Erstellt am: 9. 12. 2015 - 12:34 Uhr
Mit dem Herzen gut sehen und so
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Antoine de Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" wird ja sehr gerne romantisiert. "Man sieht nur mit dem Herzen gut" findet sich als Motivationsspruch auf Tischkalendern und auf Keksdosen, die klassischen Zeichnungen aus dem Buch in herzförmigen Bilderrahmen verpackt auf diversen Nachtkästchen neben Teelichtern und trockengepressten Rosen.
Gleichzeitig ist "Der kleine Prinz" aber auch eine Geschichte über Krieg, gebrochene Herzen, Einsamkeit, Tod und Selbstmord. Über die Gefahren des Alkoholismus, gespickt mit antikapitalistischen Untertönen. "Eines der wichtigsten existentialistischen Bücher des 21. Jahrhunderts", nannte Martin Heidegger die Geschichte über den Piloten und den kleinen Prinzen. Das Genie Saint-Exupérys lag in der Aufbereitung seiner komplexen Messages als leicht konsumierbare Novelle für eine Leserschaft jeden Alters, ohne dabei ein einziges Mal herablassend oder oberflächlich zu wirken.
Jetzt erscheint "Der kleine Prinz" in neuem Kontext als 3D-animierter Film in unseren Kinos und ist dabei in seiner Besetzung so "Hollywood" wie nur möglich: Mark Osborne, Filmemacher hinter "Kung Fu Panda" und "SpongeBob Schwammkopf" übernimmt die Regie, Jeff Bridges, Rachel McAdams, James Franco und Ricky Gervais leihen den Charakteren ihre Stimmen und der Soundtrack kommt von niemand anderem als Hollywood-Komponistenlegende Hans Zimmer.
Wird eine klassische Geschichte für die große Kinoleinwand adaptiert, bedeutet das in erster Linie eines: So massentauglich wie möglich zu werden - denn solche Familienfilme sind teuer und in erster Linie dazu da, Geld zu machen. Versucht wird das, indem eine neue Ebene hinzugefügt wird: Die eines kleinen Mädchens, der die Abenteuer des Prinzen erzählt und erklärt werden. Das macht die Geschichte einerseits zu leicht konsumierbarer Familienkost, andererseits werden dem Zuseher dadurch die individuellen Erklärungsmöglichkeiten für die oft komplexen Botschaften des Films genommen.
Damit entsteht im Kinosaal ein irgendwie bedrückendes Erlebnis, während dem ständig zwischen altersgerechtem Animationskinoklamauk und für jüngere Zuseher und schwer verdaulichen Botschaften à la "Jeder muss einmal sterben" hin- und hergeschwenkt wird. Schade eigentlich, denn in seinem Kern ist "Der kleine Prinz" ein ziemlich gelungener Film mit viel Liebe zum Detail und guten schauspielerischen Performances.
Die eigentliche Frage bleibt, wieso ein neuer Film über den kleinen Prinzen überhaupt notwendig war. Und natürlich ist da als Erklärungsmöglichkeit besonders naheliegend, dass die Geschichte für die ideenhungrige Filmindustrie des 21. Jahrhunderts besonders spannend war – weil sie eben schon länger nicht mehr erzählt wurde. Für Mark Osborne ist die Story aber vor allem ein Nostalgietrip: "It actually helped me to reconnect with my childhood. I wanted the film to be about the connection with a story and how the story can change you and affect your life."
Gleichzeitig liefen heuer auch die Rechte an der klassischen Geschichte aus – was vor allem dazu führt, dass "Der kleine Prinz" in zahlreichen aktualisierten Übersetzungen erscheint. Die Verlage dahinter scheinen genauso nach Erklärungen für die neuen Adaptionen des Buchs zu suchen wie Filmemacher Osborne. Zumindest Peter Sloterdijk, der an einer Neuveröffentlichung für den Suhrkamp Verlag arbeitete, hat eine aktuelle Verwendungsmöglichkeit für das Buch als helfenden Ratgeber: "Der König im Buch hat sich einen konsequenten Opportunismus als Regierungsstil zu eigen gemacht. Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, dass wir ein Widmungsexemplar im Kanzleramt abgeben."
Schlussendlich bleibt es dabei, dass ein neuer "Kleiner Prinz" nicht zwingend notwendig gewesen wäre. Ja, die Filmadaption ist eine große Chance, die Botschaften der klassischen Novelle einem neuen Publikum vorzuführen. Und ja, die neuen Versionen des Buchs erleichtern die Weihnachtsgeschenkwahl für so manchen schwer zu beschenkenden Mitmenschen. Saint-Exupérys ursprüngliche Geschichte, das simple Märchen von Menschen auf der Suche nach Glück, Liebe und Sinn, bleibt aber weiterhin die essenziellste Version des Klassikers.