Erstellt am: 17. 12. 2015 - 18:27 Uhr
FM4 Extraleben: Stigma Computerspiele
FM4 Extraleben: Stigma Computerspiele
Conny Lee, Rainer Sigl und Robert Glashüttner sprechen übers schlechte Gewissen beim Spielen.
Am Donnerstag, den 17. Dezember, von 21 bis 22 Uhr, und danach für 7 Tage im FM4 Player.
Schon wieder zwei Abende in Serie oder gleich ein ganzes Wochenende zuhause verbracht und nur am Computer gespielt. Schon wieder zu viel Zeit mit "Hearthstone", "Destiny" oder "League of Legends" verschwendet. Das sind für Menschen, die viel und gerne spielen, keine fremden Gedanken. Man hat zwar eine gute Zeit, aber doch nagt dann und wann das schlechte Gewissen an einem. Hätte man nicht besser dieses oder jenes stattdessen tun sollen?
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Computerspiele seien angeblich in der Mitte der Gesellschaft angekommen liest und hört man oft. Die Games-Industrie setzt seit Jahren mehr Geld um als die Filmindustrie. Und doch fühlt man sich bisschen schuldig, wenn man länger als eine Stunde mit dem Gamepad vor der Konsole sitzt. Kindern und Jugendlichen sieht man in der Gesellschaft diese "Schwäche" nach. Ist man aber mal aus dem Studentenalter draußen, kommt das schlechte Gewissen. Woher kommt diese Empfindung? Und warum ist sie noch nicht verschwunden?
Dorkly
Es ist eine sehr bürgerliche Wahrnehmung, die wir aber dennoch schwer aus unseren Köpfen rausbekommen: dass jede Tätigkeit einen Nutzen, einen klar nachvollziehbaren Sinn haben soll. Etwas einfach nur so zu machen, das muss sich eine Sache oder ein Medium gesellschaftlich erst verdienen. Theater und Literatur haben das geschafft, Film auch. Aber bei Computerspielen? Da wird oft krampfhaft nach irgendeinem Mehrwert gesucht, wie bessere Hand/Augen-Koordination oder gesteigerte Führungsqualitäten, wenn man ein talentierter Raid Leader im Online-Rollenspiel ist.
Die ganze Nacht eine TV-Serie bingen, das erzählt man am nächsten Tag im Büro meist lieber als wenn man die ganze Nacht "The Witcher" gespielt hat. Man könnte glauben, dass sich dieses Messen mit zweierlei Maß in den letzten zehn Jahren überlebt hat. So wirklich passiert ist es aber nicht.
Teilweise selbstverschuldet
Nachdem sie zu lange in einer Position waren, in der sie mit Vorurteilen und abschätzenden Kommentaren bedacht wurden, neigten manche Spieler/innen irgendwann dazu, es sich in dieser Opferhaltung bequem zu machen. Es ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, andererseits aber auch fatal, wenn man sich in einer vorgefertigten Verteidigungshaltung festgräbt und keine Diskussion oder Veränderung mehr zulässt. Dann ändert sich nämlich auch nichts an der Situation und manchmal schlägt sie sogar ins Gegenteil um.
So passiert ist das voriges Jahr mit der berüchtigten Gamergate-Krise. Dabei haben einige fanatische, größtenteils männliche Computerspielfans teils unfassbar aggressiv, persönlich und gehässig gegen Änderungsprozesse innerhalb des Mediums Videospiel protestiert. Aus den ehemaligen geschassten Spielern sind also konservative Bullies geworden, die nichts daran ändern wollen, dass viele Mainstream-Computerspiele weiterhin mit pubertären Darstellungsformen, Sexismus und Klischees operieren.
Anita Sarkeesian
Es ist schwierig, in der Öffentlichkeit bedacht und unaufgeregt über Videospiele, ihre gesellschaftliche Rolle und ihre Wirkung zu sprechen. Zu emotional aufgeladen ist die Situation, zu schnell wird man einem der beiden Extremlager zugeordnet: jener Gruppe, die jedes Computerspiel blind gegen jede Kritik verteidigt oder jenen Menschen, die der Meinung sind, dass das Medium Computerspiel per se Sitte und Moral (junger) Menschen verdirbt.
Games und das Alter
Computerspiele sind über 40 Jahre alt und damit immer noch ziemlich jung. Wenn man sich aber überlegt, wie alt die Frauen und Männer heute sind, die in den frühen 70er Jahren die ersten Games entwickelt haben, könnte man davon ausgehen, dass die gegenwärtige Altersdurchmischung recht hoch sein sollte. Allerdings ist dem in der Praxis in den meisten Fällen nicht so, im Gegenteil: der Großteil der Menschen, die gegenwärtig in der Games-Branche arbeiten, sind zwischen 20 und 40 Jahre alt und produzieren auch in den meisten Fällen für eine Zielgruppe, die so alt wie sie selbst ist oder jünger. In so einem Umfeld ist es natürlich schwierig, Computerspiele zu gestalten, die für Erwachsene und ältere Menschen attraktiv sind.
Ohne Leistung kein Genuss
Ein anderer Grund, warum viele Menschen immer noch nicht spielen und deshalb weiterhin mitunter seltsame Vorstellungen über digitale Spielkultur und spielende Mitmenschen haben, ist der Umstand, dass Spiele in vielen Fällen sehr fordernd sind. Der irische Comedian Dara O'Briain hat diese Besonderheit von Games in einem Sketch sehr schön auf den Punkt gebracht und bringt dabei auch das Thema Spielkultur und Erwachsene allgemein sehr gut auf den Punkt.
Ein Extraleben über "Stigma Computerspiele"
Das FM4-Games-Kränzchen ist heute, Donnerstag, 17.12., von 21 bis 22 Uhr zu hören.
Computerspiele ziehen ihre Spannung und ihre Attraktivität tatsächlich oft daraus, dass sie von uns Leistung einfordern. Sich aber damit abzufinden, dass man immer wieder scheitern wird – das ist ein Lernprozess fürs eigene Ego. Und ein Grund, warum sich viele Menschen weiterhin nicht so nahe an Spiele heranwagen wollen.
Die steigende Vielfalt von digitalen Spielen und die vielen verschiedenen Szenen, Gemeinschaften und Sparten sorgen aber schon seit Jahren dafür, dass es nicht nur einige wenige Formen von Computerspielen gibt, sondern alle erdenklichen. Ein Grund mehr für Skeptiker/innen, doch mal zum Gamecontroller zu greifen - denn nicht überall muss wild geschossen oder schnell auf Knöpfe gedrückt werden.