Erstellt am: 12. 12. 2015 - 19:55 Uhr
Je suis climat
Ich wäre fast nicht hingegangen. Im Bus vom Konferenzzentrum in Le Bourget zur nächstgelegenen Metro-Station sagt mir eine Sicherheitskraft, dass die Linie 7 gesperrt ist. Es wurde ein "verdächtiges Gepäckstück" gefunden, der öffentliche Verkehr auf dieser Strecke vorübergehend eingestellt - für die PariserInnen mittlerweile nervige Routine.
Ich überlege kurz, ob ich nicht doch lieber im gut bewachten COP21-Gelände bleiben soll, wähle dann aber eine andere Route und bin schließlich froh, als mich der Untergrund auf der Avenue des Grandes Armées nicht unweit des Triumphbogens wieder ausspuckt. Trommelwirbel, Climate-Justice-Now-Gesänge, überall rote Hauben, rote Schirme, rote Schals, rote Tulpen, Menschen hängen rote Handtücher von ihren Balkons.
Angie Rattay / Neongreen Network
Tausende sind gekommen, um gemeinsam jene rote Linien zu bilden, die nicht überschritten werden dürfen, wenn wir einen lebenswerten Planeten behalten wollen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Verhandlungen in Le Bourget bereits in die Verlängerung gegangen. Die globale Klimabewegung, die hier durch die starke Mobilisation von NGOs wie 350.org, Avaaz und Attac wesentlich stärker vertreten zu sein scheint als die Pariser Bevölkerung, demonstriert noch ohne zu wissen, wie gut oder schlecht der Klima-Deal überhaupt aussieht.
Angie Rattay / Neongreen Network
Doch die Botschaft geht ohnehin weit darüber hinaus. Die Menschen hier sind für Frieden und Klimagerechtigkeit auf die Straße gegangen. Nebelhörner ertönen schließlich zum Start einer Mahnwache. "Wir sind auch hier, um der Opfer von Klimakatastrophen, Kriegen und Terrorismus zu gedenken. Es ist außergewöhnlich, dass trotz des Ausnahmezustands so viele Menschen gekommen sind und ich bin froh, dass die Polizei das toleriert", sagt Daniel aus Paris.
Angie Rattay / Neongreen Network
Der Präfekt von Paris erklärte, gegen Ausschreitungen stark vorgehen zu wollen, doch die CRS-Polizisten, die mit ihren kugelsicheren Westen und Bein- und Armschonern wie Robocops ausschauen, halten sich im Hintergrund.
Angie Rattay / Neongreen Network
Zwei Stunden später findet auf dem Champs de Mars vorm Eiffelturm die nächste Aktion statt. Hier hört man viel mehr französische Slogans: "Et 1 - et 2 - et 3 degrées - c’est un crime contre l’humanité" singen viele und "État d’Urgence Climatique". Es wird eine Menschenkette gebildet, gesungen, fotografiert. Direkt vor der École Militaire, der Pariser Militärschule am Ende der Felder ist eine Bühne aufgebaut.
Ohne Hass, ohne Waffen, ohne Gewalt
Die Demo endet mit einem Konzert von HK et les Saltimbanks, einer Hip-Hop-Kombo aus Lille. In ihrem Song "Sans haine, sans armes, sans violence" (Ohne Hass, ohne Waffen, ohne Gewalt) stimmen junge und alte Französinnen und Franzosen mit ein. Man spürt, die PariserInnen sind froh, weitgehend ohne Repressionen auf die Straße gehen zu dürfen.
Angie Rattay / Neongreen Network
Aber zumindest hier unterm Eiffelturm ist niemand ohne Sicherheitskontrolle durchgekommen. "Dass Taschen bei einer Demo kontrolliert werden, ist noch nie vorgekommen", sagt Fleur aus Paris. "Wir sind hier für Frieden und Klimagerechtigkeit, aber ich habe das Gefühl, dass wir es sind, die in diesem Polizeistaat als Bedrohung wahrgenommen werden." Diese Einstellung gegenüber der Polizei teilen aber nicht alle. Beim Verlassen der Demo bedankt sich eine ältere Dame, dass nichts passiert ist.