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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

11. 12. 2015 - 16:07

Action-Training für Klimaproteste

Die globale Klimabewegung trotzt dem Pariser Ausnahmezustand und organisiert große Proteste rund um den Triumphbogen. Ein Lokalaugenschein in der Klimaaktionszone.

Wo sich sonst Breakdancer und MusikerInnen treffen und Fotos und Installationen ausgestellt werden, hat die globale Klimabewegung ihr Hauptquartier aufgeschlagen.
Im KünstlerInnenquartier Centquatre finden während der heißen Phase der Pariser Klimaverhandlungen Workshops über Fracking statt, afrikanische Frauen singen gegen Ressourcenausbeutung an und mittendrin, zwischen Kampagnenpostern, Videowalls und Metallskulpturen steht ein geschnitzter Baum, an dem bunte Schleifen mit Wünschen für eine Zukunft ohne globale Erwärmung hängen.

„Ich möchte weiterhin weiße Weihnachten erleben, weil der Wechsel der Jahreszeiten für unser Leben wichtig ist“, sagt Edouard mit starkem französischem Akzent und ganz ohne Ironie. Denn in der Klimaaktionszone ZAC, Zone d’Action Climat ist die Stimmung und das Bewusstsein der BesucherInnen mindestens genauso wichtig wie die minutiöse Koordination der Protestaktionen.

Collage Klimaaktionszone ZAC

Barbara Köppel

Initiiert wurde die ZAC von der Coalition Climat 21. Sie fungiert als Organisationsgruppe für alle NGOs und anderen Gruppen, die den politischen Entscheidungsträgern der Klimakonferenz eine Antwort der Zivilgesellschaft entgegensetzen wollen. Die wichtigste Aufgabe, die die Koalition hier daher übernommen hat, sind die Action-Trainings für die geplanten Klimaproteste.

Denn es steht endgültig fest: Morgen Samstag sollen zum Abschluss der Klimakonferenz Tausende, ja wenn möglich sogar Zehntausende auf die Straße gehen. Trotz Ausnahmezustand. Trotz Demonstrationsverbots.

Collage Klimaaktionszone Naomi Klein etc.

Barbara Köppel

Anti-Kapitalismus-Ikone Naomi Klein hat gestern in der ZAC die Pariser AktivistInnen mobilisiert.

Küssen zur Deeskalation

Doch was tun, wenn die Polizei in voller Montur auf dich zustürmt? Das ist eines der Szenarien, das in den Action-Trainings in der ZAC durchgespielt wird. In Kleingruppen versuchen die TeilnehmerInnen möglichst rasch eine Entscheidung zu finden. Die Workshops sind mittlerweile so populär, dass sie in den letzten Tagen bereits von hunderten Interessierten absolviert wurden. Immer wieder wurde dabei wegen des großen Zustroms auf weitere Räume ausgewichen.

Ablauf der Klimaproteste
Ab 11.45 Uhr wird entlang der Avenue de la Grande Armée eine Mahnwache für die Opfer von Klimawandel, Krieg und Terror abhalten. Danache werden rote Linien aufgelegt, die nicht überschritten werden dürfen, wenn die Möglichkeit eines ökologischen und sozialen Gleichgewichts bestehen bleiben soll. Um 14 Uhr wird eine Menschenkette auf dem Champs de Mars in der Nähe des Eiffelturms gebildet. An diesen und zahlreichen anderen Aktionen beteiligen sich etliche Organisationen, darunter 350.org, Avaaz oder das Climate-Games-Netzwerk.

