Erstellt am: 7. 12. 2015 - 16:05 Uhr
Drei Bankreihen Support
FM4 sammelt im Rahmen von Licht ins Dunkel für die Georg Danzer Häuser. Mehr Infos und alle Spendenmöglichkeiten gibt es hier
In Parks in Wien und Umgebung schaut Sabine Kirschleder nach Obdachlosen. Speziell in den Wintermonaten ist sie mit Freundinnen unterwegs, verteilt Tee und warme Jacken. Seit Jahren gibt es diese private, ungewöhnliche Teerunde. "Heute hätte ich eigentlich meine Teerunde!", sagt Kirschleder, als sie vor der Sporthalle in Köflach steht. Drinnen kämpfen jeweils zwei Kinder bzw. Jugendliche auf vier Bahnen zugleich. Mit Kopfschutz, Mundschutz, Schienbeinschützern und in speziellen Schuhen. Wer mehr Kontakte also Treffer hat, gewinnt beim Leichtkontakt. Kickboxen, das ist auch für Sabine Kirschleder eine neue Welt.
Seit Sommer kümmert sie sich um das Flüchtlingskind Amiri. Die Teerunde hat ihr Gebiet erweitert, nun fahren sie auch nach Traiskirchen, um Flüchtlinge zu unterstützen. Beim Erstaufnahmezentrum hat ihr Amiri einen Müllsack aus der Hand genommen, um mitzuhelfen. Bei einem nächsten Besuch in Traiskirchen erfährt Sabine Kirschleder, dass Amiri ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan ist.
Amiri kickboxt seit seinem sechsten Lebensjahr. Jetzt ist er vierzehn, lebt in einem Georg Danzer Haus in Wien und trainiert beim Verein Budo Sport Wien mit Josef Bognar. Amiri mag Superfight und Free Fight. Spricht er über das Kickboxen, redet er von "work".
Beim AlpeAdriaCup in Köflach kämpft er hierzulande nun erstmals Leichtkontakt. Das erfordert ein hohes Maß an Technik. "Reinhauen kann jeder. Aber mit Gefühl und mit Abstoppen erfordert es großes Niveau", erklärt Trainer Bognar. Pointfighting, Leichtkontakt, Vollkontakt - letzterer wird hierzulande erst ab fünfzehn Jahren erlaubt. Kopftreffer, Körpertreffer, für Laien mutet Kickboxen durchaus brutal an. Die Verletzungen wären aber sehr gering, versichert Bognar.
Radio FM4
FM4 auf Laut kommt morgen Dienstag, 21.00 Uhr, aus dem Georg Danzer Haus. Claus Pirschner besucht die Jugendlichen. Mitreden erwünscht unter 0800 226996.
"Zurzeit bin ich glücklich", sagt Amiri auf Englisch. Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen hat er sich Englisch beigebracht, weil er dachte, dass man in Österreich diese Sprache spricht, erzählt Sabine Kirschleder. Zu ihr sagt Amiri "Mama", das hat er sich gewünscht. Mit seinen Eltern in Kabul ist Amiri in Kontakt. Sie wünschen ihm das Beste: "You should stay in Austria and keep your sport and please try to make the best".
Bilder dokumentieren Amiris sportliche Erfolge in seinem Geburtsland. Zwei breite, schön verzierte Gürtel hat er gewonnen. Der Sport brachte Amiri und seiner Familie auch früh ein Einkommen. Amiri war der Champion in seinem Club. "Es gibt dort einige andere ethnische Organisationen, die ihre jungen Kämpfer auf dem Stockerl sehen wollten. Amiri gehört der schiitischen Minderheit der Hazara an und er wurde mit dem Tode bedroht", weiß Sabine Kirschleder. Von heute auf morgen verließ Amiri sein Zuhause und seine Familie, um diese zu schützen.
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"Ich bin der Helmut-Papa, quasi der Ersatzvater im Haus im 19. Bezirk", stellt sich Helmut Horatschek vor. Amiri ist nicht nervös an diesem Turniertag in der Steiermark. Im Gegenteil, er sie ziemlich locker drauf, findet der Helmut-Papa. Im Haus hat er Amiri einen Fitnessraum mit Boxsack eingerichtet, auch die anderen Burschen trainieren gern. Für seine Mitbewohner sei Amiri ein Vorbild an Disziplin.
„Er steht um sechs Uhr in der Früh auf, um zur Schule zu gehen, ohne, dass ich ihn wecken müsste“, erzählt Horatschek. „Andere muss ich motivieren, aufzustehen“. Amiris Sport fördert man im Georg Danzer Haus „natürlich“. Und Burschen, die derart diszipliniert wären und einen Plan hätten. Denn das hätten nicht alle, so Horatschek.
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In der Sporthalle in Köflach sitzen viele Eltern auf den Tribünen. Es dauert Stunden, bis Amiri seinen Auftritt hat. Doch seine Anhängerschaft auf der Tribüne hält durch. "Wir sind eine Familie, wir leben zusammen. Ich musste herkommen", sagt Helmand. Auch er ist alleine aus Afghanistan geflohen.
Die Wochenenden von Eltern, deren Kinder Sport machen, sind verplant mit Training und Turnieren. Horatschek hat nicht nur Amiri zu betreuen. Wie sehr kann er auf die Vorlieben seiner Schützlinge eingehen? Würden alle in verschiedenen Vereinen kickboxen, wäre das nicht zu machen.
Aber die Neigungen sind zum Glück sehr unterschiedlich. Einer macht gern Musik, einmal in der Woche kommt ein Gitarrenlehrer ins Haus und alle sind dabei. Einige wollen ins Gymnasium gehen, andere besuchen den Deutschunterricht im Haus. Zwei Jugendliche spielen Theater. Du wirst nicht handwerklich arbeiten, sondern auf der Bühne stehen und Theater machen, sagt Horatschek zu ihnen. Sie hätten keine Scheu oder Ängste, auf der Bühne zu stehen.
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"Es ist schön zu sehen, wie sie aufblühen und wieder Kinder sein dürfen. Was sie nicht sein konnten, weil sie sehr früh zu arbeiten angefangen haben; sehr früh die Familie unterstützen mussten. Das fällt jetzt weg. Bildung ist die einzige Religion im Haus, die wir haben. Jeder kann beten, wie er will. Doch Schule und Bildung stehen bei uns an erster Stelle", sagt Helmut Horatschek. Bei der Hausarbeit ist Mithilfe klarerweise gefragt.
Das Georg Danzer Haus ist keine Herberge, sondern die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge leben in einer großen Familie. Die Wienerin Marianne Engelmann gründete im vergangenen Herbst den Verein Fluchtweg und mietete ein Haus an, um dort unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterzubringen. Inzwischen gibt es drei Georg Danzer Häuser. "Marianne und ich haben im fortgeschrittenen Alter sozusagen noch acht Burschen bekommen!"