicht es auch so zu machen.“