Erstellt am: 18. 12. 2015 - 16:21 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 18-12-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Dies ist Teil 3 einer unausgeschilderten und eigentlich zweiteiligen Saisonbilanz.
Part 1 vom 15.12.: Die Kunst des Verscheißens. Ein paar falsche Entscheidungen, und die Entwicklung des österreichischen Fußballs kann schnell wieder um Jahre zurückgedreht werden
Part 2 von gestern: Bundesliga-Halbjahresbilanz; in einer MVP-Liste
Weil ich schon wieder (diesmal bei Thorsten Fink) die Mär davon gelesen habe, dass es viel besser sei bis Anfang 20 zu warten, bis man bundesligastammspielert und erst dann ins Ausland wechselt, als es bereits im Jugendalter zu tun...
Ich hab' das ja bereits des Öfteren empirisch widerlegt, und will diesmal - weil es grade aufgelegt ist - einen 23er-Kader jener aktuellen Bundesliga-Spieler, die bereits eine Auslandserfahrung als (eben nicht) viel zu junger Mensch hinter sich hatten, und sich dabei weitergebildet haben als 95% der immer daheim gebliebenen Bundesliga-Akteure, die dann später auch nie mehr in den Genuss eines Auslands-Aufenthalts kommen werden (auch deshalb ist der "bleibt's doch alle da!"-Spruch ein ausgemachter Blödsinn). Der Kader kommt ohne Oldies wie Almer, Kienast oder Wallner aus und insgesamt sind es auch noch mehr...
Das Rückkehrer-Team
Strasser, Strebinger, Alex Schlager; Tobias Kainz, Hart, Janeczek, Spendlhofer, Kayhan; Holzhauser, Kerschbaum, Pehlivan; Spiridonovic, Derflinger, Stankovic, Walch, Elsneg, Knasmüllner, Hofbauer; Zulechner, Prosenik, Vastic, Sikorski, Benjamin Sulimani, Kevin Friesenbichler.
Apropos All-Star-Teams: das sind die zwei Mannschaften, die die Basis für die gestrige Liste der MVPs des Halbjahres geliefert haben.
Zuerst das für den ÖFB selektionierbare Team:
Lukse/Almer/Siebenhandl; Farkas, Madl, Schößwendter, Stangl (Martschinko); Holzhauser (Perlak), Maliscek (Schwab/Trauner); Gorgon (Schick), Schaub (Grünwald), Onisiwo (Florian Kainz, Gruber, Hofbauer); Friesenbichler (Kienast)
Die Nominierung von Maliscek hat was symbolpolitisches, zugegeben.
Dann die Legionärs-Truppe:
Esser (Walke); Schwegler, N.N., N.N., Oliver Kragl; Keita, Petsos (Berisha); Venuto, Avdijaj, Kayode (Tajouri); Soriano (Damari)
Interessanterweise sehe ich keinen nichtösterreichischen Innenverteidiger, der in diesem Halbjahr das Level der anderen Nominierten gehalten hätte.
Unterschätztester Move des Jahres: der Rückzug von Gerhard Schweitzer.
Es war schon ein Alarmzeichen, dass Walter Kogler im Sommer seine Trainerkarriere beendete um sich einem Managment-Job in einer Versicherung zu widmen; und nebenbei als Experte bei Sky aufzutauchen, also die Analyse-Fraktion um Scherb und Tatar, die gegenüber der Würstelstand-Fraktion in Rückstand geraten ist, aufzuputzen.
Nun hört - wieder einmal - Gerhard Schweitzer dann auf, wenn er sich committen, also seinen Brotberuf aufgeben müsste. Schweitzer ist/war der Co von Tatar und dann Gludovatz bei Ried, bei der U20, diente auch unter Angerschmid und Fuchsbichler und war in dieser Zeit der Garant für strategisch hochwertiges Spiel und taktisch gute Vorbereitung. Auch Angebote für Chefpositionen blieben nicht aus. Schweitzer hat das aber nie riskiert, weil das Hire, Fire & Hire-Prinzip der österreichischen Showtrainer (die dann für ein Halbjahr eben im Sky-Studio Allgemeinplatz nehmen und auf das nächste weitgehend nachhaltigkeitsfreie Angebot warten) die Sache eines eingespielten Klüngels ist. Und der wesentlichste Faktor in der fußballerischen Entwicklung (nämlich Kontinuität) nur in Ausnahmefällen gegeben ist. Die Ausnahmen heißen Ried oder Salzburg oder Admira oder finden in Vorarlberg statt, sind aber auch dort konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Und wird auch gern von der Obrigkeit (wie im Fall der unendlich anstrengenden Lederer vs ÖFB-Geschichte) desavouiert, weil auch in Ausbildner-Kreisen immer noch der (seilschaftsbildende) Mythos vom Ex-Klassekicker, der ein Trainer gewesen sein muss, aufrechterhalten wird.
Wem nicht, wie unlängst Adi Hütter, die Flucht ins Ausland und der Einstieg in einen anderen Kreislauf gelingt oder wer wie Walter Kogler nach einem Auslandsaufenthalt aus familiären Gründen heim will, der ist mit einer Szenerie konfrontiert, die immer wieder für Gruselschauer sorgt. Die Bestellungen von Sportdirektoren (wir erinnern uns an die Austria und Wohlfahrt...) und Trainern finden auf einem Niveau statt, das etwa hier vom ÖFB-Chef Windtner für seinen Bereich offengelegt wird - weil er es überkommen hat; wiewohl sich ein Comeback der Würstelstandlerei ja immer wieder und auf allen Ebenen propagandistisch (zuviel Theorie! zuwenig Volk!) androht.
Wenn sich einige der Besten nicht trauen/nichts riskieren wollen/können, dann stellt das ein System sehr grundlegend in Frage.
Last PS
Ähnliches gilt wohl auch für Österreichs (international weiterhin bedeutungsloses) Schiedsrichter-Wesen, dessen Grundproblem (die Alleinherrschaft von Fritz Stuchlik bei Ausbildung und Besetzung; sowie eine gewisse Kritik- und Reformresistenz) vor Wochen vom mutigen Damir Canadi angesprochen wurde, ohne dass das auch nur ansatzweise diskursive Folgen hatte. Was mich angesichts des umfassenden Wissens der Szene (auch vieler Berichterstatter) um den Kern des Übels durchaus wundert. Auch dieses Schweigen stellt ein System sehr prinzipiell in Frage.