Erstellt am: 6. 12. 2015 - 09:20 Uhr
Kopf voller Träume: Coldplay
Coldplay, das sind schöne Erinnerungen, etwa an den allerersten Song, in den 90ern beim kleinen, britischen Plattenlabel Fierce Panda erschienen, an das Debutalbum der Band, "Parachutes", und dann "A Rush Of Blood To The Head", später eine Zusammenarbeit mit Musiklegende Brian Eno, ja, und selbst dem letzten Longplayer, dem traurigen "Ghost Stories", konnten alte Fans verfallen. An ein Konzert von Coldplay erinnere ich mich - vor zwölf Jahren in Paris, im Olympia, wo die Band auch ihre Interpretation von einem britischen Indierockklassiker spielte: "Lips Like Sugar" von Echo & The Bunnymen. Auch an ein nettes Interview mit Coldplay damals in Paris erinnere ich mich.
Ode an die Freude
Parlophone
Aber warum eigentlich in Erinnerungen schwelgen, was diese Band betrifft? Weil Coldplay eine längere Pause ankündigen. Ach, wer braucht Coldplay schon, sagen die einen, die anderen aber werden diese Band vermissen. Eine Tour gibt es immerhin noch zum brandneuen Album "A Head Full Of Dreams". Mit dem letzten Album, "Ghost Stories", waren Coldplay nicht live unterwegs, weil sich Sänger Chris Martin nach der Trennung von Gwynneth Paltrow nicht als Frontmann fühlte, wie er sagt. Jetzt ist die Freude wieder da - eine bunte, blubbernde Popfreude namens "A Head Full Of Dreams", samt Songtiteln wie "Hymn For The Weekend", "Kaleidoscope", "Fun", "Everglow" oder "Adventure Of A Lifetime".
Einen Gastauftritt von Noel Gallagher gibt´s auch - auf "Up & Up" spielt er ein Gitarrensolo. Zwischen dem Oasis-Mastermind und dem Coldplay-Sänger Chris Martin gab es immer Respekt, auch wenn man meinen könnte, Oasis und Coldplay das müsste mindestens so eine Feindschaft ergeben wie zwischen Oasis und Blur. Ist nicht so, auch wenn der Background von Gallagher und Martin sehr unterschiedlich ist, der eine ein Arbeiterkind aus dem traditionell eher ärmeren englischen Norden, und der andere ein gut situiertes Mittelstandskind aus dem verglichen wohlhabenden englischen Süden. Aber Chris Martin verzehrt schon mal gern Fish&Chips - was der US-Schauspielerin Gwyneth Paltrow nicht so gefiel, und Chris Martin ist grundsätzlich ein entspannter Typ, einer britischen Männerfreundschaft mit Noel Gallagher stand also nichts im Weg, auch wenn Noel G feixt, dass Chris Martins bedeutendste Aufgabe es ist, ihm Musikpreise zu überreichen. Hahaha.
Chris Martin: "I genuinely love Oasis and I also genuinely love Beyoncé. My body gets the same pleasure."
Da sind wir schon beim nächsten Gast am neuen Coldplay-Album - Popsuperstar Beyoncé. Eben mal schnell angerufen und schon war sie da. Auch ein Amerikaner namens Barack Obama ist zu hören am neuen Coldplay-Album, ja, er ist's, der US-Präsident, Amazing Grace intonierend. Einfach anrufen im Whitehouse und schon ist das Sample freigegeben. But isn´t that boring? Oder doch eine Art siebter Himmel? Mit Seventh Heaven betitelt die neue Ausgabe des britischen Q-Magazine seine Coldplay-Rezension von diesem Post-Breakup-Album der Band, das eben, wie gesagt, ihr siebentes ist.
Welche Träume bleiben Coldplay noch mit all ihren Nummer-1-Alben und dem unbeschränkten Celebrity-Zugang? Vielleicht ist das auch ein Grund, sich länger zurückzuziehen. Aber bitte nicht zum Käse-Fabrizieren oder so etwas, wie das etwa Alex James von Blur macht. Eine Filmrolle für Chris Martin vielleicht? Warum nicht. Oder ein Pub für Jonny Buckland? Na ja, das macht ja schon Keith Flint von The Prodigy.
This Is Pop
Sorgen wir uns jedenfalls nicht um die Zukunft von Coldplay. Chris Martin wird schon etwas einfallen, und sei es "nur" karitatives Engagement, denn das braucht die Welt ja bitterer denn zuvor, genauso wie den Optimismus der neuen Coldplay-Platte, der so gar nicht in die Zeit passt - oder doch? Um uns rauszureißen aus all den Sorgen. Das ist etwas, das gute Popmusik ja durchaus imstande ist zu tun oder sogar soll, ohne uns einzulullen und zu betäuben. Ok, dass er sich und seine Band da nun mit bunten Farben einsprühen ließ und dass da so viele Hippie-Armbandln um sein Handgelenk sind und der Perlenring am kleinen Finger - geht´s noch, Chris? Oh ja, es geht.
Coldplay
Es ist natürlich ewig schade um die "alten" Coldplay - welche genau? -, aber was bei Coldplay nicht aufzuhalten ist, ist nicht aufzuhalten. Dass Coldplay gerade mit dem neuen Album wieder sehr Coldplay sind, ist interessant, auch wenn man natürlich moderne Star-Producer wie das norwegische Duo Stargate für die Produktion verpflichtet hat. Über Letztere wird Freund Noel G aber schon ordentlich lachen, heimlich zuhause vorerst, aus Respekt vor seinem Buddy Chris, aber vielleicht sagt er Chris es ja bei einer nächsten Preisverleihung, dass Coldplay doch nicht 'so jemanden' brauchen würden. Ob diese Hitmaker-Producer dann aber genau für die vielen kleinen, herrlich wuselnden Details verantwortlich sind, die am Album so wunderbar zu hören sind, I have no idea.
Tipp: Die Coldplay Listening Session am Sonntag auf FM4
Über "Ghost Stories" sagt Chris Martin, dass es ein Kopfhörer-Album war, also ein introvertiertes und kein extrovertiertes. "A Head Full Of Dreams" ist extrovertiert, kommt aber mit all diesen Details im Sound auch gut via Kopfhörer. "A Head Full Of Dreams" ist eine Ode an die Freude. Throw your hands up in the aaair!
P:S.: Brian Eno singt übrigens mit auf "Up & Up".