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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

20. 12. 2015 - 15:57

Ich hab geträumt von Dir

Der Song zum Sonntag: Isolation Berlin - "In manchen Nächten"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken

Bislang hat man sich das Berliner Quartett mit dem schon kalt-klammen Namen Isolation Berlin als von vornehmlich mürrischer Musik aus den frühen 80ern beeinflusst vorstellen können: Übellauniger, nervöser Postpunk, Wave in Anthrazit.

"Isolation" – so wie der Gemütszustand, so wie der Song "Isolation" von Joy Division, den Isolation Berlin auch schon gecovert haben. Berlin, nicht so wie ein aktuelles, schon zu Tode kaputt coolisiertes Berlin, sondern bloß ein kaputtes. Vielleicht genauso aus den 80ern, als Blixa Bargeld und Nick Cave mit wilden Haaren durch die Stadt stolperten, man mit Altmetall musizierte und Heroin das heiße Ding war.

Isolation Berlin

Noel Richter

Isolation Berlin

Anfang 2016 erscheint neben einer Compilation mit den bislang veröffentlichten Stücken der Band auch das offizielle Debütalbum mit brandneuen Liedern. Auf der Vorabsingle schlagen Isolation Berlin ungewohnt zärtliche, versöhnliche Töne an und gleiten ins Schlagerhafte. "In manchen Nächten", so haben vermutlich schon so manche Lieder geheißen, und eventuell nicht die kompliziertesten.

Isolation Berlin singen vom Vermissen und der Sehnsucht, nach etwas, das gerade nicht da ist – immer ein guter Motor in der Kunst. Ein junger Mann erzählt davon, wie er unterwegs ist, on the road, wenn auch nicht explizit zum Ausdruck gebracht, legen einige Zeilen nahe, dass man sich hier eine junge Band auf Tour ausmalen darf. Aufregung und Erschöpfung, Euphorie, das Gefühl knapper Kohle, Fernweh und Heimweh mischen sich.

Zuhause wartet eine geliebte Person oder vielleicht wartet sie auch schon nicht mehr oder ist schon wieder ganz woanders. Phantomschmerz brennt im Erzähler. Isolation Berlin nähern sich mit dem Song "In manchen Nächten" der chansonhaften Kneipen-Melancholie von Element of Crime, Rio-Reiser-Schwermut und der bildreichen Symbolsprache und Seefahrtsmetaphorik von Grönemeyer und Lindenberg. Bei aller dick aufgetragenen Setzkasten-Poesie klingt das bei Isolation Berlin nicht stullig oder abgegriffen.

Paaarty!

Am 23. Jänner 2015 spielen Isolation Berlin beim FM4 Geburtstagsfest in der Ottakringer Brauerei

Dieser Mann hier fühlt diese diffusen Gefühle tatsächlich, "wie der Weltschmerz kalt vom Himmel fällt" oder "ein Kirchturm die grauen Wolken aufschlitzt", gleichzeitig wird das schöne Schmalz unterwandert: "In manchen Nächten frag ich mich, bin ich Poet oder einfach nur besoffen?", heißt es gleich zu Beginn des Songs.

Und wenn der Sänger im variierten Refrain schmerzvoll die Melodie umschifft, er schreit und ihm die Stimme wegbricht, dann weiß man wieder, dass die Lieder vom Leiden eben Brüche und Sprünge haben müssen.