Erstellt am: 5. 12. 2015 - 09:39 Uhr
Quiet Is The New Loud
Erlend Oye und Eirik Glambek Boe wurden vor fünfzehn Jahren mit ihrem Akustik-Sound zu internationalen Stars. "Quiet Is The New Loud" hieß das Debutalbum der beiden. Sechs Jahre nach ihrem letzten Album kamen die Kings Of Convenience nun mit diesem Statement endlich zu uns.
Samir H. Koeck
Die Kings Of Convenience können es noch immer. Quiet Is The New Loud war und ist ihr Motto. Aber alles der Reihe nach: Ich fahre nach Simmering, ins "Simm City", parke das Auto in der Tiefgarage eines Einkaufszentrums auf der Simmeringer Hauptstraße, fahre mit dem Aufzug nach oben, dann weiter mit der Rolltreppe hinauf an jenen Ort, wo steht "Veranstaltungszentrum". Früher war das einmal, in Wiens Arbeiterbezirk Simmering, ein "ballroom", ein Festsaal, ein Stadtsaal, der irgendwann vergessen war und erst in jüngerer Zeit wiederbelebt wurde. Heute stehen Stühle im Saal, die Platz für etwa 500 Menschen bieten. Alle sind extra wegen dieser beiden norwegischen Musiker Eirik und Erlend hergekommen. Den meisten von uns sind diese Songs so vertraut – "Toxic Girl", "Winning A Battle, Losing The War" oder "Failure", - aber live in concert hierzulande gehört haben wir sie nie. Die Vorfreude ist umso größer.
Da trifft das Urbane auf das Pastorale
Kings Of Convenience
Zuhause noch schnell die CDs der Kings Of Convenience rausgekramt und die Videos angeschaut: Da trifft das Urbane auf das Pastorale. Da rattert ein Zug von der Stadt hinaus aufs Land. Da wird ein Fußball durch grüne norwegische Wiesen gekickt, da liegt man im Gras und zupft auf der Akustischen, während ein blühender Baum gerüttelt wird und dessen Blüten wie sanfte Frau-Holle-Schneeflocken fallen, oder da sitzt man in nordischen Holzhäusern, in gemütlichen Sesseln und musiziert, schöne, junge Frauen kommen vorbei, die immer der fesche Eirik abbekommt – so wie auch am Albumcover zu "Quiet Is The New Loud", während der nerdige Erlend so ein bisschen den charmanten Hofnarren gibt. Das ist Sixties-inspiriert, das erinnert manchmal an Belle & Sebastian und an Simon & Garfunkel, aber in seiner Unaufdringlichkeit auch an den Bossa Nova des großen dezenten Brasilianers Caetano Veloso.
Wie würden Erlend und Eirik heute aussehen? Wie werden sie agieren? Dem Einen, Erlend Oye, sind wir ja immer wieder einmal über den Weg gelaufen, ob als Solo-Performer oder als funkiger Whitest Boy Alive, aber der Andere, Eirik, blieb ein Geheimnis – angeblich arbeitet der studierte Psychologe in Norwegen in eben diesem Beruf, während Erlend später in Berlin lebte und heute ein Haus auf Sizilien bewohnt, zusammen mit der Mutter; aus dem Nerd von damals ist ein fast schon schicker bourgeoiser Bohemien geworden. Bevor die Kings Of Convenience also an diesem Abend mit zwei Stimmen und zwei (semi)-akustischen Gitarren loslegen, nehmen sie am Bühnenrand aber noch im Ledersofa Platz, wo FM4s very own Stuart Freeman diesen Konzertabend hostet und Eirik und Erlend zum netten Plausch trifft: Mit 15 trafen sie sich, erzählt Eirik Glambek Boe. Es war in der Schule, in der beide neu waren. Im Geographieunterricht sprach Eirik über die Höhe des Mount Everest, als von hinten eine Stimme unterbrach und ihn korrigierte. Das war der Beginn einer Freundschaft und schließlich der Anfang der Kings Of Convenience.
Wie es zum "Quiet Is The New Loud"-Motto der beiden kam, fragt Stuart Freeman – in einer popmusikalischen Ära, in der die Gitarreneffekte den Ton angaben. Dass sie kurz in London lebten, erzählen Erlend und Eirik, dort aber nicht wirklich Anschluss fanden, erst in Liverpool und Manchester ein wenig, bevor es aber dann wieder zurück nach Norwegen ging.
Zwei Männer also, und zwei semiakustische Gitarren: Kings Of Convenience spielen das komplette "Quiet Is The New Loud"-Album, und noch ein paar Songs mehr. "Winning A Battle, Losing The War" ist am Album der Opener, und er ist es auch hier beim Konzert, gefolgt von "Toxic Girl" und "Singing Softly To Me", Letzteres samt Fingerschnippen aus dem Publikum, während Erlend Oye erst zum winzigen Toy-Piano geht und dann eine Trompete imitiert. Großer Applaus für die Kings Of Convenience. Ok, ein klitzeklein wenig älter sind sie geworden in den fünfzehn Jahren seit ihrem ersten Album und den sechs seit ihrem letzten, aber sonst? Just like yesterday.
