Erstellt am: 23. 12. 2015 - 15:43 Uhr
Wenn dir das Herz bricht...
Mehr Spielkultur:
Weil sich 2015 langsam dem Ende zu bewegt kann ich es ja sagen: "else Heart.Break()" ist das seltsamste Spiel, das ich im ganzen Jahr spielen durfte. Eine Mischung aus "The Sims" und "The Secret of Monkey Island", inspiriert von Spielen wie "Shenmue" und "Omikron: The Nomad Soul", entwickelt von einem kleinen, schwedischen Entwicklerstudio.
Alles beginnt dabei relativ unauffällig. In einer kurz gefassten Anfangssequenz wird man als der Protagonist Sebastian per Telefon kontaktiert und bekommt einen Job angeboten. Soda-Verkäufer soll man werden, in der weit entfernten Hafenstadt Dorisburg. Das Hotel ist schon organisiert, das Zimmer bezahlt, die Überfahrt per Schiff auch. Und so startet Sebastian in ein Abenteuer, in dem es letzten Endes auch gar nicht um Soda geht. Sondern um das Erwachsenwerden, die Isolation des urbanen Lebens, gemeinsam Alleinsein und natürlich um die Liebe.
Die ersten Stunden im Spiel sind dabei frustrierend und faszinierend gleichzeitig. Die Welt von Dorisburg ist groß, facettenreich, verwirrend und von Beginn an komplett offen. Jedes Haus kann begangen werden, in jedem Café kann herumgehangen, nachts in Clubs gefeiert werden. Charaktere sind mysteriös, aber trotzdem redefreudig, können mit Items aus der Spielwelt beschenkt und besser kennengelernt werden. Geschäfte haben Öffnungszeiten, Obdachlose bitten um Bier und Geld und beim nächtlichen Partymachen kann man andere Menschen kennenlernen, die einen dann zu sich nach Hause einladen. Was das alles bringt, bleibt dabei aber unklar.
"else Heart.Break()" hat kein Tutorial, kein virtuelles Händchenhalten. Hier ist ein neuer Job, hier ist eine erste Unterkunft, jetzt müsst ihr euch selbst zurechtfinden. Ein bisschen wie im echten Leben, wirklich.
Niklas Åkerblad
Und während das Entdecken der Welt als digitaler Spielplatz für die ersten Stunden auch ganz amüsant ist, versteckt sich auch eine zweite Welt in "else Heart.Break()". Eine Welt, in der das gesamte Spiel zu einem Werkzeug wird, in der die komplette Realität von Dorisburg komplett ausgehebelt und verändert werden kann.
Es war die Graphic Novel Scott Pilgrim, die es Mitte des letzten Jahrzehnts bis jetzt am eindrucksvollsten schaffte, zwischenmenschliche Beziehungen und Emotionen über stereotype Videospielmuster auszudrücken. Scotts Bosskämpfe gegen die Ex-Freunde seiner Herzensdame Ramona Flowers konnten darin weniger als einfache körperliche Auseinandersetzungen ausgelegt werden, sondern vielmehr als Manifestationen seines eigenen inneren Konflikts um mit Ramonas Vergangenheit klarzukommen und eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.
"else Heart.Break()" macht das ähnlich und stellt relativ früh im Spiel Pixie vor, die namentliche Manifestation des Manic Pixie Dream Girls und Sebastians emotionaler Fokuspunkt. Pixie bringt den Wendepunkt im Spiel, den Moment, wo der wichtigste, radikalste Aspekt des Titels vorgestellt wird: Das Programmieren.
Durch Pixie wird Sebastian einer geheimen Untergrundorganisation vorgestellt, die ihm das wichtigste Werkzeug des Spiels überreicht: Den Modifier. Damit können Objekte in Dorisburg umprogrammiert und komplett zweckentfremdet werden. Und das schließt nicht nur Computer im klassischen Sinne ein, jedes Objekt - vom Sandwich, zur Bierdose, zum Mülleimer - kann durch Code gehackt und von Grund auf mit neuen Fertigkeiten belegt werden. Zigaretten können durch Code zu Zeitmaschinen werden, Soda-Dosen zu Teleportern - "else Heart.Break()" ermöglicht es prinzipiell, das gesamte Spiel komplett zu verändern.
Erik Svedäng AB
"The idea is to create opportunities for truly creative gameplay that goes beyond the kind of puzzle solving and stats improvement normally seen in games. Ideally it even allows the player to free herself from the designer of the game! The goal is an experience that borders the metaphysical, and to create a kind of game where thoughts and knowledge mean everything." So beschreibt der Spieldesigner Erik Svedäng die Intention hinter "else Heart.Break()".
Und ja, zum Großteil schafft es das Spiel auch, diese Intention zu vermitteln. Die Komplexität, die durch eine Welt fast ohne Regeln entsteht, sorgt aber des Öfteren für Kopfzerbrechen, zu vielfältig sind die Möglichkeiten, die sich bieten, zu lange dauert es auch, die eigenen Ideen im Spiel selbst zu realisieren.
"else Heart.Break()" ist für Windows, Mac und Linux erhältlich.
"else Heart.Break()" ist ein Titel voller nicht wegdiskutierbarer Fehler, wie sie bei einem überambitionierten Indie-Projekt fast selbstverständlich sind. Gleichzeitig ist das Spiel aber ein beeindruckendes Projekt, das zeigt, wieviel Kreativität noch immer in der Independent Entwicklerszene schlummert. Ein verwirrend geniales Monstrum von einem Spiel, das zu stundenlangem Experimentieren und Entdecken einlädt, für die Momente, wenn man mal wieder so richtig in einem Spiel versinken will.