Erstellt am: 3. 12. 2015 - 20:05 Uhr
Ungewöhnliche Spielegeschichten
Spielemacher_innen
Die FM4 Spielkulturredaktion präsentiert in unregelmäßigen Abständen ausgewählte österreichische Gamedesigner_innen und ihre Werke.
Erst im historischen Rückblick werden Tendenzen und Schwerpunkte so richtig gut sichtbar. Bei Computerspielen könnte man meinen, dass sich das vor allem auf technische Aspekte bezieht - schließlich konnten Games vor 30 Jahren noch ganz und gar nicht so aussehen wie heute. Doch auch im Aufgreifen von Themen und im Erzählen haben sich digitale Spiele früher ziemlich eingeschränkt. Das macht sich etwa stark bei interaktiven Geschichten bemerkbar. Denken wir an die Hochzeit der Grafik-Abenteuer Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre, also an Reihen wie "Space Quest", "The Legend of Kyrandia" oder "The Secret of Monkey Island". Bei diesen Geschichten ging es vor allem um Humor: Es gab kuriose Figuren, witzige Dialoge, ulkige Gegenstände, und so weiter. Auf die Idee, Trauer, Abschied, Identitätsfindung oder Demenz zu thematisieren, ist damals (und auch lange danach) kaum jemand gekommen.
Inhalte in Games haben sich allerdings seit Ende der 2000er Jahre stark erweitert. Das, was ehemals "Serious Games" waren - also Spiele, die sich nicht der Knechtschaft des großen, schwammigen Begriffes "Spaß" unterwerfen -, ist mittlerweile ein selbstverständlicher Teil von Computerspielkultur geworden, der auch eine neue Generation an Gestalter/innen hervorgebracht hat. Der in Wien lebende Niederösterreicher Stefan Srb alias Leafthief gehört dieser neuen Bewegung an Designern an: Er arbeitet untertags beim Spielestudio Mipumi an Projekten, die sich (auch) kommerziellen Richtlinien anpassen müssen. Nach Feierabend und am Wochenende kann sich Stefan jedoch jenen Themen und Spielen widmen, die ihn am meisten reizen.
Aufblühen im Game Jam
The Lion's Song
Srbs Spiel über Inspiration erscheint ab Anfang 2016 als episodenhafte, erweiterte Version unter dem Namen seines ihn dabei unterstützenden Arbeitgebers Mipumi. Das Original ist frei spielbar.
Der 28-jährige Stefan Srb hat Medientechnik und Design, später Digital Arts an der FH Hagenberg studiert und kommt ursprünglich aus dem visuellen Bereich. Am Anfang seiner Karriere hat er sogar überlegt, Werbegrafiker zu werden. Im Gespräch mit Freunden ist er dann aber doch aufs Computerspiel gekommen. Seine Offenbarung hat Stefan im Prinzip der Game Jams gefunden: Nur 48 Stunden Zeit zu haben, um zu einem bestimmten Thema ein eigenes, kleines Spiel zu machen, ist jenes Korsett, bei dem er kreativ am meisten aufblüht.
Das Programmieren hat sich Stefan Srb zwar angeeignet, es ist aber nicht seine Stärke, wie er selbst sagt - deshalb ist die interaktive Geschichte sein Markenzeichen geworden, weil dabei technisch keine großen Hürden entstehen. Bei den Spielen von Leafthief beginnt es immer mit einem Thema und einer Szene. Alles weitere entspanne sich dann oft quasi von selbst. Wie eindringlich diese einzelnen, liebevoll detailliert gestalteten Szenen sein können, konnte man vor kurzem in der Ausstellung "Vienna Video Game Aesthetics" sehen, wo die erste Einstellung des Spiels "Ten Weeks", einer fragmentierten Erzählung zu Demenz, abgebildet ist.
Robert Glashüttner / FM4
Die behutsam übernommene Grafik-Adventure-Ästhetik aus der "Monkey Island"-Ära, gepaart mit den ungewöhnlichen Themenfeldern, aus denen Stefan Srb schöpft, erzeugen eine sehr stringente, aber dennoch nie berechenbare Handschrift. Der Umstand, dass hier ein professioneller Gamedesigner am Werk ist, der noch dazu ein gelernter, talentierter Grafiker ist und auch selbst Musik machen kann, lässt es zu, dass Stefan Srb komplett eigenständig arbeiten kann und das für seine persönlichen Spiele auch fast immer tut.
Robert Glashüttner
Selbst spielen
Aktuelle Spiele wie "Ten Weeks" sowie auch "One More Night" (Thema: Abschied von der Jugend) und "A Heart Between Parts" (Thema: Selbstfindung) sind frei auf Stefan Srbs Itch.io-Seite verfügbar.
Dass der Mann aber alles andere als ein schrulliger Einzelkämpfer ist, beweisen sein Job, wo er viel im Team arbeiten muss und seine starke Einbindung in die Wiener Games-Szene. Doch das Alleine-Arbeiten an den eigenen, persönlichen Spielen hat viele Vorteile: So kann man die Erwartungen nämlich beliebig hoch schrauben und uneingeschränkt streng sein - denn mit sich selbst kann man sich das schließlich erlauben. Schlafen ist nach 48 Stunden immer noch möglich. Der gebündelte Einsatz lohnt sich aber meistens, denn danach ist im Idealfall ein interessantes, ungewöhnliches, kleines Spiel entstanden. Bislang kann Stefan Srb diese Idealfälle verblüffend gut reproduzieren.