Just like yesterday.
Erlend Oye erinnert sich an das Jahr 1997, ein wichtiges in der Geschichte dieser beiden Freunde und Bandkollegen: Eirik ging damals zum Studieren nach England, was bewirkte, dass die beiden erstmals auf Englisch texteten. Erik Glambek Boe stimmt den nächsten Song von "Quiet Is The New Loud" an - "I Don't Know What I Can Save You From". Wie gut sie harmonieren, wie fantastisch Erlend Oye die Gitarre spielt. Applaus.
Applaus.
Es folgt noch ein – wie Erlend Oye ankündigt "song from the London years". Er fügt hinzu: "Times were rough". "Failure" heißt der Song, mit der Zeile "failure is always the best way to learn". Dies ist kein trauriger Folk, das zaubert den Menschen vielmehr ein Lächeln ins Gesicht. Musik fürs Gemüt. Da übersieht man fast die Fakten, etwa dass diese Maschine eine gut geölte ist, trotz zeitlicher Gaps und geographischer Ferne. Diese beiden Männer wissen, was sie tun. Gestern war eben gerade erst gestern.
"Can't find the key to my door", heißt es im nächsten Stück der Kings Of Convenience. Eirik beginnt, dann singt Erlend mit: "The Weight Of My Words". Die A-Seite dieser Platte "Quiet Is The New Loud" ist nun fertig gespielt. Wir drehen die Platte einfach um, machen aber noch eine kurze Pause, für die Erlend Oye empfiehlt aufzustehen, sich die Füße zu vertreten oder einfach nur sitzenzubleiben und "just stay in silence.
Nach der Pause nehmen Erlend Oye und Eirik Glambek Boe noch einmal Platz am Sofa auf der Bühne, um mit Stuart Freeman weiterzuplauschen. Ein "Quiet Is The New Loud"-Buch gibt es auch, nicht verfasst von den Kings Of Convenience selbst, aber es soll schließlich beworben werden. Die Entstehung vom Debutalbum der Band ist darin nachzulesen, etwa Anekdoten wie, dass ein Mann der französischen Plattenfirma, wo "Quiet Is The New Loud" damals erschien, diesen Titel nicht mochte und das Album lieber "Toxic Girl" nennen wollte. "We wanted to create as much with as little as possible", erinnern sich Erlend und Eirik, und dass schließlich noch StreicherInnen den Weg auf das Album fanden. Eirik und Erlend haben Humor. Ob der Bühnentalk am Sofa insgesamt die Magie des Auftritts der Kings Of Convenience etwas durcheinanderbringt, sei dahingestellt, denn das hier ist insgesamt ein stimmiger Abend. Stuart Freeman fragt noch zum genialen Video von "I'd Rather Dance With You", einem späteren Song der Band, und wann denn ein neuer Longplayer der Kings erscheinen wird: Könnte noch etwas dauern, verraten die beiden, und dann geht's weiter mit der B-Seite vom Album "Quiet Is The New Loud".
1998, meint Erlend Oye, hatte Eirik die Idee mit dem Bossa Nova Sound. Welch geniale Idee, fügen wir im Publikum still in unseren Köpfen hinzu. "Lean Against The Wall" heißt dieser Song. Superschön. Wie sie wieder zu zweit Gitarre spielen, großartig. Es folgt "Little Kids", laut Erlend Oye, "an attempt at house music". Nach einem "thank you very much" steht jener Song von "Quiet Is The New Loud" an, den die Kings Of Convenience praktisch nie live spielten, weil er vor größerem Publikum eher nicht funktioniert hätte, allein schon wegen seinem guitar tuning, wie Eirik Glambek Boe meint: "Summer On The West Hill", gefolgt vom hypnotischen "The Passenger" und dem Albumcloser "Parallel Lines", samt sehr schönem Gitarrensound, vor allem Erlend Oye agiert hier als Gott an der Semiakustischen. Standing Ovations.
"How come no-one told me
All throughout history
The loneliest people
Were the ones who always spoke the truth
The ones who made a difference
By withstanding the indifference"
Kings Of Convenience, "Misread"
Als Zugaben spielen die Kings Of Convenience – nachdem sie uns baten, nun aufzustehen und zur Bühne zu kommen, "Mrs Cold" vom letzten Album, dem sechs Jahre alten "Declaration Of Dependence", sowie "Homesick" und das superschöne "Misread", beide vom mittleren Album der Band, "Riot On An Empty Street". Popmusik wie aus längst vergangenen Tagen, gespielt von zwei sehr modernen Typen. Bevor die Kings Of Convenience die Bühne verlassen: Das war Erlend Oye, sagt Eirik und zeigt auf Erlend, und das war Eirik Glambek Boe, sagt Erlend und zeigt auf Eirik, fast wie damals in der Schule, als man einander erstmals begegnete. Ein herzerwärmender Konzertabend war das.