Erstellt am: 6. 12. 2015 - 14:50 Uhr
Catch Me If You Can
Hier wird die Beziehung zwischen zwei Menschen wieder einmal als Wettstreit gedeutet. Ein Kräftemessen, ein Sticheln und Teasen, ein Fingerhakeln der Möglichkeiten. Es kann ein spielerisches, aphrodisierendes Hin und Her sein, aus dem sich ein romantisches Verhältnis entwickeln könnte, eine Liebe oder auch bloß ein körperliches Zweckerfüllungsbündnis. Es kann aber auch ein tatsächlich bitteres Gegeneinander werden, ein Ausspielen und Ausloten von Machtpositionen.
Laut Eigenaussage hat die New Yorker Band Chairlift ihren neuen Song "Romeo" rund um die Geschichte der mythologischen Figur Atalanta gestrickt. Aus dem Lied selbst geht das nur vage hervor, einzig das Motiv ist ein ähnliches, weltbekannt dürfte die Atalanta-Erzählung zudem ebenfalls nicht sein.
Atalanta war der griechischen Sage nach eine jungfräuliche Jägerin, die Männer, die um ihre Gunst buhlen wollten, zu einem Wettrennen herausforderte. Die Verlierer wurden von Atalanta getötet. Viele Männer starben. Atalanta widmete sich wieder interessanten Dingen.
Chairlift
Im Stück "Romeo" nimmt nun Chairlift-Sängerin Caroline Polachek die Rolle einer Art modernen Atalanta ein, das mit dem Umbringen haben wir hinter uns gelassen. "On your marks, get set!", beginnt der Song, Polachek, komplett in Kontrolle, verklickert den Mackern, dass sie mal zeigen sollen, was sie so drauf haben außer mit Worten die Luft wärmen: "Step up, lover, big talker, take a number. I've got all day, to wipe the smile off your face".
Der Song ist aber nicht bitter oder enttäuscht, sondern einziges selbstsicheres Grinsen, man meint es aus der Phrasierung Polacheks strahlen zu hören. Gemeinsam mit ihrem Partner Patrick Wimberly hat Polachek einen luftigen Disco-Pop-Track gebaut, aerodynamisch, eine einzige Vorwärtsbewegung, ein konstantes Pulsieren, das das Thema des Laufens in Musik übersetzt.
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"Hey Romeo, put on your running shoes, I'm ready to go", heißt es im Refrain. Der steile Galan kommt nicht gegen Caroline Polachek an. Mit wenigen Zeilen und durch die nuancierte Intonation, da und dort mit Autotune nachjustiert, wird hier ein starker Charakter zum Leben erweckt, gewitzt, frech und mit allem Fug und Recht von sich selbst überzeugt. Ein jovial herablassendes Kopftätscheln darf sich die Frau schon auch mal leisten.
Nach gerade mal drei Minuten ist dieses bestens gelaunte Liedchen auch schon wieder vorbei, die Typen kommen diesmal wohl wieder etwas später ins Ziel.