Erstellt am: 4. 12. 2015 - 15:05 Uhr
Tag des Ehrenamtes: Flüchtlingshelfer rufen um Hilfe
Mehr als eine halbe Million Flüchtlinge sind in den vergangenen drei Monaten nach und durch Österreich gereist. Fast alle von ihnen wurden durch das Rote Kreuz und den Arbeiter-Samariterbund versorgt. Es ist ein Einsatz, der weiter andauert - und der ohne Freiwillige nicht möglich wäre.
Foto: Christoph Weiss
Anlässlich des Internationalen Tag des Ehrenamtes, der jährlich am 5. Dezember begangen wird, machen Flüchtlingshelfer derzeit nicht nur auf die Situation der Flüchtlinge, sondern auch auf ihre eigene aufmerksam. Die Ehrenamtlichen, die den Flüchtlingen im zur Notunterkunft umgewandelten Ferry-Dusika-Stadion helfen, schreiben auf ihrer Facebook-Wall: "Seit mittlerweile 11 Wochen sind wir nun bereits im Stadion. Wir haben als Transit-Quartier begonnen, weil in Wien eine Notsituation herrschte. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Nun haben wir BewohnerInnen auf dem Stadiongelände, die zum Großteil seit über 7 Wochen bei uns wohnen. Von den Bedingungen im Stadion ist alles anders, als es zu Beginn war - besser ist weniges. Nur eine Sache hat sich nicht geändert. Von offizieller Seite werden wir noch immer allein gelassen."
Foto: Christoph Weiss
Man habe die Freiwilligen im Dusika-Stadion "in emotionale Geiselhaft genommen", sagt Johnny. Der Student arbeitet fast jeden Tag unentgeltlich in dem Notquartier. "Freiwillige Helfer müssen hier einen Großteil ihrer Freizeit opfern, damit Deutschkurse stattfinden, damit Essen da ist, damit Ansprechpartner für die Flüchtlinge da sind. Wir organisieren Rechtsberatung, wir organisieren Ärztedienste - es sind freiwillige Ärzte hier. Ohne uns würde hier nichts funktionieren."
Mehr als 7.000 Ehremamtliche engagieren sich beim Österreichischen Arbeiter-Samariterbund, der ohne sie - wie andere Hilfsorganisationen auch - die derzeitige Situation kaum bewältigen könnte.
Notunterkünfte wie jene im Dusika-Stadion waren urprünglich für Flüchtlinge gedacht, die in ein anderes Land weiterreisen und deshalb nur eine Nacht lang bleiben wollten. Mittlerweile werden sie aber für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, die einen Asylantrag in Österreich gestellt haben und hier bleiben möchten. Überfordert und in Stich geleassen fühlen sich nicht nur der Arbeiter-Samariterbund und dessen frewillige Helfer. Das Rote Kreuz betreut derzeit 8.000 Menschen in ehemaligen Transitquartieren dauerhaft.
Dass gerade Flüchtlinge, die einen Asylantrag gestellt haben, von der Republik in Stich gelassen werden, kritisert deshalb auch Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes: "Viele Flüchtlinge, die einen Asylantrag in Österreich gestellt haben, landen in der Obdachlosigkeit. Wenn sie heute nach Traiskirchen schauen, dann werden sie Menschen sehen, die in einem Bus schlafen, in einem provisorischen Zelt oder einfach auf der Straße. Oder die Menschen finden den Weg in eine unserer Notunterkünfte, wo sie dann unter Bedindungen, die eigentlich nur für eine Nacht gedacht waren, oft schon wochenlang zu Gast sind."
Rotes Kreuz
Beim Österreichischen Roten Kreuz sind derzeit 70.000 ehrenamtliche Mitarbeiter aktiv – diesen stehen nur 7.500 hauptberufliche Mitarbeiter gegenüber.
Derzeit kommen in Österreich täglich 200 bis 300 Flüchtlinge an – das ist zwar eine leichte Entspannung gegenüber den 500 bis 600 pro Tag im Sommer, trotzdem stellt es die Hilfsorganisationen vor große Herausforderungen. Das Rote Kreuz bietet den Schutzsuchenden erste Nothilfe, medizinische Checks, nötigenfalls auch eine Behandlung im Spital, warme Kleidung, Essen, Getränke und Hilfe bei der Fortsetzung ihrer Flucht.
50.000 Feldbetten und 7.000 Schlafsäcke habe das Rote Kreuz bisher zur Verfügung gestellt. 70.000 Menschen wurden bisher medizinisch versorgt, 10 Tonnen medizinisches Material wurden verbraucht. "Diese Zahlen klingen recht abstrakt", sagt Foitik, "aber man muss sich vergegenwärtigen: Da kommen in der Regel zur Zeit Familien mit kleinen Kindern, die sehr häufig krank sind. Sie kommen aus einem Land, wo es keine Perspektive für sie gibt und wo ihnen die Bomben im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren fliegen."
Der älteste vom Roten Kreuz betreute Flüchtling war 102 Jahre alt. Familien mit mehreren Generationen sind keine Seltenheit. Und immer wieder werden Familien unterwegs getrennt – auch in Österreich. "Es ist besonders tragisch, wenn sie ein kleines Kind verlieren, in einem Bus sitzen und nicht wissen, wo ihr Kind ist. Es ist dokumentiert, dass das in Österreich in den letzten drei Monaten 130 mal passiert ist." 70 dieser Familien konnten dank der Hilfe des Roten Kreuzes wieder zusammengeführt werden. Das Onlinetool Trace the Face der Hilfsorganisation werde mittlerweile in ganz Europa eingesetzt.
Der Einsatz der vergangenen drei Monate wäre ohne den Einsatz der vielen Freiwilligen nicht zu bewältigen, sagt Gerry Foitik. Der Bundesrettungs-Kommandant des Roten Kreuzes und Johnny, der ehrenamtliche Mitarbeiter beim Samariterbund, haben eines gemeinsam: Sie fordern, dass die Republik Österreich endlich ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt und jene Flüchtlinge, die einen Asylantrag in Österreich gestellt haben, menschenwürdig unterbringt und betreut.