Erstellt am: 22. 12. 2015 - 20:00 Uhr
"Snowboarden ist darauf aufgebaut, cool zu sein"
Gigi Rüf ist ein alter Bekannter von FM4, dessen Snowboard-Karriere etwa zur gleichen Zeit begonnen hat, wie dieser Radiosender den Betrieb aufgenommen hat. Im allerersten Porträt Gigis vom September 2002 heißt es: "Wer mit Gigi ein Interview machen will und ihn nicht kennt, wird nicht all zu viel aus ihm rauskriegen." Das hat sich mittlerweile geändert. Über eine Stunde spricht er über seine Karriere und den Zustand des Snowboardens, was vielleicht auch daran liegt, dass ihm mit Elias Elhardt ein zweiter Snowboarder zur Seite steht, der zwar einige Jahre jünger ist, sich aber auch viele Gedanken über das Snowboarden macht.
Simon Welebil / FM4
Contest Snowboarden nicht mehr das Wahre
Gigi und Elias waren zu Anfang ihrer Karrieren beide sehr starke Contest-Fahrer, beide haben ihre Contestkarriere aber auch früh aufgegeben. Gigi sieht in Contests mittlerweile keine Plattform mehr für Snowboarden, weil man mit Videos inzwischen viel mehr Leute erreichen könne und außerdem der Druck bei Contests wenig Platz lasse, um das Gefühl des Sports weiterzugeben. Das Umfeld von Mega-Veranstaltungen wie dem Air+Style und Tricks wie Triple-Corks findet er aber immer noch spektakulär, auch wenn er in Contest-Arenen mittlerweile nicht mehr heimisch ist.
Auch Elias genießt mittlerweile, dass er den engen Rahmen des Contest-Snowboardens verlassen hat, den Konkurrenzdruck, den der Wettbewerb hervorbringt und dass er Snowboarden nun so darstellen könne, wie er es am Liebsten macht. Im neuen Film der Pirate Movie Production, "Follow your Nose" hätten sie etwa einen Gegenentwurf zu den Riesen-Kickern in Contests gemacht, mit kleinen Kickern am Pistenrand oder an der Straße: "Wir sind einfach so gefahren, wie wir zu Hause fahren, wenn wir shredden gehen. Wenn es möglich ist, das auch noch beruflich zu machen - das ist einfach toll. Da haben wir die Chance bekommen."
Die "logische" Snowboardkarriere
Sich im Contest-Snowboarden einen Namen machen und dann ins Backcountry zu wechseln galt jahrelang als "klassischer" Verlauf einer Snowboardkarriere, die sich bei der aktuellen wirtschaftlichen Situation im Snowboardbusiness - das Wachstum nur mehr vom Hörensagen kennt - nur mehr für sehr wenige Rider ausgeht. Für Gigi und Elias ist sich der Schritt ins Backcountry ausgegangen, weil sie ihn wohl zur rechten Zeit gemacht haben, zu den richtigen Filmproduktionen gekommen sind und weil sie ein sehr gutes Gefühl für die Arbeit am Berg entwickelt haben.
Gigi teilt einen Seitenhieb Richtung Contestszene und deren Professionalisierung in den letzten Jahren aus, wenn der darüber spricht, wie sie am Berg einen Sprung einschätzen: "Wir haben jetzt keinen Trainer mit, der uns oben noch die Schenkel reibt und sagt: Mach das! Wir laufen da vor und haben nur einen Schneeball mit, um Distanzen zur Landung abzuschätzen."
Distanzen abschätzen a la Gigi Rüf Mitte der 2000er-Jahre
Einen guten Backcountry-Fahrer erkennt man daran, dass er eine Mission hat, die er verfolgt, einen Berg, den es zu bezwingen gilt, der dabei die logischen Gefahren wie Lawinenwarnstufen oder Hindernisse aber nicht außer Acht lässt, sagt Gigi. Aus solchen Missionen hole man sich dann seine Motivation und im Gegensatz zum Contestfahren gibt es im Backcountry mehr als einen Gewinner.
Die Gestaltung des Umfelds
In der Snowboardszene gelten sowohl Gigi Rüf als auch Elias Elhardt als unglaublich kreative Fahrer, die immer wieder neue Locations finden bzw. diese auch auf eine besondere Art zu fahren verstehen. In Follow Your Nose werden etwa die Schneeränder einer geräumten Straße zur Pipe geshaped und eingeschneite Bäume werden zu Obstacles. Die beiden überlegen sehr genau, was sie in ihren Video-Edits darstellen wollen. Im Gegensatz zum "Höher, weiter, schneller", das momentan dominiere, hätten sie es heuer komplexer und feiner angelegt, um einen Beitrag zu was Einzigartigem zu leisten, das sie dann wie jede Saison in ihr "Album" einkleben werden.
Zwischen den beiden stehen ungefähr sieben Jahre, im Snowboarden ist das mindestens eine Generation. Doch auch wenn sie an unterschiedlichen Punkten ihrer Laufbahn stehen, merke man davon am Berg überhaupt nichts, da sei bei beiden die gleiche Leidenschaft drin, die sich mitunter auch zum Konkurrenzkampf auswachsen kann: "Ich steh vielleicht da, als hätt ich die Lederhosen an und würde dem Elias was vorjodeln", sagt Gigi, "aber das ist überhaupt nicht so. Mein Bag of Tricks behalt ich schon für mich, und so überrasch ich dann vielleicht auch und biete ihm die Stirn."
Elias lacht, wenn er Gigi so über ihre gemeinsame Zeit am Berg reden hört, aber man erkennt in solchen Szenen dann doch, dass man auch als Snowboardpro, der jahrelang im Geschäft ist, Leistung bringen muss. Speziell in den letzten Jahren ist da allerdings noch etwas anderes hinzugekommen, die Vermarktung dieser Leistung, die immer mehr selbst übernommen werden muss.
Selbstvermarktung und - verwirklichung
Jeder Snowboardpro muss auf Social-Media-Plattformen präsent sein und Gigi und Elias haben sich in den Jahren durchaus große Reichweiten erarbeitet. Über 43.000 Fans haben etwa Gigi Rüfs Instagram-Account abonniert und Elias Elhardt hat auf Facebook über 15.000 Follower. Es sind auf jeden Fall Anforderungen von Sponsoren da, Social Media-Output zu generieren, sagt Gigi: "In gewisser Weise abonnieren die Sponsoren unseren Output." Die Mittel, sich selber darzustellen, seien dabei so einfach geworden und Snowboarden an sich, mit dem ganzen Lifestyle, der Bewegung etc. sei ohnehin essentiell darauf ausgerichtet "cool" zu sein und dass man beeindrucken möchte. Da könne man gleich einen Schritt weiter gehen in punkto Selbstverwirklichung. Bei ihm selbst wäre das etwa die Gründung seiner eigenen Marke, Slash Snowboards gewesen.
So weit ist Elias noch nicht. Er erledigt die Social Media-Anforderungen und Sponsorenanfragen, um am Snowboarden dran bleiben zu können, aber nur so viel, dass er die Begeisterung fürs Snowboarden selbst nicht verliert. Dass Elias bei seinem Drive die Lust am Riden abhanden kommen könne, glaubt sein Backcountry-Traumpartner Gigi ohnehin nicht, im Gegenteil, sein breites Lächeln werde man wohl noch lange in Snowboardvideos sehen können. Und ein paar Jahre werde man sie wohl auch noch gemeinsam am Berg sein, um zu zeigen, dass sie selbst und dass Snowboarden noch da ist.