Erstellt am: 3. 12. 2015 - 17:17 Uhr
Winter in Traiskirchen
Vor dem Lager hängen wie immer ein paar Jungs aus Afghanistan, Somalia und anderen Ländern ab. Manche essen Reis aus kleinen Plastikbechern, andere rauchen und warten. Ab und zu bringen Taxis neue Flüchtlinge ins Lager.
Abdulah ist erst seit gestern hier. Der 16-jährige Afghane ist alleine nach Österreich gekommen und hat einen Platz im Lager bekommen. Mit seiner Unterkunft ist er zufrieden. Hier hat er Amir kennengelernt, der ebenfalls aus Afghanistan kommt. Amir lebt mit seiner Mutter und seinen drei kleinen Geschwistern in der Moschee von Traiskirchen, eine der zahlreichen spontan organisierten Notunterkünfte.
Licht ins Dunkel
FM4 unterstützt heuer im Rahmen von Licht ins Dunkel die drei Georg Danzer Häuser in Wiener Neustadt und in Wien, wo unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht nur wohnen, sondern in einem familiären Umfeld leben und lernen. Mehr dazu hier.
„Wir haben nicht genug Platz und kein Geld. Meine Mutter und Schwestern sind krank.“, erzählt er, Abdulah übersetzt für ihn.
Vier Familien teilen sich die Räume des kleinen Gebetshauses. Seit Monaten versuchen die Moschee, kirchliche und andere zivilgesellschaftliche Organisationen intensiv bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge mitzuhelfen und stoßen dabei an die Grenzen der Kapazitäten. Die Situation ist besser als vor einigen Wochen, dennoch verbringt weiterhin ein Dutzend Menschen die kalten Winternächte in einem Linienbus hinter dem Lager.
„Die Neuankömmlinge werden zuerst in den Zelten aufgenommen, die allerdings sehr kalt und schlecht versorgt sind.“ sagt Birgit Pinz, Sprecherin der Initiative Flüchtlingshilfe Direkt. Sie verteilt Essen an obdachlose Asylsuchende in Traiskirchen. Als sich die Aufmerksamkeit auf die Grenzen und Bahnhöfe Österreichs gerichtet hat, ist Traiskirchen in Vergessenheit geraten. Dennoch gab es immer genug freiwillige HelferInnen. In der Advents- und Weihnachtszeit befürchtet Pinz aber auch in dem Bereich Engpässe.
Alte Probleme und ein neues Zelt
Die Bekämpfung der Obdachlosigkeit steht auf der ersten Stelle der To-Do-Liste von Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler. In den nächsten Tagen soll ein neues beheizbares Zelt aufgestellt werden, das die Stadt von der UNO angefordert hat. Dort sollen Flüchtlinge, die in der Nacht ankommen und nicht aufgenommen werden können, untergebracht werden.
„Es ist eigentlich ein Wahnsinn, dass ich als Bürgermeister die Verantwortung übernehmen muss, obwohl der Fehler klar im System und im Innenministerium liegt.“, sagt Babler in seinem „persönlichen“ Spendenlager, umgeben von Kinderschuhen, Winterjacken und Bekleidung.
Er versucht, wie die meisten in Traiskirchen, mit persönlichen Initiativen die Fehler des Systems auszubügeln. Einmal in der Woche treffen sich bei ihm zu Hause Flüchtlinge, essen gemeinsam und tauschen sich aus. Die größten Sorgen bereiten ihm aber die minderjährigen Flüchtlinge.
Die Jungs und Mädels von Traiskirchen
Von den 1700 Asylsuchenden in Traiskirchen sind über 1.200 minderjährig. Sie leben ohne Familie und ohne Begleitpersonen im Massenlager und in den Notquartieren. „Im Lager gibt es ungefähr 40 Buben zwischen 8 und 12 Jahren, die jetzt Ersatzväter bekommen sollen. Da frage ich mich, ob es für diese Kinder nicht einen besseren Betreuungsplatz als dieses Massenlager gibt?“, sagt Birgit Pinz.
Das wünscht sich auch Andreas Babler. „Die gesetzliche Obsorge für sie wird vor allem außerhalb des Erstaufnahmezentrums, kaum umgesetzt. Für die Stadt ist das kaum zu bewerkstelligen, da einzuspringen. Es ist ja auch nicht unsere Aufgabe, aber trotzdem versuchen wir Angebote und Akzente zu setzen.“
Das Wichtigste wäre laut Babler die Schaffung von neuen Erstaufnahmezentren und die Entlastung von Traiskirchen, aber auch über die großen globalen Fragen von Ungleichheit, Ressourcenknappheit und Konflikte soll disktutiert werden. „Sonst werden wir uns permanent immer nur am Tagesgeschehen orientieren.“
In den letzten Monaten hat die Politik viel über Zelte und Zäune diskutiert, im Alltag von Amir, Abdullah und den anderen Flüchtlingen in Traiskirchen hat sich nicht viel verändert.