Erstellt am: 28. 12. 2015 - 17:56 Uhr
#rewind2015: Serien (I)
Rewind 2015
Der FM4 Jahresrückblick
Wie schon im Vorjahr: Durchgebinget und ausgesiebt. Ausgemessen, abgewogen und mit dem Bauch gefühlt. Wie immer: Vieles, vieles sehr Gutes bleibt auf der Strecke, man muss ja mittlerweile zehn Stunden Serienstoff gleich an einem Tag durchziehen, damit man übermorgen noch mitreden kann. Aber: Eine Liste ist eine Liste.
20. Hindsight
VH1
Mit dem Fahrstuhl auf ungewollter Zeitreise zurück in Tage, in denen man zu kurzen Hosen klobige Stiefel trug und eng anliegende Lederhalsbändchen cool waren. Wir nennen sie: die 90er. "Hindsight" stellt die alte Schicksalsfrage, was man denn so in seinem Leben anders machen würde, bekäme man bloß nochmal die Chance. Die bekannte Antwort: Not so much. Komisch, rührend, ein Soundtrack, der "Reality Bites" so alt aussehen lässt, wie es ist.
Das Beste, was man mit seiner Vergangenheit so anstellen kann, ist ohnehin iPhone-Vermissen und in Bars gehen, um dort zu rauchen. Auf die etwas enttäuschende letzte Episode folgte die noch enttäuschendere Nachricht, dass die erste Staffel von "Hindsight" auch ihre letzte bleiben würde. Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.
19. Wet Hot American Summer
Netflix
Der erste Tag im Camp, der ganz große Blödsinn. Das große Ensemble-Stück, das nicht bloß die Muster harmlos-alberner Ferienlager-Sexklamotten ins Absurde überhöht, sondern auch andere Schablonen durchspielt und ins Surreale dreht: Regierungsverschwörung, Musical-Film, getauschte Identitäten, Umweltskandal, Gerichtssaalsdrama – alles hat Platz vor der Kulisse eines frivolen Badeurlaubs, den die jungen Leute doch bloß mit Bierdosen, Bong und Petting zubringen wollen. Ein niemals altern wollender Paul Rudd als rüpeliger Mopedrocker mit Herz, ein konstant überforderter Michael Cera als Anwalt in zu großem Anzug und der Rolle seines Lebens.
18. Red Oaks
Amazon
Wunderbare-Jahre-Melancholia und sanftest dosierte Wes-Anderson-Quirkiness fügen sich zu einem wohlig glimmenden Coming-of-Age-Stück, das alle so genannten putzigen "Indie"-Comedys der letzten Jahre kalt im Rückspiegel zurücklässt. Ein junger Mann muss klarerweise sein Leben finden und überbrückt die Zeit bis zum eventuellen Erwachsenwerden als Tennislehrer in einem poshen Country-Club. Liebe, Sex und Zärtlichkeiten, Kifferhumor, spätsommerliche Chillwave-Laune in Pastelltönen.
Erfrischender Twist im Muster: Unser Held ist trotz des handelstypischen Nerd-Aussehens, das in US-Filmen das Gegenteil von Frauen-Magnet signalisieren soll, kein Modell-Eisenbahn-Chauffeur und Jeans-Bügler, sondern ein ziemlich cooler Typ, bei den Girls nicht gerade unbeliebt und auch sportlich voll auf der Höhe. Auch solche Menschen haben Probleme und wissen nicht wohin mit der ganzen Existenz.
17. Sense8
Sense8
"Sense8" von den Wachowskis feiert die Einheit, die Gleichstellung, die Schwesternschaft zwischen den Menschen - und trägt dabei dick auf. Die acht Hauptfiguren sind pflichtbewusst unterschiedlichen Ethnien und Walks of Life entnommen: Eine koreanische Martial Arts-Kämpferin, ein kenianischer Bus-Chauffeur, ein Berliner Panzerknacker, ein mexikanischer Filmstar. Das ist das Gegenteil von schlecht. Die Show verhandelt Fragen von Identität und Körper. Sie erforscht Sexualität und Religion, kämpft für die Auflösung von Grenzen und die Zersetzung von Normen.