„Ich möchte keinesfalls verhaftet werden, und werde mich an keiner Art von Gewalt, Vandalismus und Respektlosigkeit beteiligen. Wenn es zu so einer Situation kommt, werde ich mein Bestes tun, um zu deeskalieren oder die Demonstration verlassen.“, sagt John aus Kanada. Er hat seine Grenzen klar festgelegt und im Action-Training alle rechtlichen Infos bekommen. Diese liegen in der ZAC auch als Infobroschüre auf: „Denkt an Kontaktdaten eines Anwalts oder einer Anwältin“, steht da z.B. drinnen. „Bringt keine Gegenstände, die als Waffen eingestuft werden können. Lasst niemanden alleine.“

Deeskalationsmaßnahmen stehen im Zentrum des Action-Trainings. Der Tipp, im Falle eines Übergriffs eine Kissing-Line zu bilden und einfach zu schmusen zu beginnen, findet im Klimaaktionszentrum großen Anklang.

Demonstrieren im Ausnahmezustand

Doch wie ist es im Ausnahmezustand überhaupt möglich zu demonstrieren? Die französischen Behörden haben alle politischen Versammlungen untersagt. Alexis Raul von der Coalition Climat 21 deutet an, wie die AktivistInnen das Verbot umgehen wollen: „Eine politische Versammlung ist es erst, wenn sich mehr als zwei Menschen mit derselben politischen Botschaft zusammentun. Solange wir das nicht tun, ist alles im grünen Bereich.“

Ob die Pariser Sicherheitskräfte das morgen genauso sehen, bleibt abzuwarten. Die CRS-Polizisten haben in der Szene keinen guten Ruf und seit den Terroranschlägen vom 13. November weitreichende Befugnisse. Die provisorischen Hausdurchsuchungen und der Hausarrest von KlimaaktivistInnen im Vorfeld der Klimakonferenz z.B. haben für große Kritik gesorgt. Sie dürfen die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit von Personen ohne Weiteres einschränken.

„Am Place de la République ist es zum Auftakt der Klimakonferenz ja auch zu starker Polizeigewalt gegen Demonstrierende gekommen“, erzählt Rae aus Kalifornien. Sie war in den vergangenen zwei Wochen bei mehreren Protestaktionen dabei. „Erst gestern bin ich mit etwa 100 anderen Menschen unterm Eiffelturm gestanden und es gab keine Interventionen. Auch als mehr als 300 Personen mit ihren Körpern das Pariser-Peace-Zeichen und den Schriftzug 100% Renewable gebildet haben, ist nichts passiert. Wenn Madonna spontan ein Solidaritätskonzert auf den Straßen von Paris geben kann, warum sollten wir nicht ein Zeichen gegen den Klimawandel setzen können.“

Klimaprotest am Champs de Mars in Paris

Yann Arthus-Bertrand

Neben all der Aufregung um den Ausnahmezustand, soll es in erster Linie um die Botschaft gehen, betonen die AktivistInnen. Wer an der Demo teilnehmen wolle, soll rote Accessoires mitbringen, um sie auf der Straße aufzulegen. Die so entstehenden roten Linien symbolisieren die erträglichen Limits für die globale Erwärmung. Das Klimaabkommen sollte sie nicht überschreiten.

Zu den Klima-Protesten haben sich auch Naomi Klein, Patti Smith und Thom Yorke angesagt.

Für den morgigen Deal mache man sich allerdings keine großen Hoffnungen, sagt Alexis Raul: „Es wird vielleicht tolle Schlagzeilen über das 1,5-Grad-Ziel geben, aber keinen rechtlich verbindlichen Vertrag, keinen Mechanismus für die Überprüfung der Reduktionsziele und keine Sanktionen für Klimasünder.“ Und Rae aus Kalifornien fügt hinzu, dass es gerade jetzt wichtig wäre, die Verbindung zwischen Terrorismus und Klimawandel herzustellen: „Klimakatastrophen vertreiben Menschen aus ihrer Heimat, oft vom Land in die Städte, wo es dann gehäuft zu gewalttätigen Konflikten kommt, wie wir das in Syrien erleben.“

Der Klimaprotest morgen versteht sich daher auch als Friedensdemonstration. Es bleibt zu hoffen, dass beide Seiten diesem Anspruch gerecht werden.