Erstellt am: 3. 12. 2015 - 14:28 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 03-12-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Nun hat Red Bull Salzburg also erstmals im Winter, also mitten in der Saison, einen Coach gefeuert. Die Ergebnisse stimmten von Anbeginn an nicht, aktuell wurde auch die Stimmung immer schlechter und wie in Salzburg üblich, bleibt in solchen Phasen das Schönwetter-Publikum sofort aus. Das probate Allheilmittel, um "aufzurütteln": Trainer raus.
Also treffen die Rangnick-Statthalter Jochen Sauer (der straighte Deutsche) und Christoph Freund (der heimische, höflich formuliert bodenständige "der, was"-Typ) die entsprechende, vom Chef und dem big spender wohl tatsächlich nur nachträglich abgenickte Entscheidung, Peter Zeidler zu feuern.
Sie tun also das Stinknormale, branchenübliche. Was keine Erwähnung wert wäre, wenn Red Bull Salzburg nicht Red Bull Salzburg wäre, also mehr als ein normaler Fußballverein, sondern eine übergeordnete grundsätzliche (Sport und Unterhaltungs-)Philosophie, die gefälligst in Erfolge zu gerinnen hat, wie alles andere, was Red Bull anpackt.
Dieser Anspruch hat im Fußball-Bereich immer schon am wenigsten gut funktioniert (weil ein komplexer Teamsport unter jahrzehntelang eingesessenen Parametern anders geartet ist als ein kalkulierbarer Einzelsportler-Erfolg), was aber nichts an der Aufrechterhaltung der Basis-Philosophie der Andersartigkeit änderte.
Bislang.
Jetzt, mit dieser scheinbar normalen und scheinbar nachvollziehbaren Entscheidung stürzt Red Bull in Salzburg in die Belanglosigkeit, in die Gewöhnlichkeit ab.
Zu Beginn war man anders als alle anderen, weil man sich der Realität verweigerte und sich selber weltfremdelnd im Weg stand, ab der Ära Rangnick war man anders als alle anderen, weil man einen konkret-präzisen Masterplan hatte, in der Ära der Rangnick-Kindesweglegung nun nähern sich die Management-Entscheidungen dem populistischem Lokalkaiser-Niveau, das etwa in Wolfsberg oder auch in provinziell geführten Stadt-Vereinen immer noch Usus ist.
Die Leitung von Red Bull Salzburg, das ab September nicht mehr FC heißen muss, weil es (zurecht) eh nicht mehr international mitspielt, hält seiner eigenen Planung nicht mehr stand: die sah einen Neuaufbau in jeder Hinsicht vor, degradierte Salzburg zum Zweit-Standort hinter dem zum Aufstieg verurteilten Leipzig, konnte sich aber nie an die erneuerten, runtergeschraubten Ansprüche gewöhnen und irrlichterte immer wieder durch Wachträume von mehr.
Als die Mannschaft zu Saisonbeginn von einer anderen, dem Verein zuvor noch nicht begegneten Realität (der der Verletzungsmisere und des Ausfalls von entscheidenden, nicht zu ersetzenden Spielern) heimgesucht wurde, war man nicht nur a) wehr- und b) planlos, man weigerte sich auch das neue Anspruchs-Niveau festzuschreiben. Dass man nämlich nach dem internationalen Scheitern und dem schlimmen Meisterschafts-Start froh sein musste, bis zur Winterpause aufzuholen, sich in der Tabellenspitze festzusetzen und in einer weihnachtlichen Konsolidierungs-Phase für ein Frühjahr zu rüsten, das von einem kalkulierten Vornwegmarsch beherrscht wird.
Statt dessen trat die bereits erwähnte Normalität, die provinzielle Gewöhnlichkeit ein, wurden kleine Krisenherde befeuert, Medienspiele mitgespielt, Branchen-Usancen gepflegt. Die jetzt in der Ultima Ratio der Belanglosigkeit endeten: der Trainerentlassung.
Peter Zeidler wurde im Sommer nicht als Feuerwehrmann hochgeholt, sondern engagiert, um mittelfristig aufzubauen, um die vielen Jungen innerhalb von ein, zwei Jahren zu den neuen Kampls und Manes zu machen. Und dieses Projekt war auf einem guten Weg, zwei bis vier aus der aktuellen Mannschaft werden einen solchen Weg machen, jede Wette.
Zeidler ist ein Bauernopfer, nicht mehr. Die idente Vorgangsweise (wieder wurde der Liefering-Coach, diesmal eben Thomas Letsch) hochgeholt, zeigt die prinzipielle Richtigkeit der Linie. Wer wirklich hinterfragen will, wem die "Schuld" an der Schächephase anzukreiden wäre, der müsste in eine andere Richtung recherchieren.
Den Saisonbeginn-Ausfall von z.B. Soriano-Damari oder das Miranda-Debakel Zeidler anzulasten, ist absurd. Wichtiger wäre gewesen, das dumme Krisengerede dieser Tage (Stichwort Kinderfußball) in den Griff zu kriegen: die nötige strategische Arbeit, die in der Stabilisierung des Spätherbstes sichtbar wurde, lieferte der Coach ja durchaus. Weil die vom Management aber zu keinem Zeitpunkt abgefangenen An-/Untergriffe nicht aufhörten und sich die irrationalen, branchenüblichen Anläufe ihren Weg in das bis dorthin davon unbeeindruckte Salzburger Ensemble bahnen konnten, folgte dem Aufschwung die nächste Schwächephase auf dem Fuße.
Klar hat Zeidler mit teilweise unglücklichen Personalentscheidungen und manch taktisch vergeigtem Spiel dazu beigetragen, dass er noch angreifbarer wurde - trotzdem steht sein professioneller Ansatz deutlich über dem Gemurkse der meisten Liga-Kollegen. Dass Zeidler als erster Red Bull Salzburg-Coach überhaupt nicht die Chance hatte eine (erste) Saison fertigzuspielen, zeugt aber in erster Linie von Plan- und Konzeptlosigkeit der sportlichen Führung. Die in übrigen die neue Mannschaft genau so zusammengestellt hat, ehe sie der Liefering-Coach übernehmen konnte, und immer noch von der messwert-irrigen Annahme ausgeht, dass man in der Meisterschaft mit 10 Punkten führen müsste.
Als der Mäzen oder sein Statthalter (also Rangnick bzw dessen Vorgänger) noch die Entscheidungen trafen, wäre eine derartige Patzerei mit schnellen (oft auch deutlich zu vorschnellen) Entlassungen bestraft worden. Mittlerweile ist das, was in Salzburg passiert Mateschitz/Rangnick so was von zweitrangig. Als Außenstehender ist die Chefitäten-Unlust sich mit gewöhnlichem Branchengewürge zu beschäftigen, spürbar. Was für die Zukunft des einstmals in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Vereins eher nichts Gutes bedeutet.