"Sense8" schmuggelt mit einem trojanischen Pferd schwierige Themen in den breiten Mainstream. Dass da nicht immer mit dem feinsten Pinsel gemalt wird, liegt in der Natur der Sache. Viel Pomp und Getöse, bisweilen hölzerne Dialoge und Musikeinsatz mit hundert Pauken und Posaunen. Die ersten paar Episoden lang zäh und mühevoll, danach rasant, gewitzt und mit ein paar der besten Action-Sequenzen des Jahres im Gepäck. Aus Scherenschnittfiguren werden Freunde.
16. Jane the Virgin
The CW
Nach wie vor einer der viel zu geheimen Schätze. Die liebevolle Verbeugung vor dem Format der Telenovela, dessen wohlmeinende Persiflierung und die komplette Ernstmeinung. Die großen, großen Gefühle, das schönste Schmalz, Verwicklungen, Verwechslungen, Spionageaffären, Skandale und Rachegelüste. Da und dort ist die zweite Staffel hinsichtlich Cutesy-Bemühungen und Quatsch-Appeal einen Tick zu weit über Bord gegangen – dennoch: immer noch eine der spaßigsten und unterhaltsamsten Shows around.
15. Rick and Morty
Adult Swim
Der absurde Trip durch Zeit und Raum. Der geniale und schwer alkoholabhängige Wissenschaftler Rick und sein nicht gar so heller Enkel Morty reisen durch die Galaxien und erfüllen Missionen, die nicht selten bloß egoistisch motiviert sind. Wenn sie denn überhaupt einen Zweck haben. "Rick and Morty" schert sich nicht viel um dramaturgische Kohärenz, biegt die Logik und balanciert die haarsträubenden Abenteuer des kaputten Duos mit Szenen aus dem klassischen Familien-Sitcom-Fundus aus. Die Simpsons, ausgeschwitzt von der Body-Horror-Maschine David Cronenbergs, Sexwitze und Fart-Jokes, philosophische Selbstbespiegelungen und das Abwägen jeglichen Daseins.
14. You're the Worst
FX
The Rise of the Sadcom. Nicht mehr ganz so junge Menschen in Los Angeles kommen zwar mit dem Geld ganz okay über die Runden, die andere Sache, die mit der Liebe, haben sie noch nicht so gut drauf. Man wollte ja nur Sex haben und casual bleiben. Alter Hut, neues Leben.
Zwei doch recht eigennützige, nicht immer sympathische, also normale Menschen finden dann doch irgendwie zueinander und können es nicht so recht zugeben. Ein Leben zwischen Bett und Kokaintablett, zwischen Komik, Klamauk, Verzweiflung und Depression. Nicht immer perfekt, aber wenn es gut ist, dann ist "You’re the Worst" fantastisch. Herausragend: Hauptdarstellerin Aya Cash und die beste Sonnenbrille der Welt.
13. Hannibal
NBC
Das Ineinanderaufgehen aller Sinneseindrücke. Die dampfende Schlachtplatte, der überquellende Garten der Lüste. Montagen, die Wahn und Wirrungen bebildern, ein Klangdesign, das mitten ins Geschehen zieht, Düfte, Gestänke, die die Nase kitzeln. Formal pompös, prätentiös und erfüllend über die Maßen. Ein weihevolles Ende, sollte es das gewesen sein, die beunruhigendste und magnetischste Fieberfreundschaft des Jahres.
12. Mr. Robot
USA Network
Ganz ist der Publikumsliebling "Mr. Robot" in seiner ersten Staffel noch nicht angekommen. Verbeugung vor Fincher und Fight-Club-Gedächtnisarbeit, Krise, Kapital, Weltverschwörung, die Show zur Zeit. Identitäts-Zweifel, traum-hafte Drogenräusche, Verwirrung, die slick-farbmatte Erschaffung einer Dystopie, die unsere Gegenwart ist. Zwei Augen, die wir nicht vergessen werden.
11. Review
Comedy Central
Perfektion im kleinen Format. In der fiktionalen Show in der Show testet Host Forrest MacNeil nicht Bücher oder Filme, sondern Lebenserfahrungen und kommt dabei ins Straucheln und Strudeln. Diebstahl, Scheidung, Drogensucht, vor allem Drogensucht – mit wievielen Sternen sind wohl diese Sensationen zu bewerten? Von der hochkomischen Nummernrevue hinab zum bitteren, surrealistischen Kammerstück. Die Hölle, das sind wir selbst.
Morgen dann die Plätze 10 bis 1.